Ich war ein Einzelkind und habe jetzt vier Kinder

Einzelkind

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Ihr Lieben, ich selbst bin ja in einer Großfamilie aufgewachsen und habe mich oft gefragt, wie das wohl so als Einzelkind ist. Ob man etwas vermisst oder ob man gar nichts vermissen kann, was man nicht kennt. Unsere Leserin Annabel hat keine Geschwister, wusste aber schon als Kind, dass sie selbst mal eine große Familie möchte. Und von dieser erzählt sie uns heute.

Liebe Annabel, du bist als Einzelkind groß geworden. Wie fandst du das?

Ich hatte eine schöne Kindheit, aber ich habe mir schon als Kind Geschwister gewünscht. Viel stärker kam der Wusch aber noch im Erwachsenenalter auf. Als es anfing, Beerdigungen für Großeltern zu organisieren oder sie zu pflegen und besonders als mein Stiefpapa letztes Jahr an Krebs verstarb, hat da einfach jemand gefehlt. Jemand, der das emotional mit einem trägt, aber auch hilft bei der Pflege, Umzug und der Beerdigung. Ich musste da immer alleine ran und das war zum Teil wirklich schwer.

Wie war deine Kindheit ganz allgemein?

Ich bin auf dem Dorf aufgewachsen und hatte immer eine gemischte Beziehung zu meinen Eltern. Ich bin selbst Scheidungskind und auf mir lag all der Druck und die Hoffnung, immer etwas aus mir zu machen. Vor allem meine Mutter hatte und hat klare Vorstellungen davon, was ich als Mensch, Mutter und auch als berufstätige Frau zu schaffen habe. Oftmals hat mich das im Leben in die falsche Richtung gelenkt. Ich habe zum Beispiel 4 Jahre alleinerziehend mit meinem ersten Kind Jura studiert obwohl ich nie Anwältin werden wollte. Aber es war immer sehr nett für meine Eltern von meinen Erfolgen erzählen zu können. 

Welches Vorurteil zu Einzelkindern stört dich besonders? Oder ist an den Vorurteilen was dran?

Einzelkinder gelten oft als verwöhnt und unselbstständig. Das ist definitiv nicht immer so. Wir bekommen zwar all die Liebe, finanzielle Zuwendung und Aufmerksamkeit unserer Eltern für uns allein, aber schultern eben auch die Erwartungen, Sorgen und manchmal auch emotionalen Missverhältnisse unserer Eltern allein. 

Nun hast du selbst vier Kinder. Hat sich das so ergeben oder wolltest du schon immer eine große Familie?

Ich wollte schon immer gern 4 Kinder, vorausgesetzt, dass ich mir die Kinder leisten kann. Ein Einzelkind kam für mich nie in Frage. Ich wollte diese kleine Familie, die Weihnachten zusammen unterm Baum Geschenke auspackt, ich wollte immer ein Haus, in dem viel Liebe und ganz viel Leben ist. Zum Glück hat mein Mann diesen Wunsch mit mir getragen und wir haben unsere 4 bezaubernden Kindern, die sich alle abgöttisch lieben.

Meine Kinder sind aktuell 1, 2, 4 und 10 Jahre alt und das Beste was mir das Leben bisher bereitet hat. Ich freue mich jetzt schon unheimlich darauf, deren Lebenspartner und meine zukünftigen Enkel kennenzulernen. Ich habe viele Rollen in meinem Leben bisher eingenommen, aber keine war für mich so erfüllend wie meine Aufgabe als Mutter.

Was bekommen deine Kinder durch ihre Geschwister fürs Leben mit? 

Meine Kinder lernen insbesondere Rückhalt und Verlässlichkeit kennen. Natürlich streiten alle auch mal, aber besonders meine mittleren Jungs machen alles zusammen. Sie sind fast wie Zwillinge. Immer ist jemand zum Spielen da, immer jemand zum Trösten und Helfen. Und da ist es völlig egal, wer der Ältere ist. Sie brauchen sich gegenseitig und sind für einander einfach da. Das ist schön zu sehen. Sie teilen ganz liebevoll ihr Spielzeug, schneiden sich gegenseitig das Essen, helfen beim Anziehen oder erledigen jeder wie er kann Hausarbeiten. Und sie sind einfach nie alleine.

Auch wenn wir Eltern mal emotional nicht ganz auf der Höhe sind fangen die Kinder das zusammen ab und ich finde, das hält uns alle mental gesund. Ich kenne das aus meiner Kindheit anders und war oft der Prellbock für den Frust meinen Eltern. Geschwister hingegen sind wie Freunde fürs Leben. Sie sind gemeinsam gewachsen und teilen Erfahrungen, die wahrscheinlich keine Freundschaft so bieten kann. 

Was ist für dich das Schönste an einer Großfamilie?

Das Chaos und die Liebe. Wir haben immer viel zu tun und manchmal bräuchten wir bestimmt eine Pause, aber ich möchte keinen Tag missen. Ich komme in ein Zuhause voller Lachen, Leben und Menschen, die einander brauchen. Es ist mein kleiner Safespace. Hier können wir uns fallen lassen und sein wer und wie wir sind.

Und welche Momente stressen dich auch mal?

Wenn alle gleichzeitig Bedürfnisse haben, die keinen Aufschub dulden und ich nicht alles schaffe, was ich möchte – dann komme ich an meine Grenzen. Aber hier muss keiner allein durch solche Tiefs. Das ist unser Glück.

Und ja, manchmal stresst mich auch der Haushalt. Sechs Personen mit Hund, zwei berufstätigen Eltern und Haus mit Garten macht eine Meeeeenge Arbeit. Mittlerweile schaffe ich jeden Samstag zwei Filme bei Netflix zu schauen, während ich die Wäsche falte… 

Welche Werte sind euch in der Familie wichtig?

Ich möchte, dass meine Kinder selbstbestimmt ihr Glück finden und sich nicht nach unseren oder gesellschaftlichen Ansprüchen ausrichten. Sie sind toll wie sie sind und sollen sich nicht durch Noten oder andere Ziele definieren müssen. Ansonsten versuche ich meinen Kindern eine unbeschwerte Kindheit zu bieten, in der sie sich geliebt fühlen, um als mental starke Menschen in die Welt hinauszugehen.

Zusammenhalt ist bei uns ein großer Wert. Wir lassen hier niemanden hängen – von der weit entfernt wohnenden Oma bis zur nicht so gern gemochten Verwandtschaft: wer hier nach Hilfe fragt, bekommt sie auch. Das ist für mich Familie. Und da fahren wir auch nachts los oder lassen alles stehen und liegen. Das verstehen auch unsere Kinder schon und wissen, dass man füreinander einstehen muss. 

Wie findet ihr als Eltern noch Zeit für euch selbst – einzeln und als Paar?

Sehr, sehr, schwer. Wir nutzen manchmal unsere Nachbarn oder die Oma als Babysitter. Aber die Definition liegt im Menschen selbst. Wir brauchen kein Restaurant oder Kino, um Zeit zusammen zu haben. Manchmal lesen wir gemeinsam auf der Couch oder schauen einen Film – und das reicht uns für den Moment. Man muss den Menschen festhalten, nicht den Moment und da ist es egal, wo man ist und was man macht. Hauptsache man macht es zusammen.

Wir geben uns aber einzeln oft Freiräume. Mein Mann geht zum Sport, ich geh mit Freundinnen aus. Dafür haben wir feste Tage und da übernimmt selbstverständlich der eine für den anderen.

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