Ihr Lieben, neulich machte uns eine Leserin auf ein Thema aufmerksam, auf das auch wir noch nie so wirklich nachgedacht hatten. Es ging um die Ehegattennotvertretung, habt ihr das schon mal gehört?
Unsere Leserin hat in einer früheren Beziehung selbst Gewalt durch ihren Partner erfahren und arbeitet zudem seit vier Jahren im Betreuungswesen. Heute ist sie glücklich verheiratet und mit dem ersten Kind in Elternzeit, trotzdem ist es ihr nach wie vor wichtig, über die Ehegattennotvertretung aufzuklären, denn:
Wenn ihr in ihrer Ehe damals etwas zugestoßen wäre, durch das sie das Bewusstsein verloren hätte, hätte ihr Gewalt ausübender Ehemann über sie entscheiden dürfen. Damit andere Frauen niemals in diese Lage kommen, schreibt sie uns hier einen Gastbeitrag.
Na, schon gut vorgesorgt? Wer darf bei einem medizinischen Notfall die Entscheidungen treffen? Hand aufs Herz, wer hat sich diese Frage schon einmal gestellt und wer hat eine Antwort dazu gefunden und schriftlich festgehalten?
Ehegattennotvertretung und Vorsorgevollmacht
Das Thema Vorsorge ist unbequem und es mangelt an öffentlicher Aufklärung. Als Person, die im Betreuungswesen tätig ist, versuche ich so oft wie möglich zum Thema rechtliche Vertretung aufzuklären und stoße meistens auf Widerwillen.
Wer denkt schon gern daran, dass er zeitnah nicht mehr in der Lage sein könnte, seinen Willen zu äußern! Ein Unfall oder Herzinfarkt wird mir schon nicht passieren… Deswegen: Klar, wir können uns eingestehen, dass das Thema irgendwann wichtig sein könnte, aber die Betonung liegt auf irgendwann.
Bei verheirateten Paaren herrscht doch eh kein Druck, denn…. man ist ja durch die Ehe verbunden. Dann entscheidet doch der Partner! Oder?! Stimmt das? Als Fachperson möchte ich an dieser Stelle mahnen und aufklären.
Wie sieht das alles rechtlich aus?
Zunächst einmal: Ja, das stimmt, allerdings erst seit gerade einmal eineinhalb Jahren. Seit dem 01.01.2023 gibt es die so genannte Ehegattennotvertretung. Zuvor hatte der Ehepartner ohne eine Vollmacht keinerlei Vertretungsbefugnis. Dann musste bei einem medizinischen Notfall ein rechtlicher Betreuer bestellt werden.
Seit eineinhalb Jahren stimmt die gesellschaftliche Annahme also zumindest in Teilen. Denn, wie das Wort schon sagt, handelt es sich um eine Vertretung im Notfall. Diese muss von einem Arzt attestiert werden und dauert maximal sechs Monate an. Die Handlungsbefugnisse sind auf die medizinischen Entscheidungen eingeschränkt.
Finanzielle Angelegenheiten können über diese Notvertretung nicht geregelt werden. Aber was ist, wenn man eben nicht will, dass der Ehepartner oder die Ehepartnerin die Entscheidungen trifft? Nicht jede Ehe basiert auf Vertrautheit und Glück.
Vielmehr schockiert der jährliche Bericht über die Gewaltrate im häuslichen Umfeld. Alleine im Jahr 2023 wurden 256.276 Opfer von häuslicher Gewalt erfasst. Das sind täglich über 700 Personen. Dieser Statistik zu Folge stirbt jeden zweiten Tag eine Frau durch Partnerschaftsgewalt (Quelle).
Wie können betroffene Personen verhindern, dass die Ehegattennotvertretung greift? Hier gibt es zwei Möglichkeiten. Zum einen können Betroffene eine Vorsorgevollmacht gegenüber einer Vertrauensperson erteilen. Beim Vorhandensein einer Vollmacht greift die Ehegattennotvertretung nämlich nicht.
Das zentrale Vorsorgeregister
Zum anderen können betroffene Personen einen Ausschluss des Ehepartners im zentralen Vorsorgeregister eintragen lassen. Darauf haben die behandelnden Ärzte Zugriff. Tritt dann ein medizinischer Notfall ein, entscheidet der Bevollmächtigte oder ein vom Gericht bestellter rechtlicher Betreuer. Der Ehegatte hat dann keine Befugnis.
Aber auch allen glücklich verheirateten Ehepaarten ist nahezulegen, dass sie sich nicht auf der Notvertretung ausruhen. In einem medizinischen Notfall ist die Situation bereits belastend genug. Ersparen sie ihrem Partner den Aufwand, erst um seine Rechte kämpfen zu müssen, erstellen Sie eine Vorsorgevollmacht, denn auch die Aufklärung in Kliniken lässt zu wünschen übrig.
So kompliziert ist das alles nicht!
Vorsorgevollmacht – rechtlicher Betreuer – Ehegattennotvertretung. Klingt kompliziert, denken Sie sich jetzt? Auf den ersten Blick muss ich gestehen, dass dies so wirkt. Auf Grund von mangelnder öffentlicher Aufklärung befasst man sich lieber gar nicht mit dem Thema und verschiebt es auf später.
Ich kann aber sagen: So kompliziert ist das nicht. Grundsätzlich gilt: Wer bei vollem Bewusstsein ist, kann eine Vorsorgevollmacht erteilen. Dann ist man in einem medizinischen Notfall abgesichert und der Bevollmächtigte kann darüber hinaus alle notwendigen Angelegenheiten regeln.
Wer dies versäumt, hat im Notfall das Glück oder das Pech, dass die Notvertretung greift. Bei allen unverheirateten Paaren, Alleinerziehenden oder alleinlebenden Menschen muss unter Umständen ein rechtlicher Betreuer vom Amtsgericht bestellt werden.
Wer jetzt merkt, da sollte man mal darüber nachdenken kann sich auf der Seite des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz informieren oder sich an einen örtlichen Betreuungsverein oder eine Betreuungsbehörde wenden. Dort erhalten Sie Auskunft und die notwendigen Formulare. Nicht abschrecken lassen, es ist wirklich einfacher, als es wirkt.
2 comments
Interessant, ich wusste nicht, dass mittlerweile der Ehepartner automatisch eine Vollmacht hat (zumindest für medizinische Entscheidungen). In unserer Familie haben wir schon vor Jahren jeweils eine Vollmacht beim Notar angelegt. Bei mir war das noch vor meiner Ehe mit meinen Eltern als Bevollmächtigte. Nach der Hochzeit habe ich meinen Ehepartner hinzufügen lassen. Kann ich tatsächlich nur empfehlen. Einmal gemacht und muss sich keine Gedanken mehr darum machen. Unser Notar hat damals zusätzlich noch eine Patiententenverfügung empfohlen, da diese wohl bei kritischen Notfällen als erstes greift und auch die Angehörigen es leichter haben, wenn sie nachlesen können, welche Eingriffe die Person noch zustimmt und welche nicht.
Danke für diesen tollen Artikel.
Mein Vater hat für uns – seine drei Kinder- eine Patienten Verfügung und eine Vollmacht ausgefüllt. Die hat uns sehr geholfen, als er im Urlaub auf die Intensivstation musste. Außerdem hat es uns die Entscheidung abgenommen wann wir die Maschinen ausstellen lassen. Denn wir haben lediglich „seinen Willen“ kommuniziert. Also meine Empfehlung- bitte macht das mit euren Eltern für euch