Ihr Lieben, heute geht es um das Thema Langzeitstillen. Was genau Langzeitstillen ist, dafür gibt es keine genaue Definition. In Deutschland verwendet man den Begriff Langzeitstillen meist dann, wenn ein Kind, das älter als ein Jahr ist, noch gestillt wird. Unsere Leserin Sylvia stillt seit 10 Jahren durchgängig und lässt ihre Kinder entscheiden, wann sie abstillen möchten. Im Interview erzählt sie mehr davon.
Liebe Sylvia, du stillst seit 10 Jahren durchgängig. Wusstest du schon immer, dass du lange stillen willst oder hat sich das eher so ergeben?
Ich habe mein erstes Kind mit 24 Jahren bekommen und war alleine mit ihm. Das Stillen hat eigentlich von Anfang an gut geklappt, aber ich war leider überhaupt nicht aufgeklärt oder informiert. Als nach sechs Wochen der erste Wachstumsschub kam und mein Kind dauerhaft an die Brust wollte, war ich sehr verunsichert. Ich war damals auch bei einer Stillberaterin, die dann gesagt hat, ich solle zufüttern und dann abstillen. Heute weiß ich, dass das total falsch war.
Als ich dann zum zweiten Mal schwanger war, war ich verheiratet und war die ganze Schwangerschaft über viel stabiler. Ich habe mich auch schon in der Schwangerschaft von einer Hebamme begleiten lassen und war somit viel besser informiert. Mein Mann war sehr fürs Stillen, für ihn ist Stillen das Beste und Gesündeste, was man für ein Kind tun kann. Eigentlich war er in dieser ersten gemeinsamen Schwangerschaft noch mehr fürs Stillen als ich. Aber es hat sich so wunderbar eingespielt, dass ich beschlossen habe, dem Kind den Zeitpunkt des Abstillens zu überlassen.
Erzähl doch mal, wie eure Stillzeiten bisher abgelaufen sind
Die Stillzeit mit meiner Tochter war zu Beginn holprig. Ich hatte unfassbar viel Milch und dadurch ständig Milchstau. Zudem habe ich Schlupfwarzen, was das Andocken schwierig gemacht hat. Ich habe mir dann einen Latch Assist bestellt, mit dem ich vor dem Stillen die Brustwarze rausziehen konnte.
Trotzdem hatte ich bestimmt ein halbes Jahr lange blutige Brustwarzen und immer mal wieder einen Milchstau. Ich habe wirklich oft heulend meine Hebamme angerufen. Die kam dann immer und ich erinnere mich heute noch an ihren Satz: „Jetzt hast du eine Stillkrise und die überstehen wir gemeinsam. Und natürlich kannst du abstillen, aber erst nach der Krise.“ Nach der Krise wollte ich natürlich nie abstillen.
Das nächste Kind kam, als unsere Tochter knapp drei Jahre alt war. Unserer Tochter ist ein sehr zartes Mädchen und als ihr Bruder kam, wollte sie auch wieder durchgehend an die Brust. Nach zwei Wochen hat sie richtig dicke Pausbäckchen bekommen und als eine Freundin mich darauf ansprach, habe ich meine Tochter auf die Waage gestellt. Sie hatte tatsächlich zwei Kilo zugenommen.
Wie ging es dann weiter?
Nach diesem Kind bin ich recht schnell erneut schwanger geworden, unser war Sohn erst acht Monate alt. Er brauchte noch viel Milch und leider ging bei mir in den Schwangerschaften die Milch fast ganz weg. Ich musste ihn also zufüttern, was aber auch kein Problem war. Nach der Geburt habe ich dann die beiden Jungs gestillt und auch noch meine Tochter, wenn sie wollte.
Sie war zu diesem Zeitpunkt schon vier Jahre alt und wollte eigentlich nur zum Einschlafen gestillt werden. An einem Abend ging sie ins Bett, wollte trinken und da ging es nicht mehr. Wir waren beide überrascht, dass der Saugreflex wohl einfach so verschwindet. Es war der richtige Zeitpunkt für meine Tochter und daher gar kein Problem für sie.
