Ihr Lieben, der Start der Schulzeit ist für viele Familien ein emotional aufgeladenes Thema. Freude und Sorgen mischen sich mit Aufregung und den eigenen Erinnerungen der Eltern. Im weiteren Verlauf geraten viele Eltern und Kinder dann nach der Autonomiephase häufig das erste Mal wieder intensiv und häufig stark aneinander. Die Familienbegleiterin und Bestsellerautorin Inke Hummel hat mit „Miteinander durch die Grundschulzeit“ einen Ratgeber veröffentlicht, der Eltern-Kind-Beziehungen entlastet und voll ist mit Impulsen und Hilfestellungen, die aus Inkes zahlreichen Familienberatungen stammen.
Inke, im ersten Kapitel deines Buches geht es viel um das Thema Druck: Leistungsdruck bei den Kindern, Sorgen bei den Eltern, ob das Kind in der Schule gut klarkommt. Warum findest du den Stress, der zu Beginn der Schulzeit entsteht, problematisch? Welche Auswirkungen kann er auf das Familienleben haben?
Der Stress ist ein ziemlich neuer, den Familien vorher noch nicht so kannten. Es geht viel um Bewertungen von außen. Man schaut nicht mehr darauf, welche Fortschritte das Kind aus sich heraus macht, sondern ob es sich so entwickelt, wie es von ihm erwartet wird bzw. ob es zu schulischen Zielen passt. Damit geht der Blick weg vom Kind und hinaus aus der Familie und man hat teilweise wenig Einfluss.
Das alles führt oftmals zu Druck, mit dem Eltern und Kinder erst lernen müssen umzugehen. In der Hektik des Alltags passiert es dabei schnell, dass Eltern den Druck da ablassen, wo es am leichtesten geht: beim Kind. Die Motivation für die Hausaufgaben fehlt – ich brülle mein Kind an. Der letzte Mathetest war eine Katastrophe – ich bestehe auf viel Üben und wir streiten, weil mein Kind mehr Freizeit möchte. Oder oder oder. Und das kann sich ja durch die Grundschuljahre ziehen.
Schaut man da nicht genauer hin und verändert nichts, kann das die Eltern-Kind-Beziehung stark beeinträchtigen. Aber es lassen sich andere Wege suchen, um den Druck sinken zu lassen: frühzeitige Gespräche mit der Schule, eine veränderte Haltung zur Schule, Veränderungen beim Arbeiten und Lernen, die zum Kind passen, und vor allem eine bessere Kommunikation und Lösungssuche aller Beteiligten.
Thema Trennungs- oder Schulangst: Wie können Eltern damit umgehen, wenn ihr Kind morgens partout nicht in die Schule möchte? Sollten Eltern, deren (ängstliches) Kind noch im Kindergarten ist, es bereits vorab auf die Schulpflicht vorbereiten, indem sie es konsequent in den Kindergarten bringen, auch wenn es mal keine Lust hat?
Ängstlichen Vorschulkindern hilft es tatsächlich, wenn sie immer wieder die Schwelle übertreten, die ihnen so bedrohlich erscheint. Wichtig ist dabei natürlich das Wie: Wir sollten sie nicht einfach nur konsequent hinbringen, sondern auch mit ihnen genauer auf die Gefühle schauen (Wo kommen die her? Was macht genau Angst? Wie fühlt die sich an? Hat sie realistische Gründe?) und Strategien dagegen überlegen (Wie kann ich meinen Körper beruhigen? Wie meinen Kopf?). Dann kann das eine gute Prophylaxe sein, damit sie den Start gut schaffen.
Trennungs- und Schulängste während der Einschulungszeit, aber auch später, sind keine absoluten Ausnahmefälle. Sie begegnen mir in der Beratung immer häufiger und je nach Schweregrad brauchen die Kinder manchmal auch psychotherapeutische Hilfe, aber vieles lässt sich pädagogisch lösen. Auch hier ist es wichtig, das im Team zu tun: Schule, Eltern, Kind. Immer wieder schieben Schulen das komplett den Eltern zu. Ich verstehe, das dort vielleicht Kapazitäten fehlen – mein extremster Fall war eine erste Klasse mit sieben schulängstlichen ABC-Schützen! Aber durch die Schulpflicht sind eben nicht nur die Eltern in der Verantwortung und das Thema lässt sich nicht nur zu Hause lösen.
