Scheidung nach Jahren: Doch noch trennen oder weiter leiden?

Scheidung

Foto: pixabay

Ihr Lieben, zum Thema Scheidung gibt es zahlreiche Ratgeber, erstaunlicherweise aber keinen einzigen, der sich speziell an eine Zielgruppe wendet, die sich erst nach Jahrzehnten des Zusammenseins trennt. Unterschiedliche Lebensvorstellungen, Krankheiten, das Verblassen der Gefühle oder ein spätes Coming-out können Gründe dafür sein.

Eigentlich wollte man gemeinsam alt werden, nun will (oder muss) man sich unverhofft neu erfinden. Ihr ihrem Buch «Doch noch scheiden oder weiter leiden?» erklärt die erfahrene Juristin Renate Maltry laienfreundlich anhand von vierzehn lebensnahen Fallgeschichten rechtliche Fragen von Auskunftsanspruch bis Zugewinnausgleich und macht Betroffenen zugleich Mut, ihr Leben neu zu gestalten.

Trennen oder bleiben
Renate Maltry. Foto: Erik Bohr

Liebe Frau Maltry, wenn sich Paare erst nach Jahrzehnten trennen, ist das für viele dann eher eine Erleichterung?

Der Trennung von Paaren, die lange verheiratet sind, geht oftmals eine schwierige Phase voraus. Gerade Paare, die seit Jahrzehnten verheiratet sind, kämpfen sehr lange. Sie sind oft in alten Strukturen und Rollenbildern verhaftet, die ihnen nicht erlauben zu gehen. Eine Scheidung war lange verpönt und ist erst seit 1977 erleichtert worden. Wenn dann die Entscheidung gefallen ist, ist der Schritt dann oft eine Erleichterung. Ich nenne es auch das Glück, das jenseits der Angst liegt.

Es gibt das Bild vom Frosch, der aus dem Topf hüpft, wenn das Wasser von Anfang an heiß ist, der aber im Topf bleibt und dann langsam immer schwächer wird, wenn das Wasser nach und nach wärmer wird… wie schaffen Paare dann doch irgendwann den Absprung, braucht es dafür ein Initialerlebnis?

Bei einer Ehe und Liebesbeziehung habe ich ja den umgekehrten Vorgang, das Erkalten der Beziehung. Junge Paare gehen heute schneller und hüpfen oft bei dem ersten „Erkalten“ aus der Ehe. Die durchschnittliche Ehedauer liegt bei 15 Jahren.

Grundsätzlich gibt es Temperatursprünge in einer Ehe. Den Ersten gibt es, wenn die Kinder klein sind. Hier wird die Paarbeziehung erstmals auf die Probe gestellt, weil man wenig Zeit füreinander hat und als Eltern gefordert ist. Den zweiten gibt es, wenn die Kinder aus dem Haus gehen. Dann entsteht oft das „Leere Nest Syndrom“ und ein Paar muss allein wieder miteinander zurechtkommen und entdeckt was es noch aneinander hat Schließlich ist ein weitere Temperatursprung gegeben, wenn einer oder beide in Rente gehen.

Hier stellt sich oft die Frage, ob man den letzten Lebensabschnitt, der ja durch die hohe Lebenserwartung sehr lange sein kann, noch miteinander gehen möchte. Manchmal gehen die Vorstellungen auseinander und dann liegt die Überlegung nahe, ob man das — ein Beispiel ist Loriot mit“ Papa ante Portas“– noch aushalten kann oder will. Die Lebensvorstellungen gehen auseinander.

Ein Initialerlebnis ist oft hilfreich, den letzten Schritt zu gehen. Manchmal ist es so, dass eine bestimmte Grenze des „Ertragbaren“ erreicht ist.

Auch Sie selbst haben eine Trennungsgeschichte hinter sich, wie ging es Ihnen damals damit?

Juristisch war das für mich kein Problem, denn ich hatte einen Ehevertrag. Die Loslösung aus der Beziehung hat für mich aber lange gedauert, weil auch in meiner Familie Scheidung verpönt war und ich quasi die erste war, die sich hat scheiden lassen. Das Erkennen unserer Beziehungsstruktur und familiärer Zusammenhänge durch therapeutische Aufarbeitung war mir eine große Hilfe.

