Ihr Lieben, wir hatten euch nach schönen Geschichten gefragt, da meldete sich auch Marianne Nolde bei uns (ihr kennt sie von unserem Interview zum Eltern bleiben nach der Trennung und vom Beitrag über die Sterbebegleitung ihrer Mutter). Sie schreibt hier über ihre Trennung und einen wunderschönen Neuanfang. Eine Liebesgeschichte wie sie im Buche steht – eine, die bis heute anhält. Als kunterbuntes Patchwork-Glück für die ganze Familie… hier kommt sie.
Die Trennung von meinem ersten Mann war keine schöne Geschichte – inklusive heimlicher Geliebter. Wir hatten aber einen Vorteil. Wir waren beide Psychologen, und ich hatte schon 8 Jahre als Gutachterin für Familiengerichte gearbeitet und wollte unter keinen Umständen einen Rosenkrieg. Da konnte er mitmachen. Heute meine ich: Als Ehepaar waren wir längst gescheitert, als er sich anderweitig verliebt hat – trotzdem war ich anfangs sehr gekränkt. Ich fand, mit meinem Ehemann hatte ich nicht gerade das große Los gezogen, aber als Ex-Partner entwickelte er doch noch überraschende Qualitäten.
Vom Ende der Partnerschaft
Wir beschlossen, dass ich das Haus behalte und die Kinder im vertrauten Rahmen mit mir leben würden. Nur: Ab da ging ein halbes Jahr lang ständig was kaputt. Immer im Wert von ca. 3000 DM. Ein paar Mal fanden sich günstigere Lösungen, und ein paar Mal ließ sich das Geld noch aufbringen, bis ich, wenige Wochen vor der Einschulung unseres Ältesten, einen Auffahrunfall auf der Autobahn zwischen Achern und Bühl verursachte und während des Wartens im Stau wusste: Kostet garantiert 3000 DM, und die habe ich nicht mehr.
Hier, zwischen Achern und Bühl, beschloss ich, dass es so nicht weitergehen kann. Noch am gleichen Tag fragte ich meine Eltern, ob sie eine Wohnung in ihrem zweiten Haus – in ihrer Nachbarschaft – an mich vermieten würden, damit ich da mit den Kindern leben und sie die beiden unkompliziert mitbetreuen könnten. Sie waren bis dahin einmal in der Woche zur Kinderbetreuung zu uns nach Münster gekommen, und unsere Kinder besuchten ihre Großeltern gern in ihrem Dorf.
Hausverkauf nach der Trennung
Meine Eltern waren hocherfreut, und mein Noch-Ehemann fand die Idee gut. Unser Haus war schnell verkauft, und ich landete da, wo ich nie wieder hingewollt hatte. Im Dorf meiner Kindheit. Übergangsweise sogar in meinem Kinderzimmer, während die Möbel auf einer Spedition lagerten. Aber der Älteste musste ja eingeschult werden, nun halt am neuen Wohnort. So hatte ich mir mein Leben nicht vorgestellt, mit 33 wieder im Kinderzimmer angekommen.
Immerhin hatte ich bald eine schöne Wohnung, und sogar Geld, sie ansprechend herzurichten, denn beim Hausverkauf war für uns beide etwas übriggeblieben. So fiel die Entscheidung, mir eine antike Weichholzkommode für den Eingangsbereich meiner neuen Bleibe zu gönnen. Ich mochte immer schon den Mix aus alt und neu.
Eine neue Kommode bringt die Liebe
Im ersten Antiquitätenladen waren die Schubladen der Kommoden schwergängig (liegt an den Laufleisten, das weiß ich heute), das gefiel mir nicht. So kam es, dass ich an einem Sonntag im Oktober mit meinem jüngeren Sohn, damals zwei Jahre alt, auf einem Antikmarkt Ausschau nach der passenden Kommode hielt. Und da stand sie: streichelzart die Oberfläche, die Schubladen gut gängig, schöne Form, nicht überladen. Ich war entzückt. Der Antiquitätenhändler teilte mir alle wichtigen Details mit, während er mit einer Hand beiläufig dem Sohn, der aus dem Buggy geklettert war, ein paar antike Bauklötze anreichte. Woraufhin der sich auf dem Boden niederließ und hingebungsvoll damit baute.
„Sie können gern noch an den anderen Ständen schauen“, meinte der Händler, „ich passe solange auf ihn auf“. Natürlich eine unmögliche Idee. Man lässt Kinder nicht bei Fremden. Und dieses Kind fremdelte sowieso, der würde eh nicht bei ihm bleiben. Freundlich teilte ich dem Sohn mit, dass wir nun weitergehen würden, aber das interessierte ihn gar nicht.
Bitte nicht nachmachen, man soll Kinder ja nicht bei Fremden lassen, aber ich schaute dann doch mal am Nebenstand, wo ich meinen Sohn weiter im Blick hatte – sicher, dass er dann vorziehen würde mitzukommen. Er saß zu Füßen des fremden Mannes, der ihn in Ruhe ließ, mit einem mir vollkommen unverständlichen Vertrauen. Ich wusste ja damals noch nicht, dass er zu Füßen seines Stiefvaters saß.