Und wie lange hast du dein zweites Kind gestillt?
Der zweite Sohn hat sich dann kurz nach seinem 5. Geburtstag abgestillt. Das war ein schleichender Prozess und nicht so abrupt wie bei unserer Tochter. Mein Mann bringt die Kinder auch abends im Wechsel ins Bett und so wurde das Stillen allmählich weniger, bis es ganz zu Ende war.
Im Mai 2021 wurde ich ungeplant schwanger und habe zu der Zeit noch unseren bis dahin jüngsten Sohn gestillt und dies auch die Schwangerschaft durchgehend. Er hat sich ebenfalls kurz nach seinem 5. Geburtstag abgestillt, so dass ich derzeit nur unseren Jüngsten stille, der jetzt 19 Monate alt ist.
Wie habt ihr das Stillen gehandhabt, wenn die Kids in die Betreuung gekommen sind und du wieder gearbeitet hast?
Die Kinder haben dann einfach nach der Betreuung gestillt. Ab einem bestimmten Alter kam es sowieso nur noch abends zum Einschlafen zum Stillen oder wenn sie sich wehgetan hatten. Ich bin bis zum 4. Kind immer arbeiten gegangen, zweitweise auch im Schichtdienst. Das ist gar kein Problem gewesen. Die Kinder haben einfach gestillt, wenn ich da war und wenn ich nicht da war, eben nicht.
Was genießt du am Stillen?
Die Ausschließlichkeit natürlich, die Nähe, die Bindung und dass ich wunderbar dabei einschlafen kann…
Nervt es dich auch manchmal? Willst du manchmal einfach wieder deinen Körper für dich alleine?
Das kommt nur extrem selten vor. Derzeit ist wieder Vollmond oder sowas Ähnliches. Da klebt der Kleine nachts dauerhaft am Busen. Das tut dann auch irgendwann weh und ich darf mich auch nicht wegdrehen und er knibbelt auch gerne an mir. Dann denke ich manchmal: „Mhhhh? Muss das jetzt sein?!“
Wie steht dein Partner zum Langzeitstillen?
Der findet das richtig gut. Überall erzählt er von den Vorteilen vom langen Stillen, erzählt, dass das natürliche Abstill-Alter zwischen zwei und sieben Jahren liegt und positioniert sich ganz klar. Das finde ich richtig, richtig gut. Ich habe das auch anders im Bekanntenkreis erlebt, dass die Männer das irgendwann nicht mehr wollen.
Gab es auch schon mal blöde Kommentare zu euren langen Stillzeiten? Wie gehst du damit um?
Am Anfang ja, jetzt sagt keiner mehr was. Wir wohnen auf einem kleinen Dorf, da sind sowieso etwas exotisch, weil unsere drei letzten Kinder zu Hause auf die Welt gekommen sind. Die kennen mich inzwischen alle und wissen, dass ich dazu stehe, was ich mache.
Ich kenne hier aber auch noch andere Mütter, die lange stillen. Ich glaube eh, dass es mehr Frauen machen als man denkt – es redet nur keine darüber, weil es noch ein Tabu ist. Dieses Tabu möchte ich gerne brechen. Wenn jemand etwas sagt oder fragt, kläre ich gerne auf. Die Kinder profitieren einfach sehr von den langen Stillzeiten. Meine Kinder sind so gut wie nie krank.
Einige Menschen stören sich extrem am Stillen über das erste Lebensjahr hinaus, finden es eklig oder gar anrüchig. Warum polarisiert das so sehr?
Ich denke, es hat damit zu tun, dass die weibliche Brust vollkommen sexualisiert wurde und wird. Der Busen wird in unserer Gesellschaft immer mit Sex in Verbindung gebracht und nicht mit Ernährung. Das ist doch total verrückt, denn er dient der Ernährung, zum Sex braucht man ihn nicht.
