Kita-Betreuungspreise in München: Überhaupt noch arbeiten gehen?

Kita-Betreuungspreise in München

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Ihr Lieben, heute Morgen haben wir eine Dreifach-Mutter zur aktuellen Lage in München zu Wort kommen lassen, nun haben wir noch eine Betreuerin von Eltern-Kind-Gruppen für Kleinkinder zwischen 0 und 3 interviewen können. Sie spürt die Auswirkungen der geplanten horrenden Kita-Betreuungspreise in München hautnah.

Du Liebe, du hast durch deine Kurse für die Kleinsten viel Kontakt zu Müttern und Vätern in deiner Nähe. Wie geht´s ihnen gerade vor dem Hintergrund der angekündigten Explosion der Kita-Betreuungspreise in München?

Kita-Betreuungspreise in München
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Dazu vielleicht kurz erstmal einige allgemeine Hintergrundinfos: Das Kitaplatz-Thema ist seit Jahren ein sehr Großes in unseren Kursen. Besonders im ersten Lebensjahr, wenn die Eltern um einen Platz in einer Krippe (Krippe in Bayern ist die Betreuung der 1-3jährigen) bangen und solange nicht wissen, wie der Wiedereinstieg in die Arbeit gelingen soll (à das ist eigentlich ein Frauenthema, denn meistens sind es die Frauen, die hier zurückstecken).

Kitaplätze werden hier in München zentral über den sogenannten Kitafinder vergeben. Bis zu einem bestimmten Stichtag im März/April muss man seinen Bedarf online angeben. Ab dem Stichtag läuft dann die Vergabe für die Plätze ab September. Das alleine ist schon problematisch, weil z.B. Kinder, die im Januar geboren wurden im September noch gar keinen Anspruch auf einen Platz haben, Plätze aber nur selten im laufenden Kitajahr vergeben werden.

Die Platzvergabe über den Kitafinder kann sich zudem auch ziehen, da Eltern ein Platzangebot gemacht wird und sie dann 11 Tage Zeit haben zu entscheiden, ob sie den Platz annehmen. Wird er nicht angenommen, bekommen andere Eltern dann in der 2. Runde ein Angebot. So zieht es sich oft bis in den August rein, bis alle Plätze vergeben sind. Das erfordert viel Geduld von den Eltern und treibt viele dazu, dann doch einen privaten, sehr teuren Kitaplatz zu nehmen, aus Angst, bei den städtischen bzw. „günstigen“ Kitas leer auszugehen.

Der Kitafinder sollte das ganze Vorgehen transparenter und gerechter machen und auch verhindern, dass  sich Eltern direkt bei den einzelnen Kitas anmelden müssen. Ich nehme viel Verunsicherung und Frust wahr. Es wird viel über dieses System geschimpft. Oft werden Plätze dann doch an diejenigen verteilt, die sich immer wieder in den Kitas persönlich melden, am Tag der offenen Tür da waren etc. Am Ende scheint es doch, wie ein Glücksspiel.

Kurzum, die Krippensuche raubt meinen Kurseltern – und man muss es ganz klar sagen, dass ich hiermit vor allem Mütter meine – unglaublich viel Zeit und Nerven, es macht Ängste und Frust. Letzten Endes ist es der Entzug von Selbstwirksamkeit, weil viele das Gefühl haben, nichts selbst im Griff zu haben. Teilweise werden komplizierte Pläne geschmiedet, wie Großeltern in die Betreuung mit einbezogen werden können, wie beide Elternteile ihre Tage verteilen, dass die Betreuung doch irgendwie abgesichert ist und doch Geld reinkommt, denn: München ist teuer.

Die Elternzeit zu verlängern, kann sich nicht jeder leisten. Ich kenne Kinder, die 8 Wochen nach Polen zu den Großeltern gebracht wurden, um die Zeit bis zum Beginn der Kitabuchung zu überbrücken. Aufgrund des Fachkräftemangels wurden Eltern auch schon zugesagte Plätze wieder gekündigt und Geschwisterplätze sind auch nicht gesichert.

Man kann daher sagen, zu diesen vorhandenen vielen Problemen kommt nun noch die aktuelle Situation durch das Kippen der Münchner Förderformel dazu, die die Verunsicherung potenziert. Zum jetzigen Zeitpunkt herrscht viel Ratlosigkeit und die Eltern sind zum Abwarten verdammt, weil: die von einer Gebührenerhöhung betroffenen Kitas haben noch Zeit, sich zu entscheiden, ob sie dem neuen Defizitausgleichssystem beitreten oder nicht. Solange müssen die Eltern bibbern. Aber: der Aufschrei in meinen Kursen fehlt. Die Verunsicherung steigt, aber ich nehme statt Aktivismus eigentlich eher Resignation wahr.

Wo liegen die Sorgen der Familien und gibt es irgendeinen Hoffnungsschimmer?

