FOMO und Unverbindlichkeit in der Teen-Time: Bloß nix verpassen

FOMO

Ihr Lieben, kennt ihr FOMO, die fear of missing out, also die Angst, was zu verpassen? Sie gilt als erste Social-Media-Krankheit, weil man beim Durchforsten von Snapchat, Insta und TikTok schnell das Gefühl kriegen kann, alle anderen hätten das krassere Leben, während man selbst vielleicht grad eher für Prüfungen lernt oder halt auf der Couch rumhängt und netflixt.

Ich finde, das Phänomen lässt sich aber nicht nur auf Social Media anwenden, sondern auf das gesamte Leben. Ich hab das jetzt erst am Wochenende mitbekommen, wie sehr eins meiner Kids in Stress geriet, weil sowohl Freundeskreis 1, als auch Freundeskreis 2 Zeit mit ihm verbringen wollte.

FOMO

Es gab viele Telefonate und Kompromissversuche – können wir uns dann nicht Sonntag treffen, dann könnte ich Samstag mit den anderen publicviewen etc. Und ich verstehe das. Man mag nix verpassen, ich bemerk das seit Corona auch bei mir. Was sich ergibt, nehme ich dankend an, weil immer noch dieses Gefühl des „Wer weiß, wie lang das noch so geht“ in mir steckt. Das hat sich irgendwie eingebrannt.

Ich trage auch immer noch Katharinas Armband, das sie mir in der schlimmsten Corona-Zeit schickte und auf dem steht: You will dance again. Du wirst wieder tanzen. Und doch, ich sage so langsam auch mal wieder ein paar Dinge ab, fahre dann doch nicht mehr aus, um Kräfte zu schonen, das Vertrauen ins Leben kommt immer weiter zurück.

FOMO: Mal sehen, ob nicht noch was Besseres kommt

Halbes Jahr Spanien

Aber ihr kennt das bestimmt selbst aus eurem Umfeld, ich höre es grad von so vielen: Dass sich die Leute nicht mehr festlegen. Dass Kurse erst kurz vor knapp gebucht werden (was für Veranstalter und deren Planungssicherheit echt herausfordernd ist), dass zu Partys manchmal erst am Tag selbst zu- oder abgesagt wird, weil sich die Leute alles offenhalten wollen – falls doch noch was Besseres kommen könnte. FOMO.

Schwierig ist es ja für die Jugend heute auch, dass sie ständig sehen, was die anderen alles Tolles machen. Das macht es für den Schüleraustausch schwierig, wirklich woanders anzukommen, weil man ja dauernd sieht und mitbekommt, was man zu Hause verpasst.  Das macht es auch schwierig, wenn man mal auf nem Familienfest ist, gleichzeitig aber sieht, wie alle anderen sich auf der Party des Jahres amüsieren. Das macht es aber auch überhaupt schwierig, mit all den Freiheiten klarzukommen.

Wer alle Freiheiten hat, muss sie auch nutzen?

zungenpiercingmuttation

Wenn man alle Freiheiten hat, muss man sie dann nicht auch nutzen? Nach dem Abschluss ein FSJ machen? Oder durchs Ausland reisen? Was Krasses erleben? Werde ich es bereuen, das alles nicht zu machen und einfach Krankenschwester oder Dachdecker zu werden? Werde ich sofort kündigen, wenn es mal ne Zeitlang nicht so passt, weil da draußen ja noch Besseres warten könnte?

Mach ich das mit Beziehungen ähnlich? Einfach wegwerfen und austauschen, ein Tinder-Wisch und zack nächstes Date? Darf ich einfach hetero oder homo sein oder muss ich auch mal bi ausprobieren, verpass ich sonst was? Soll es ne Ausbildung sein oder ein Fachhochschulstudium oder erstmal nix tun?

Vom Überangebot und der Überinformation

Bei all dem Überangebot und der Überinformation kann man dann als Außenstehende schon manchmal verstehen, wenn die heranwachsende Generation spießiger wird als wir. Sich Grenzen wünscht, um sich an irgendwas festzuhalten. Wir haben es bei den letzten Wahlen gesehen, die Jugend wählt konservativ (da wären wir doch als junge Leute im Leben nicht drauf gekommen, oder?)

Aber gut, mich überfordert ja schon das Joghurt-Regal im Supermarkt, wer braucht 1000 Sorten, also nimmt man dann doch öfter dieselbe, die bekannte, das Gewohnte. Ich jedenfalls verspüre zumindest dort kein FOMO, wenn ich nicht den Joghurt mit Pannacotta-Kiwi-Cheesecake-Geschmack auswähle, sondern den schnöden Erdbeergeschmack.

Überangebot
Foto: pixabay

Und ich bin schon enttäuscht, wenn ich eine Party vorbereitet hab und dann am Tag selbst noch 20 Leute absagen. Andererseits kann ich mich auch nicht ganz freisprechen davon, dass ich mich früher viel eher festgelegt habe als heute. Ich erfinde mich ja auch beruflich und hobbymäßig grad nochmal neu, weil ich das Leben nun mal möglichst intensiv nutzen möchte.

Es gibt also kein Richtig oder Falsch, nur einen möglichst eleganten Mittelweg, um mit unserem Gefühl des FOMO umzugehen. Und ich glaube, dass uns, die wir schon einiges erlebt haben im Leben, das doch noch leichter fällt als der nachrückenden Generation, der das Leben noch bevorsteht und die möglichst keine Chance ungenutzt lassen will… und sich in all den Hätte-Wäre-Könntes vielleicht auch mal verliert. Oder was meint ihr?

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1 comment

  1. Dieses Phänomen des sich erst spät Festlegens wollens gab es schon vor gut 30 Jahren Thema und hat sich vermutlich durch Social Media noch verschärft. Es ist auch schon soziologisch untersucht worden: Es verschafft Statusgewinn sich erst möglichst spät festlegen zu können.

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