Ich habe auch Frauen im Bekanntenkreis, bei denen der Mann ein langes Stillen nicht möchte und die Frau zum Abstillen drängt. Ich will mir nicht von anderen Menschen sagen lassen, dass langes Stillen eklig, unnormal, abartig und was weiß ich noch alles ist. Eklig sind nur die Gedanken, die diese Menschen haben, wenn sie mit Langzeitstillen konfrontiert werden…
Derzeit stillst du nur noch ein Kind. Gibt es schon einen Plan, wie lange du noch stillen willst?
Wenn alles gut läuft und ich nicht krank werde, was ein Abstillen erforderlich machen würde, darf er solange an der Brust trinken, wie er will.
Was willst du anderen Mamas zum Thema Stillen noch sagen?
Stillt so lange ihr wollt, kämpft auch darum, wenn es euch wichtig ist. Lasst euch von anderen Meinungen nicht beeindrucken. Bleibt auf eurem Weg. Es gibt mehr Langzeitstill-Mamis da draußen, als ihr glaubt.
8 comments
Ich bedanke mich für diesen schönen Beitrag.
Ich stille auch durchgehend seit 8 Jahren, zwei Kinder.. It’s nature .. und ja, ich glaube auch, dass mehr Frauen „langzeitstillen“, als offensichtlich ist.
Ich glaube, dass die Menschen, die sich darüber monieren, tief in ihrem Inneren, Neid empfinden.. so nehme ich es wahr.. möglicherweise erfuhren sie selbst nicht genug Mutterliebe..
Abgesehen davon, dass die überwiegende Mehrheit in unserer Gesellschaft selbst in gewisser Weise „langzeit stillt “ oder woraus besteht diese weiße Substanz, die wir uns täglich in den Cafe‘ kippen ?
Herzliche Grüße Cornelia
Ich finde, beim Stillen hat man (anderen) Müttern nicht reinzureden, das ist etwas sehr Intimes, Persönliches, natürlich ohne dabei sexuell zu sein. Mein erstes Kind habe ich 26 Monate gestillt. Den Vorteil des nicht krank werdens kann ich nicht bestätigen, er ging mit 16 Monaten zur Tagesmutter und war von da an ständig krank. Außerdem hat mich das Stillen völlig ausgezehrt, ich hab nur gegessen, keinen Sport gemacht und trotzdem so viel Gewicht verloren, dass Freunde und Familie mich besorgt drauf angesprochen haben.
Mein zweites Kind musste schon in der Klinik zugefüttert werden und hat sich innerhalb weniger Monste abgestillt und nimmt nur noch die Flasche. Ich hätte gerne länger gestillt, aber nicht auf ihre Kosten. Dafür muss ich jetzt sehen, wie ich die Schwangerschaftskilos wieder los werde, mir passen meine Klamotten noch nicht wieder. 😂
So sind Stillbeziehungen nun mal total individuell und jede Mama macht es, wie sie es am besten findet und da hat niemand drüber zu urteilen.
Danke für diesen Beitrag. Ich stimme der Verfasserin des Textes zu, dass Langzeitstillen in Deutschland ein Tabuthema ist. Mütter, die sich dafür entscheiden, werden in eine Öko-Esoterik-Niesche geschoben. (Siehe der Kommentar weiter oben: „Das sind wieder so übereifrige aufopfernde scheinheilige Muttis, die Anderen den Druck machen“). Manche stillen nicht. Manche stillen bis 6 Monate. Manche stillen bis 5 Jahre. Alles sollte ok sein. In vielen Ländern der Erde werden Kinder länger gestillt, als die von der WHO empfohlenen 6 Monate reines Stillen. Die WHO empfiehlt aus medizinischen Gründen nach Beikosteinführung eine Stilldauer von 24 Monaten oder darüber hinaus. Und die WHO empfiehlt nicht aufgrund von Esoterik oder Mutter-Kind-Ablösungsproblemen, sondern weil es gesundheitliche Vorteile mit sich bringt. Ich kenne die Studienlage dazu nicht. Für mein eigenes Kind kann ich aber die Beobachtung berichten, dass es trotz Krippenbesuch über eineinhalb Jahre hinweg extrem selten krank war, im Vergleich zu den Kindern seiner Gruppe, die nicht mehr gestillt wurden. Ich habe mein Kind in dieser Zeit nur noch zu Hause unregelmäßig zum Einschlafen abends oder wenn es weinte gestillt. Da ich auch Erfahrungen mit negativen Bewertungen durch andere Mütter gemacht hatte, habe ich es ab dem 6. Monat zunehmend verschwiegen, und „heimlich“ weiter gestillt. Ich glaube, dass es tatsächlich noch mehr Mütter gibt, die das Thema Langzeitstillen sehr privat abhandeln und nicht darüber reden. Keine Mutter will verurteilt werden. Weder die Mutter, die gar nicht stillt und deshalb gesellschaftlichen Druck empfindet, noch die Mutter die lange stillt und gesellschaftliche Ablehnung empfindet. Seien wir doch tolerant unter uns Müttern, den eigenen besten Weg zu finden.