Man muss ja dazu sagen, dass nicht alle davon betroffen sind. Die städtischen Kitas und Träger, die sich am von München geschaffenen Defizitausgleichsverfahren beteiligen, können weiterhin günstige Plätze anbieten. Es betrifft private Träger, die nicht am Defizitausgleichsverfahren teilnehmen. Der Run auf die städtischen Plätze wird dadurch natürlich noch größer und die Angst, dabei leer auszugehen auch.

Die Hoffnung ist klar, einen städtischen Platz zu ergattern oder einen bei einem Träger oder einer Elterninitiative, die sich am Defizitausgleichsverfahren beteiligen. Das Problem ist, dass viele Träger noch nicht bekannt gegeben haben, ob sie daran teilnehmen werden. Soweit ich weiß, müssen sie das erst bis August bekanntgeben. Die Eltern hängen in der Luft. Das führt zu absoluter Ratlosigkeit. Wut, die ich erlebe, richtet sich nicht gegen die Stadt, sondern den Kläger, der damals die Münchner Förderformel zum Kippen gebracht hat.

Es werden Pläne geschmiedet, wie man Elternzeiten verlängern oder umverteilen kann, wie man Großeltern und Babysitter irgendwie einspannen kann usw. Ich erlebe, dass Eltern die höheren Kosten für ein bereits in der Einrichtung angemeldetes Kind tragen, um das Kind nicht aus seinem gewohnten Umfeld zu reißen, die aber für das Geschwisterkind nun eine andere Einrichtung suchen, obwohl sie mit der Einrichtung beim großen Geschwister sehr glücklich sind, weil sie sich 2 teure Plätze nicht leisten können.

Das führt dann für die ganze Familie zu einem erhöhten Organisationsaufwand, wenn die Kinder in verschiedenen Einrichtungen sind. Weiterhin erlebe ich auch einen großen Trend bei jungen Familien aus München wegzuziehen. Das ist dem teuren, kaum vorhandenem Wohnraum und der Kitaplatzsituation geschuldet, allerdings ist das schon seit Jahren der Trend, nicht erst durch den Wegfall der Förderformel.

Bisher hoffen einfach viele Eltern noch, dass sich ihre Träger dem Defizitausgleichsverfahren anschließen. Auf Hilfen durch die WJH setzen die Wenigsten. Dafür ist ihr Verdienst zu hoch. Was ich noch mitkriege: Eltern, die in einer Elterninitiative engagiert sind, kriegen Schnappatmung, bei dem bürokratischen Akt, der nun auf sie zukommt. Für das neue Förderungssystem ist wohl wesentlich mehr Büroarbeit notwendig und das muss dann auch noch neben Kind, Haushalt und eigener Arbeit gewuppt werden.

Überlegen einige auch, den Job dann an den Nagel zu hängen, weil sich das Arbeiten dann nicht mehr lohnt?

In Bezug auf die neue Situation habe ich das noch nicht gehört, aber ich höre oft in Diskussionen um einen Kitaplatz, dass man sich keinen privaten Träger sucht, weil man dann ja das Gehalt komplett in den Kitaplatz stecken würde und sich dann das Arbeiten nicht lohnt. Damit sind meist die Gehälter der Frauen gemeint. Aber klar, wenn Eltern keinen Platz bekommen oder nur einen der teuren, nicht von der Stadt geförderten, den sich die Familie nicht leisten kann, dann muss ein Elternteil zuhause bleiben, sprich die Elternzeit verlängern.  

Bekommst du mit, dass sich Familien nun noch einmal mehr übersehen fühlen von der Politik?

Ich könnte mir vorstellen, dass die Resignation und Ratlosigkeit, die ich wahrnehme, mit eine Folge davon sind, dass Familien sich übersehen fühlen. Ich nehme eine große Müdigkeit und Überlastung unter Eltern wahr. Alle versuchen irgendwie durchzukommen. Manchmal wirkt es so, als ob die Kraft für Wut fehlt. Durch das System wird man ja auch zum Abwarten und Stillhalten gezwungen. Wenn man nun z.B. einen Platz bei einem Träger hat, der die Preise hochsetzt, dann hat man hier in München nicht viele Möglichkeiten. Natürlich kann man versuchen, einen anderen Platz zu bekommen, aber die Chancen sind äußerst gering. Es herrscht die Mentalität: Friss oder stirb!

Was wollen die betroffenen Mütter und Väter nun tun? Gibt es Demo-Ideen?

Demos gab es bereits, waren aber in meinen Kursen nie groß Thema. Ich glaube, das Thema ist ja für Münchner Familien schon lange auf dem Tisch. Die Münchner Förderformel wurde bereits im Sept. 2021 als rechtswidrig eingeordnet. Die anfängliche Wut etc. ist der Resignation gewichen. Zurzeit erlebe ich die meisten (resigniert) abwartend. Es herrscht auch eine gewisse „Lähmung“ und ich glaube, dass viele noch darauf warten, dass der Kelch doch an ihnen vorüberzieht.

