„Mit 30 wusste ich, was ich will, mit 40 wusste ich, was ich kann und mit 50 weiß ich, wer ich bin!“, sagt Lisa Ortgies. Ihr kennt sie bestimmt aus dem Fernsehen, unter anderem moderiert sie Frau TV, hat mit Lisas Paarschitt aber auch einen tollen Beziehungs-Podcast. Nun hat sie mit „Heißer Scheiß“ wieder ein Buch geschrieben. Weil sie findet:
Wenn wir Frauen in unserer Lebensmitte jedes weitere Jahr feiern, statt darauf zu warten, dass unsere Kinnkonturen verschwimmen, dann werden ungeahnte Kräfte frei, mit denen wir die letzten Reste anerzogener Scham abschütteln können. Die Rushhour haben wir überlebt, Tiefschläge hinter uns gelassen, wir waren nie klüger, klarer und lebendiger als jetzt. Warum schleicht sich bei uns Frauen jenseits der fünfzig trotzdem so oft diese große Verzagtheit ein?
Ihr Buch »Heißer Scheiß: Liebe, Wut und Leben für Fortgeschrittene« ist kein Nachschlagewerk zu den Wechseljahren geworden, weil die Menopause nur ein weiteres von vielen Hindernissen ist, die Frauen biologisch oder gesellschaftlich in den Weg gelegt werden, findet ortgies. Ob Männer, Schönheitsindustrie, Modebranche, andere Mittfünfziger*innen – alle haben eine Vorstellung davon, wie frau in diesem Alter zu sein hat, was frau tragen und wie frau sich verhalten sollte.
»Shame on alles, was uns beschämt und bedrückt, was uns klein hält oder die Sprache verschlägt!« sagt Lisa Ortgies dazu. Selbstironisch, messerscharf und wortgewandt resümiert sie, was uns zurückhält und warum wir Frauen (oft) nicht ahnen, was alles in uns steckt.
„Es ist Zeit, dass wir unsere eigenen Geschichten erzählen, unsere stillgeschwiegene Wut an die Luft lassen und ungelebtes Leben nachholen. Um Emotionsarbeit oder Wäscheberge sollen sich gefälligst andere kümmern, und Männer können sich gern selbst ein paar Fragen stellen. Wir sind dann mal raus. Aber wir sind noch nicht quitt. Denn jetzt beginnen die verheißungsvollen Jahre. Für einen Neustart in die Liebe, im Kopf, im Job – oder was auch immer sich im Horizont abzeichnet.“ Wir dürfen einen Ausschnitt aus dem Buch hier publizieren. Viel Spaß damit!
Heißer Scheiß: Liebe, Wut und Leben für Fortgeschrittene
Beim Thema »faire Aufteilung der Care-Arbeit« neige ich wegen der seit Jahrzehnten nahezu unveränderten Statistiken (die eine unfaire Aufteilung belegen) inzwischen zu Galgenhumor. Es gibt einen britischen Comedy-Clip, an dem ich immer wieder kleben bleibe: Eine Frau kommt nach Hause zu ihrem Partner, der auf dem Sofa chillt und auf das (von ihr zubereitete) Abendessen wartet … und beschwert sich über die nie endende Hausarbeit. Dass ihr nach dem Job für nichts anderes mehr Zeit bleibt, dass sie so nicht weitermachen kann …
Sie ist kurz vorm Heulen, als er sie unterbricht und ihr verspricht: »Relax. It’s gonna be alright.« Und er zeigt ihr den magischen Wäschekorb, den er entdeckt hat: in den man alles einfach hineinwerfen kann. Und am nächsten Tag liegt es frisch gewaschen und zusammengefaltet im Schrank. Genauso wie beim magischen Tisch, von dem alles über Nacht verschwindet, egal, wie unaufgeräumt und voll man ihn hinterlassen hat … Unglaublich! Am nächsten Tag ist die Frau verschwunden, und er ruft einen Polizeibeamten für des Rätsels Lösung – der auch so einen magischen Tisch zu Hause hat …
Im vorangehenden Abschnitt lässt sich der »Mann« wahlweise auch durch den oder die »Teenager:in« ersetzen, ohne dass der Inhalt geändert werden müsste. Das Problem scheint globale Ausmaße angenommen zu haben, denn im Netz und auf Social Media trenden aufwendig inszenierte Spaßvideos aus allen möglichen Ländern, die zeigen, wie die Eltern erwachsener Kinder ihren Nachwuchs zum ersten Mal in der eigenen Wohnung besuchen und den Spieß umdrehen.
