Ihr Lieben, mit Musterbruch legt Erfolgs-Autorin Patricia Cammarata einen neuen wunderbaren Denkanstoß in Buchform vor. Es geht darum, uns von den bisherigen Mustern zu lösen, um wirkliche Gleichberechtigung herzustellen. Dass das nicht leicht ist, merken wir daran, dass sich wirklich nur sehr langsam etwas bewegt in Sachen Care-Arbeit und Sorgeverteilung.
Liebe Patricia, du hast überraschende Lösungen für wirkliche Gleichberechtigung parat, bist du selbst bei gleichberechtigten Eltern aufgewachsen?
Nein. Bei meinen Eltern war es so: der Vater hat das Geld verdient und bestimmt, was damit passiert. Meine Mutter sollte explizit nicht erwerbsarbeiten gehen. Funktioniert hätte das ohnehin nicht. Bis zum 3. Lebensjahr gab es keine Kinderbetreuung und dann nur von 8 bis 12 Uhr.
Du hast dann später drei Kinder bekommen, konnten der Vater und du eine Art Gleichberechtigung herstellen?
Kurze Antwort: nein. Die Ungleichverteilung der Sorgearbeit bei gleichem Umfang an Erwerbsarbeit (Ich arbeite abgesehen von den zwölfmonatigen Elternzeiten seit jeher 32 Stunden festangestellt und 8 bis 10 Stunden pro Woche selbständig) und die ständigen Diskussionen darum haben zur Trennung geführt.
Du hast dann in deiner neuen Beziehung wirklich erlebt, wie es ist, die Verantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen, richtig?
Ja, wir leben ein Modell, das sich für mich sehr gerecht anfühlt. Nicht an jedem Tag und in jeder Woche –aber wir achten aufeinander und geben uns Raum für Erwerbsarbeit, Freizeit, Familie und Freundschaften. Das macht ein sehr zufriedenes Gefühl und wir können dann auch großzügig miteinander umgehen.
Habt ihr da von Anfang an drüber gesprochen und das fair geplant oder hat sich das einfach ergeben, weil beide den Impuls hatten, auf Augenhöhe leben zu wollen?
Wir haben sehr viel darüber gesprochen und tun es noch. Wenn man eine Beziehung neu anfängt, ist das eine fantastische Chance. Beim Thema Gleichberechtigung denken viele nur bis zur 1. langen Beziehung (Ehe?). Dabei sind die Wenigsten ja ab Mitte 20 bis zur Rente mit demselben Partner zusammen. Es gibt in der Zwischenzeit viele Stationen, an denen man Dinge nochmal anders machen kann. Wir hatten die Wahl zwischen Wochenendbeziehung alle 14 Tage ohne Kinder oder gemeinsamer Familie. Für mich wäre beides in Ordnung gewesen. Es kam mir nach der Trennung ohnehin so vor als hätte ich so viel Zeit für mich wie noch nie in meinem Erwachsenenleben.
Frauen, die gleichberechtigt leben, haben mehr Lust auf Sex. Hab ich das bei dir gelesen? Und wie kann die Gesellschaft sonst noch Partner locken, mehr in die familiäre Verantwortung zu gehen, die meisten tun sich ja nicht freiwillig mehr Arbeit an…
Wahrscheinlich hast du das bei mir gelesen. Das ist auch völlig logisch. Ist die Sorgearbeit ungleich verteilt und die Frau trägt die ganze Mental Load, dann wird sie die „Mutti der Familie“. Sie denkt an alles, initiiert es, räumt hinter allen her, hat Termine im Kopf, mahnt zum Erledigen von To-Dos. Es entsteht eine Hierarchie zwischen den Erwachsenen der Familie.
Schlimmstenfalls fühlt sich die Frau irgendwann wie die Mutter für alle Familienmitglieder. Manche sagen lapidar: „Ich habe drei Kinder“ – auch wenn sie nur zwei Kinder haben. Sie meinen mit dem dritten Kind den Partner. Einen erwachsenen Menschen wie ein Kind zu erleben, killt jede Libido.
Es gibt natürlich viele weitere Argumente, wie man verargumentieren könnte, dass es sich für Väter „lohnt“, auch Sorgearbeit zu übernehmen. So zum Beispiel die Bindung zum Kind. Wer kaum anwesend ist und sich v.a. die ersten Wochen, Monate und Jahre weitgehend raushält, der kann nicht dieselbe enge Beziehung zu Kindern aufbauen wie eine Person, die sich intensiv kümmert. Das kann man sogar auf Basis der Hormone messen.
Was ich aber traurig finde: dass man das überhaupt verargumentieren muss. Und weil du schreibst „ die meisten tun sich ja nicht freiwillig mehr Arbeit an…“ – das stimmt so nicht. V.a. in gut bezahlten Jobs tun sich das viele freiwillig an. Also da, wo Überstunden nicht bezahlt werden, übernehmen Männer Überstunden, weil sie hoffen, irgendwann befördert zu werden.
Und wäre wirklich der Job DER Grund, warum Männer sich weniger beteiligen, dann gäbe es bei Familien, in denen niemand Schicht arbeitet zumindest am Sonntag eine gerechte Aufteilung der Sorgearbeit. Das ist statistisch gesehen aber nicht so. Auch an erwerbsarbeitsfreien Tagen übernehmen Frauen im Schnitt deutlich mehr Sorgearbeit als ihre Partner.
Seit wann ist das Thema Gleichberechtigung in deinem Kopf und welche Gefühle löste es früher und löst es heute aus?