Ich höre oft: „Aber das können die doch in letzter Konsequenz nicht machen“. Können sie natürlich doch. Die Stadt hat ein Modell vorgelegt und die Träger entscheiden nun. Und es wird immer Eltern geben, die die teuren Plätze entweder freiwillig oder aus Verzweiflung bezahlen.

Reißt es auch Familien auseinander, weil man sich die teure Betreuung nur noch für ein Kind, nicht aber für die Geschwister leisten kann?

Definitiv gibt es, wie oben beschrieben, Geschwisterkinder, die nicht in dieselbe Kita kommen, wie ihr/e großes/n Geschwister, weil Eltern sich die erhöhten Kosten nicht für mehrere Kinder leisten können. Für kleinere Geschwister wird dann gezielt nach einer städtischen Kita bzw. einem freien Träger, der sich dem Defizitausgleichsverfahren angeschlossen hat, gesucht.  

Hättest du jemals gedacht, dass es so weit kommen könnte?

Ich war da am Anfang relativ relaxt, weil ich dachte, dass das die Stadt nie machen kann. Bis ich verstanden habe, dass die Stadt nicht Verursacher des Problems ist. Und die Stadt hat ja auch ein Ersatzkonzept vorgelegt.

Nur war die Stadt seit jeher auf private Träger angewiesen und da viele von ihnen Wirtschaftsunternehmen sind, die auf Gewinnmaximierung aus sind, weshalb das Defizitausgleichsverfahren für sie nicht lukrativ ist (so habe ich es zumindest verstanden, weil sie alle Einnahmen und Ausgaben offenlegen müssen und keine Gewinne erzielen dürfen), gehen sie diesen Weg nicht mit. Ich hätte mit einem viel größeren Aufschrei unter den Eltern gerechnet, aber wie gesagt erlebe ich mehr Ratlosigkeit, Resignation, Verzweiflung usw.

Prinzipiell hätte ich mir vieles nicht vorstellen können, was ich nun täglich erlebe: Eltern, denen bestehende Verträge aus Personalmangel gekündigt werden, Gruppenräume, die leer stehen, weil es kein Personal gibt, große Geschwisterkinder, die in meine Babykurse mitkommen, weil die Kita immer wieder ausfällt oder geschlossen hat. Von daher: mittlerweile ist alles möglich und durch Corona weiß ich nun auch, dass man Eltern und Familien alles zumuten kann und sie alles tragen werden, weil sie keine andere Wahl haben und keinerlei Ressourcen, um sich dagegen aufzulehnen.

Was findest du, bräuchten Eltern stattdessen?

Die Sicherheit, für ihr Kind einen bezahlbaren, verfügbaren, stabilen Kitaplatz zu bekommen. Es kann nicht sein, dass die Krippen-, Kindergarten-, Hortsuche zu einem Vollzeitjob wird (den im Übrigen wieder die Mütter ausüben…). Gleiche Kosten für alle bzw. einkommensgestaffelt, aber überall gleich. Es kann nicht Glückssache sein, ob man 200 oder 1200 Euro für einen Kitaplatz bezahlt. Flexiblere Buchungszeiten. Viele möchten ihr Kind nicht mit einem Jahr für 7h/täglich in die Krippe geben, aber es gibt keine Halbtagesplätze.

 Ach, da fällt mir noch viel mehr ein. Aber das klingt alles wie Utopie😉Beispiel: Ich werde ja immer gefragt, was man bei der Kitaplatzsuche beachten soll, aus pädagogischer Sicht mit Blick aufs Kind. Und ich wüsste da schon einiges. Aber: ich kann nicht Eltern sagen, sie sollen sich alles in Ruhe anschauen und gucken, ob ihr Bauchgefühl stimmt und sie die Erzieher*innen als zugewandt erleben, wenn sie die Kita bis zur Unterschrift des Vertrages nicht einmal betreten durften…

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2 comments

  1. Wir sind keine Münchner und auch nicht konkret betroffen. Die angesprochene Resignation und Kraftlosigkeit kenne auch ich. Als Familie bekommt man keine Hilfe und Unterstützung, man hat keine Stimme mehr. Weil zu viele zu kraftlos sind.
    Ich hoffe irgendwann wieder Kraft zu haben und dann meine Stimme für alle die einzusetzen, die zu müde und kraftlos sind. Doch jetzt schaffe ich es einfach noch nicht, das Kartenhaus bricht oft genug ein.

    1. Kita ist das eine aber da gibt es zumindest einen Rechtsanspruch. Richtig lustig würde es bei uns dann in der Grundschule. Hortplatz? Ja guter Witz.

      Da kriegt man dann noch nette Antworten von der Elternberatung der Stadt München von wegen es gäbe keinen Anspruch usw.

      Es interessiert einfach keinen und es tut sich nichts seit ich ein Kind an einer Grundschule habe und das ist jetzt das sechste Jahr.

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