Nach Betreten der Wohnung gleiten die Jacken direkt vor der Tür zu Boden, in der Küche werden Kühlschrank und Schränke geplündert, Dutzende von Verpackungen aufgerissen, alles einmal probiert und dann mit Löffel im Glas überall stehen gelassen, genauso wie das benutzte Geschirr, das sich schnell auf allen Arbeitsflächen stapelt. Danach besetzen die Eltern das Badezimmer, bespritzen den Spiegel mit Zahnpastaschaum, verteilen Schminksachen über alle Flächen und lassen Berge von nassen Handtüchern zu ihren Füßen zurück.
In den Schlafzimmern geht es weiter mit dem Inhalt der Schränke, alles wird anprobiert, liegen gelassen, und die besten Teile werden eingesteckt. Genauso wie einige Essensvorräte und der Inhalt der Hausbar, mit dem sie am Ende johlend wieder abziehen, während ihre erwachsenen Teenager mit offenem Mund zurückbleiben. Ich gehe bei diesen Videos oft ein Dutzend Mal auf »noch mal ansehen« und freue mich jetzt schon auf den Tag, an dem meine Kinder im eigenen Haushalt leben und ich diese lustige Racheaktion nachstellen kann.
Wenn ich alle Stunden zusammenzählen würde, die ich mit Auf- und Nachräumen in Kinderzimmern verbracht habe, dann hätte ich in dieser Zeit wohl mindestens ein Buch schreiben können. Selbst schuld? Wir könnten auch einfach mal unsere Rechte als Eltern und Haushaltsvorstände durchsetzen. Denn laut Bürgerlichem Gesetzbuch sind Kinder und Jugendliche dazu verpflichtet, gemäß ihrem Entwicklungsstand, im Haushalt zu helfen.
Paragraf 1619 des BGB schreibt Folgendes vor: »Das Kind ist, solange es dem elterlichen Hausstand angehört und von den Eltern erzogen oder unterhalten wird, verpflichtet, in einer seinen Kräften und seiner Lebensstellung entsprechenden Weise den Eltern in ihrem Hauswesen und Geschäft Dienste zu leisten.«
Bin ich die Einzige, der das Wort Dienste in diesem Zusammenhang besonders gut gefällt? Das hat etwas von einem Verhältnis zwischen Herrschenden und Untertanen, ein Gefühl, das ich gern mal genießen würde, und sei es nur für einen Tag.
Leider haben meine Kinder von diesem Paragrafen noch nie etwas gehört, die Quellen im Netz halten sie für Fake und werfen mir Manipulation vor. Ich habe dann den BGB -Wälzer in Papierform bemüht, die Reaktion war ein Schulterzucken. Stellt sich die Frage: Wie setze ich mein Recht durch? Bundespolizei?
Wären meine Kinder heute erst am Anfang, vier bis sechs Jahre alt, dann könnte ich das Steuer vielleicht noch rumreißen, denn wie ein anderer Trend in den sozialen Medien suggeriert, kann man die Kleinen gar nicht früh genug an das Thema heranführen. Man müsse sie einfach nur machen lassen, sodass sie das Gefühl bekämen, wichtige Aufgaben zu übernehmen, wodurch sie noch dazu Selbstvertrauen gewännen.
Da es bei diesem Erziehungstrend mehr um das Empowerment der Kleinen geht und weniger um den Zustand des Haushalts, braucht es selbstverständlich eine Betreuungsperson, die das Ganze beaufsichtigt, um im Notfall einzugreifen, im Idealfall, bevor das Marmeladenglas auf dem Boden landet oder die Milch überkocht, aber hey, irgendwie müssen kleine Kinder ja auch aus Erfahrung lernen können dürfen, und deshalb braucht es natürlich auch noch jemanden, der hinterher aufräumt und sauber macht, und das ist in den meisten Fällen natürlich die – Mutter.
Die Kleinen dürfen dabei zuschauen, was dann natürlich wieder eine stereotype Erfahrung wäre, die tradierte Geschlechterrollen manifestiert … Dennoch: Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und in die Selbstwirksamkeit ist gestärkt. Was sie dann später als Teenager auf die Probe stellen können, und da schließt sich der Kreis, ohne dass zu irgendeinem Zeitpunkt die Mütter entlastet worden wären, aber das war vermutlich auch nie das Ziel der Übung.
3 comments
Für ein Teenyzimmer ist nicht die Mutter zuständig……sondern der Teeny selbst! sieht es aus wie die Sau, einfach Tür zu, dann sieht man es nicht und regt sich nicht darüber auf.
Sehe ich grundsätzlich genauso, aber einen Mindeststandard muss man im Interesse der Hygiene und der Bausubstanz (Schimmel) leider doch durchsetzen.
Haaaahahahaha! Ich hätte bitte gerne den Link zu jenem Video! 😀