Ich wollte schon immer gleichberechtigt leben. Mir war in dem Zusammenhang klar, dass ich deswegen finanziell unabhängig bleiben muss. Das hat schon bei meiner Ausbildung eine Rolle gespielt. Mein Gehalt sollte reichen, damit ich mich und ggf. auch Kinder finanzieren kann. Eigentlich hätte ich gerne was Kreatives gemacht – aber ich habe da einfach keinen Beruf gesehen, der ein sicheres und solides Einkommen generiert. Also hab ich mich anders orientiert*.
Es hat mich total kalt erwischt, dass 50% Einkommen in eine Beziehung einbringen nicht automatisch heißt, dass man sich die Sorgearbeit auch fair teilt. Heute bin ich vor allem traurig und wütend darüber, dass Sorgearbeit in unserer Gesellschaft überhaupt so wenig Anerkennung erhält. Der Ökonome Friedrich List hat1959 gesagt: »Wer Schweine erzieht, ist ein produktives, wer Menschen erzieht, ein unproduktives Mitglied der Gesellschaft.« Im Grunde wird das gesellschaftlich heute ja auch noch so gesehen.
Uns erreichte auch eine Leserinnenfrage an dich: Wie können wir es finanziell schaffen, dass wir uns beide gleichberechtigt kümmern?
Schaut man auf die Statistik, muss man leider sagen: Gar nicht. Es gibt den Gender Pay Gap. Das heißt: selbst bei einem Paar, das denselben Job hat, ist es unwahrscheinlich, dass beide gleichviel verdienen. Kennt man die Zahlen von der Ungleichverteilung von Sorgearbeit genauer, wird es richtig deprimierend: Selbst wenn die Frau Haupt- oder Alleinverdienerin ist, übernimmt sie mehr Sorgearbeit. Das Geld wird also nie regeln, dass beide gleich viel Sorgearbeit übernehmen.
Erst wenn Paare über Zeit verhandeln, kann sich das ändern. Die Zeit einer Person, die mehr verdient ist nicht mehr wert als die Zeit einer Person, die weniger verdient. Ein Geschäftsführer ist nicht mehr wert als ein Bauarbeiter. Ein Controller nicht mehr als eine Erzieherin. Deswegen ist der einzig faire Weg, über Zeit zu sprechen. Zu überlöegen ist: Wie schafft ein Paar es, für jeden in der Beziehung gleichviel Zeit für Beruf/Job, Beziehung zu den Kindern und eigene Erholung/Freizeit zu bekommen?
Dein neues Buch heißt Musterbruch, welche Muster müssen wir dringend aufbrechen in unserer Gesellschaft?
Am wichtigsten ist es, die Muster der Geschlechtsstereotypen aufzubrechen. Wir müssen z.B. überwinden, dass Männer ihren Selbstwert ausschließlich an Karriere, Leistungsorientiertheit und Erwerbsarbeit knüpfen und Frauen ihren vom Grad ihrer Fürsorglichkeit, und Schönheit/Attraktivität.
Wir müssen außerdem die Gesellschaft so formen, dass Zeit und Geld für Sorgearbeit übrig ist.
Vielleicht wäre es auch sinnvoll, von der ewigen Suche nach dem Traumpartner abzulassen. Was, wenn wir uns darauf fokussieren würden, Care-Netzwerke mit Freund*innen zu bilden, statt alle Last auf der Kleinfamilie abzuladen?
In einer Traumwelt: Welche Gesellschaft würdest du dir wünschen?
Ich träume von einer Welt, in der auch Alleinerziehende sorglos sein können, weil sie genug Geld und Zeit haben, sich um ihre Kinder und ihren Job zu kümmern. Wäre das so, würden wir in einer Gesellschaft leben, in der es allen besser ginge. Denn wenn eine Person alleine ein gutes Leben führen kann, dann wird das mit zwei Personen ja noch leichter. Wir würden also alle davon profitieren, darüber nachzudenken, wie das funktionieren könnte.
Rutger Bregman schreibt in Utopien für Realisten: »Uns fällt es noch schwer, uns eine zukünftige Gesellschaft vorzustellen, in der die Erwerbsarbeit nicht der einzige Sinn und Zweck des Daseins sein wird. Aber diese Unfähigkeit, sich eine Welt auszumalen, in der die Dinge anders sein werden als in der Gegenwart, beweist nicht, dass der Wandel unmöglich ist, sondern ist lediglich ein Beleg für einen Mangel an Phantasie.«1
2 comments
Wenn du ein Buch von einem Mann zu dem Thema lesen willst, empfehle ich von Felix Schenk „Hat die Mutti heute frei?“
Das klingt spannend. Aber auch interessant, dass solche Bücher irgendwie nur von Frauen geschrieben werden. Bücher von Vätern, die ich kenne, sind ja meist so ‚ich war ein halbes Jahr in Elternzeit und daraus mache ich jetzt ein witziges Buch‘.
Nennt mir gerne Gegenbeispiele.
Das Thema mehr Lust auf Sex als ‚Anreiz‘ darzustellen (vielleicht weniger im Buch als mehr in der Frage) finde ich persönlich daneben und kontraproduktiv. Also ich möchte nicht, dass mein Mann seinen Anteil an der Care Arbeit übernimmt, weil er sich davon mehr Sex erhofft, sondern weil er eine gerechte Aufteilung für wichtig hält…
Ich finde, wie es ja auch bei der Autorin a klingt, es ist eine Sache der Kommunikation. Man sollte sich im besten Fall bevor man Kinder bekommt darüber austauschen, wie man sich das vorstellt…