Wichtig ist also Kommunikation aller Beteiligten, Suche nach möglichen Ursachen (und das können leider wirklich sehr verschiedene sein, z.B. Bewertungsangst, aber auch eine unerkannte ADHS) und Arbeit an Strategien, mit denen das Kind nach und nach allein ins Bewältigen von Trennung und Schultag kommen kann.
„Keine Angst vor deinem reifen Grundschulkind“ schreibst du im Buch. Was rätst du Eltern, die Schwierigkeiten damit haben, dass ihr Kind sich in der Grundschulzeit so schnell verändert? Wie können sie mit Themen umgehen, die ihr Kind aus der Schule mitbringt und die zuhause bislang vielleicht noch keine Rolle spielten (Medien, Schimpfwörter, Sexualität)?
Das sehe ich immer wieder in der Beratung: Das Loslassen ist gar nicht so leicht für viele. Immerhin gehören Risiken und Unwägbarkeiten dazu. Wichtig ist, dass das ja nicht von 0 auf 100 gehen muss. Man kann in kleinen Schritten immer mehr Verantwortung und Spielraum ans Kind herantragen (selbst Verabredungen planen, allein auf die Zeit achten, um pünktlich bei den Hobbys zu sein, Einkäufe machen, ein eigener Haustürschlüssel, die Lernzeiten selbst planen…).
Wir Eltern müssen uns dafür aus unserer Komfortzone wagen, gern mit der Frage „Warum eigentlich nicht?“ Und natürlich wird dabei etwas schief gehen. Das gilt es ja auch gar nicht zu vermeiden in einem Kinderleben. Wichtig ist, dann konstruktiv damit umzugehen: Was ist passiert? Warum? Was kann nächstes Mal besser laufen? Und dann dürfen wir uns auch freuen, wenn das Loslassen für uns Eltern mehr Freiräume bedeutet. Unbedingt genießen ohne schlechtes Gewissen!
Im Kapitel „Keine Angst vorm neuen Alltag“ beschreibst du Situationen, bei denen es zu Schwierigkeiten mit Lehrer*innen oder Mitschüler*innen kommen kann, z.B. Kommunikation oder Fehlerkultur in der Klasse, aber auch Mobbing in der Schule. Was können Eltern tun, wenn sie deine Tipps zwar beherzigen wollen, aber die Lehrer*innen nicht mitmachen?
Erstmal ist meine Erfahrung, auch nach insgesamt 31 Schuljahren als Mama, wenn ich die aller Kinder bis heute addiere, dass die meisten Lehrkräfte allen Unkenrufen zum Trotz, sehr offen für Kommunikation, Wissen über das jeweilige Kind und gemeinsame Ideen sind. Man muss sich nur trauen, zu fragen, zu reden, vorzuschlagen oder auch offen Verzweiflung auszusprechen.
Sollte man dann doch auf eine Situation treffen, in der die Lehrkraft blockiert, gibt es ja verschiedene Möglichkeiten, das zu eskalieren: die Elternpflegschaft der Klasse oder je nach Thema auch der Schule, Lehrkräfte die bestimmte Schulbereiche leiten (an weiterführenden Schulen zum Beispiel Unterstufenkoordinatoren o.ä.), Direktorat, schulpsychologischer Dienst…
Wichtig ist dabei, immer wieder hinzuschauen, was tatsächlich wichtig für das Kind ist. Manchmal werden wir Eltern dann merken, dass wir gerade vielleicht doch zu viel tun. Andere Male werden wir aber auch spüren, dass dringend noch mehr Parteien an den runden Tisch müssen, denn wer soll für die Kinder kämpfen, wenn nicht wir Großen?!
Zu welchem Zeitpunkt sollten Eltern dein Buch lesen?
Es beinhaltet Themen, die über die ganze Grundschulzeit hinweggehen – das veränderte Körperbild oder Cybermobbing tauchen beispielsweise nicht gerade in Klasse 1 auf. Man kann also immer wieder hineinschauen, wenn plötzlich ein neues Herausforderungsfeld ansteht, zum Beispiel auch Krisen wie eine vermutete Lernschwäche, ein Umzug oder eine Elterntrennung. Wer gern vorbereitend liest, kann im Vorschuljahr einsteigen, denn es sind auch Impulse zu Themen darin wie Kann-Kind-Einschulung oder Probleme beim Kindergartenabschied.