Ich stille meine Tochter auch noch (3 Jahre), weil sie es gerne möchte und mich überhaupt nicht stört, im Gegenteil.
Meine Tochter leidet an einem sehr seltenen Gendefekt und ist aber nur sehr selten erkältet, was sicher durch das Stillen kommt.
Ich selbst bin keine Langzeitstillerin und habe beide Kinder noch vor dem 1.Geburtstag abgestillt. Ich finde es ab einem gewissen Alter befremdlich, alles über 3 Jahre gehört für mich da dazu. Leben und leben lassen – ich verurteile keinen. Aber – und das muss man einfach mal klar so sagen – stillen soll neben all den vielen anderen Dingen auch eine prima Brustkrebsprävention sein. Insofern ist langes Stillen definitiv gut – für beide Seiten. Und wer so wie die Mutti hier in dem Text 10 Jahre durchstillt, hat wahrscheinlich eine bessere Vorsorge gegen Brustkrebs als wir alle anderen es haben könnten. Insofern – tolle Sache!!!
Den Beitrag zum Langzeitstillen finde ich interessant und ich finde es positiv, dass ihr auch zu diesem (Nischen)Thema einen Erfahrungsbericht veröffentlicht. Der Kommentar von Silvia dazu ist leider so richtig typisch und erwartbar und spiegelt sehr gut die tendenziöse abwertende gesellschaftliche Haltung zum Thema (Langzeit)stillen wider.
Die Stilldauer ist egal, aber das dauernd auf der Brustwarze kauen bzw dauerhaft Brustwarze die ganze Nacht ist nicht Sinn der Sache. Und stillen bis es blutet oder unter Schmerzen muss auch nicht sein. Frau darf schon auch zu sich selbst gut sein, und Kinder müssen auch lernen sich selbst auf anderem Wege zu beruhigen im passenden Alter. Und bei Kindern kann man eigentlich recht schnell unterscheiden ob es Hunger ist oder nicht. Dauernuckeln ( egal woran) ist nicht gut, nicht zuletzt für die Zähne. Das sind wieder so übereifrige aufopfernde ( scheinheilige) Muttis die Anderen den Druck machen. Wenn stillen nicht klappt oder nur unter Schmerzen überlebt ein Kind auch mit Flaschennahrung.
@Silvia Das stimmt nicht. Wenn das Kind korrekt an der Brust liegt, umspült die Muttermilch die Zähne überhaupt nicht, sondern fließt direkt in den Rachen: https://www.tagesspiegel.de/berlin/stillen-und-karies-muttermilch-schadet-kinderzahnen-nicht-9528905.html#:~:text=Viele%20Zahn%C3%A4rzte%20raten%20M%C3%BCttern%2C%20ihr,erkl%C3%A4rt%2C%20warum%20das%20nicht%20stimmt.&text=Wenn%20Eltern%20mit%20ihren%20Kleinkindern,das%20Thema%20%E2%80%9EStillen%E2%80%9C%20auf