Liebesgeschichte auf Umwegen
Es stellte sich heraus, dass meine Traumkommode genau 2 cm zu breit war für die Nische, in die sie sollte. Ich telefonierte mit dem netten Händler und er schlug vor, dass er sich meldet, wenn ihm was Ähnliches in der passenden Größe angeboten werde. Bald kam mir die Idee: Ich könnte mir doch zwei Weichholz-Kommoden leisten. Meine Traumkommode könnte ich ins Schlafzimmer stellen, statt wie geplant dafür eine aus dem bekannten skandinavischen Möbelhaus zu kaufen. Vielleicht bekäme ich ja Rabatt, wenn ich zwei nähme?
Ich besuchte den Händler in seinem Laden und schaute mir nochmal mein Lieblingsstück an. Und fühlte mich so wohl zwischen all den alten Schätzen. Bald fand sich die zweite Kommode und so kam es, dass ich hin und wieder mal bei „meinem“ Antiquitätenhändler vorbeischaute, der sich immer Zeit nahm für ein Gespräch. Bis zu dem Tag, als er auf die Uhr schaute und sagte, er müsse jetzt weg, sein Sohn habe heute Geburtstag.
„Zwei Jahre nach der Kommode zog ihr Händler bei uns ein“
Ich ging nach Hause und war unverständlicherweise so traurig! Der nette Mann war verheiratet, der hatte Familie! Ja gut, er war damals 38, da kommt das schon mal vor. Und wieso war das überhaupt traurig? Ich hatte bis zu dem Moment gar nicht darüber nachgedacht, ob ich ihn gern näher kennenlernen würde. Und dann dieser Stich mitten ins Herz! Er wäre infrage gekommen, ganz offensichtlich, aber noch eine kaputte Familie mehr, nein danke.
Der Ex-Mann zeigte super Qualitäten
Wegen der Kommoden musste ich dann noch mal wieder hin – und da beeilte sich der nette Antiquitätenhändler zu erwähnen, dass er übrigens geschieden sei. (Nicht nur getrennt, sondern schon richtig geschieden!). Da wusste ich Bescheid und was zu tun wäre. Gut zwei Jahre nach den Kommoden zog auch der Antiquitätenhändler bei uns ein – er war aber fast von Anfang an nahezu durchgängig bei uns. Wir waren schon vor Weihnachten ein Paar. Inzwischen übrigens seit 34 Jahren, davon 28 verheiratet.
Erneut zeigte der Ex-Mann Qualitäten. Er hat den Kindern sehr schnell klargemacht, dass das für ihn vollkommen okay ist, dass dieser Mann in ihrem Leben ist. Wie er als Vater uns das Leben als Paar mit den Kindern leicht gemacht hat, darüber schreibe ich auch in meinem Buch „Eltern bleiben nach der Trennung: Was Ex-Partner für sich und ihre Kinder wissen sollten“.
Zwei Schwiegersöhne für meine Mama
Meine Mutter hingegen war erstmal entsetzt, als sie kurz nach meinem Einzug in die neue Wohnung feststellte, dass da ein Mann zu Besuch war, der verdächtig vertraut schien, und sie ließ ihn umgehend wissen, wie unmöglich sie das fand. Das änderte sich aber bald, und im Buch über die Sterbebegleitung meiner Mutter „Elf Tage und ein Jahr: Über das Abschiednehmen von meiner Mutter“ ist er längst zum besten aller Schwiegersöhne aufgestiegen.
Da trifft man dann auch meinen Ex-Mann wieder, denn selbstverständlich wurde sie auf ihrem letzten Weg von ihren beiden Schwiegersöhnen begleitet, das hätte sie sich so gewünscht. Denn da hielt sie es wie ich: Dem ersten würde sie immer hoch anrechnen, dass er ihr zu diesen zwei wunderbaren (Enkel-)Kindern verholfen hatte, und mit dem zweiten lebte es sich einfach so angenehm.
Ende gut, alles gut: Zwei Väter für die Kinder
Der Sohn übrigens, der mit zwei dieses merkwürdige Vertrauen zu dem fremden Mann gezeigt hatte, hat heute als Mittdreißiger herzliche Beziehungen zu seinen beiden Vätern. Und beide Söhne haben nicht nur zwei Eltern mit neuen Ehepartnern, sondern auch eine zwischenzeitliche Partnerin ihres Vaters haben sie einfach nach deren Trennung als Familienmitglied behalten.
Als die wiederum geheiratet hat, waren wir alle eingeladen und es war ein tolles Fest. So kann man als Einzelkind seine Familie vergrößern, Patchwork kann auch schön sein. Ich hatte mir das so gewünscht, dass wir das friedlich lösen können, und ich hatte das Glück, dass sich dafür die passenden Mitspieler fanden. Inzwischen haben wir uns wohnungsmäßig verkleinert – aber DIE Kommode ist geblieben. Die ist unverkäuflich.
2 comments
Dankeschön 😊
Hallo, das ist wirklich eine sehr schöne Geschichte! Ich wünsche allen Beteiligten noch viele schöne Jahre miteinander.