Sie sind auch als Gründerin des Vereins TuSch Trennung und Scheidung e.V., welche war die berührendste Geschichte, von der Sie dort erfahren haben?

Die berührendste Geschichte war als ein Paar ein zweites Mal geheiratet hat und dann bei der erneuten Eheschließung wegen einem Ehevertrag zu mir kam. Erst nach der förmlichen Scheidung, nach dem „krassen Schnitt“, wie sie es nannten, haben sie gemerkt, was ihnen fehlt. Und das ging beiden so. Mit einer Therapie nach der Scheidung haben sie dann ihre Probleme aufgearbeitet, gelernt anders zu kommunizieren und waren jetzt so verliebt wie kaum zuvor.

Späte Trennung
«Doch noch scheiden oder weiter leiden?»

Hier lesen viele Menschen mit, die seit Jahrzehnten in Beziehungen leben. Manche von ihnen sind eventuell gar nicht mehr sooo glücklich und zufrieden. Woran erkennen sie, ob es besser ist, zu bleiben und auf Besserung zu hoffen oder sich scheiden zu lassen?

Wenn beide an der Beziehung arbeiten wollen, ist es besser zu bleiben. Dann hat jede Beziehung und jede Ehe eine Chance. Wenn aber einer der Partner keine Bereitschaft zeigt, sich zu verändern, ist es schwierig. Das Prinzip Hoffnung ist hier fehl am Platz.

Was sind die häufigsten Gründe für eine Trennung nach vielen Ehejahren?

Das Auseinanderleben: die Gleichgültigkeit, die sich im Laufe der Jahre eingeschlichen hat. Hinzukommt, die lange Lebenserwartung, wo sich viele fragen, ob man dieses Leben noch für die restliche Lebensdauer so führen möchte.

Neue Wege: Vielfach ist es auch so, dass jeder neue Wege gehen möchte. Oft höre ich: Jetzt bin endlich ich dran, sei es bei Frauen nach der langen Kindererziehung oder bei Männern der Versorgung der Kinder. Jeder möchte sich selbst verwirklichen und da gehen die Wege oftmals auseinander.

Neue Interessen:  Interessen, die zu sehr auseinanderdriften, die sich nicht mehr vereinbaren wie im Buch bei Klara und Heinz

Erkrankung: Wird ein Ehegatte krank, schwer krank, stellt sich oft die Frage für den anderen ob er bleiben muss oder gehen darf. Muss er das Aushalten oder nicht: In guten und in schlechten Zeiten ist dann die Frage.

Auch eine neue Liebe kommt bei einer langjährigen Ehe vor. Sie ist aber kein Grund, sondern er Auslöser. Nur wenn eine Beziehung nicht mehr in Takt ist, kann ein anderer Partner ins „Spiel“ kommen.

Was ist für eine gute, einvernehmliche Trennung zu beachten?

10 Tipps haben wir in unserm Buch genannt.

Das Wichtigste ist für mich eine rasche gute juristische Information von beiden Beteiligten, damit man eine faire Verhandlungsbasis hat.

Gewaltfrei Kommunikation, die man lernen kann, ist eine gute Voraussetzung für Verhandlungen, die zu fairen Ergebnissen führen.

Ihnen wurde sogar der Bayerische Verdienstorden verliehen. Wofür und was hat Ihnen das bedeutet?

Der Bayerische Verdienstorden wurde mir für meine ehrenamtliche Tätigkeit im deutschen Juristinnenbund und dem Verein TuSch, Trennung und Scheidung verliehen. Darüber hinaus für meine juristische Tätigkeit und mein Engagement für junge Juristinnen.

Die Verleihung des Bayerischen Verdienstordens hat mich sehr gefreut, da es für mich eine Wertschätzung meiner jahrelangen ehrenamtlichen Tätigkeit bedeutete. Und es werden immer noch mehr Auszeichnungen an Männer als an Frauen vergeben. Insofern war es mir eine besondere Ehre.

cb30dc73174f4fd5b893bb49e33836bf

Du magst vielleicht auch

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert