Ihr Lieben, Wiebkes Tochter Kim war magersüchtig mit 10 Jahren. Wiebke hat uns im letzten Interview davon erzählt, wie es sich anfühlt, wenn die eigene Tochter hungert und welche Schritte sie unternommen haben, um Kim zu helfen. Mittlerweile geht Kim in die 12. Klasse, setzt sich gegen Bodyshaming ein, ist aber immer noch nicht ganz frei von selbstverletzendem Verhalten. Wir haben mal bei Mutter Wiebke nachgefragt, wie der aktuelle Stand grad ist.
Liebe Wiebke, unser letztes Interview ist drei Jahre her, deine Tochter war magersüchtig mit 10 Jahren, hatte einfach aufgehört zu essen. Erzähl erstmal, wie es Kim gerade geht.
Kim geht aktuell in eine 12. Klasse, also mit großen Schritten Richtung Abitur. Sie steckt immer noch voll in der Pubertät und ist genauso launisch wie viele andere Teenies mit 17 Jahren. Ihr Freundeskreis ist überschaubar, aber die Freunde, die sie hat, begleiten sie schon lange und die Freundschaften sind gefestigt und halten auch mal einen Streit aus. Natürlich lastet auch Druck in der Schule auf ihr, zumal sie am liebsten Medizin studieren würde mit Schwerpunkt Pädiatrie.
Kim war ja magersüchtig. Wie geht es ihr momentan?
Kim ist aktuell im Normbereich und isst mittlerweile wieder richtig gerne, auch schon mal total „Ungesundes“ wie Eis oder Chips. Sie setzt sich massiv gegen Bodyshaming ein, weil sie findet, dass niemand nach seinem Äußeren beurteilt werden sollte und jeder gut so ist wie er ist.
Geht sie noch in Therapie?
Nein, aktuell ist sie in keiner Therapie.
Anfang des Jahres hat sich Kim leider selbst verletzt. Was ist passiert und wie seid ihr damit umgegangen?
Leider kommt es bei Menschen mit Essstörungen immer wieder auch zu anderem selbstverletzenden Verhalten. Sie kam eines Abends zu mir und zeigte mir einige feine, frische Narben an ihrem Schienbein und erzählte auf meine Frage, dass sie sich diese Verletzungen mit einem Geodreieck selbst beigebracht hätte. Ich war sehr erschrocken.
Aus meiner Tätigkeit als Krankenschwester weiß ich, dass solches Verhalten schnell in eine Abwärtsspirale mündet. Ich habe dann mit ihr darüber gesprochen, ihr erzählt, dass ich sehr froh bin, dass sie mir davon erzählt. Ich habe sie auch gefragt, warum es dazu gekommen war. Sie hatte zu dieser Zeit Stress mit Freunden, in der Schule und ziemlich an der Tatsache geknabbert, dass ihr Vater wieder geheiratet hat ohne seine drei Kinder einzuladen, geschweige denn, sie davon in Kenntnis zu setzen. Erfahren haben wir es letztlich von den Eltern ihres Vaters. Alles ein bißchen viel auf einmal.
Ich habe sie gebeten, sollte sie noch einmal solchen Druck verspüren, mit mir oder einer anderen Vertrauensperson zu reden. Außerdem habe ich mit ihrer ehemaligen Therapeutin Rücksprache gehalten. Kim hätte wieder zu Gesprächen gehen können, hat dies aber abgelehnt. Ich habe ihr aber auch klargemacht, dass wir für sie Hilfe suchen müssen, wenn es zu weiteren Sebstverletzungen kommt. Bis jetzt war das zum Glück nicht der Fall.
Wie schwer ist es für dich, ihr in Bezug aufs Essen zu vertrauen? Kontrollierst du Gewicht oder Essgewohnheiten?
Ich vertraue Kim. Das habe ich in den begleitenden Elterngesprächen gelernt. Ihre Essgewohnheiten versuche ich nie zu kommentieren, aber ich bin auch nur ein Mensch und wenn sie sich mal beschwert, dass eine Hose kneift, ist mir trotz ihrer Vorgeschichte rausgerutscht, dass Eis am späten Abend halt ansetzt. Total blöd von mir und das sagt sie mir dann auch so.
Sprecht ihr manchmal über ihre Magersucht? Ist ihr bewusst, wie gefährlich das damals war?
Ihr ist total bewusst, dass sie mit ihrem Leben gespielt hat, mag Fotos aus dieser Zeit nicht und spricht hin und wieder von dieser Stimme, der sie aber keine Macht mehr über ihre Entscheidungen erlauben will. Hin und wieder sprechen wir über die Magersucht, aber nur, wenn sie selbst das Thema anschneidet.
Die Ehe mit Kims Vater ist ja auseinander gegangen. Wie geht es dir damit?
Die Trennung ist jetzt vier Jahre her. Wir vier hier zu Hause sind ein gutes Team, wo es auch schon mal rappelt, aber das gehört dazu. Kims großer Bruder sagte mal, wir wären eine diktatorische Demokratie. Das trifft es ziemlich gut, wir besprechen alles, nur manchmal muß ich dann halt auch unbequeme Entscheidungen treffen.
Manchmal bin ich noch ziemlich wütend auf meinen Ex-Mann, aber eigentlich nur, weil das Interesse an seinen drei Kindern echt überschaubar ist. Ich bin 24/7 zuständig und wenn es hoch kommt, erscheint er alle 2 Monate für maximal drei Stunden. Er ist für mich auch schwer erreichbar, um Dinge bezüglich der Kinder zu besprechen. Manchmal triggert mich das ziemlich. Ich versuche, mich nicht zu sehr zu ärgern, ich kann es ja nicht ändern, mir tut es nur wahnsinnig leid für die Kinder.
Nun ist Kim fast erwachsen – was wünschst du ihr für die Zukunft?
Ich wünsche mir, dass sie so ehrlich, offen für Neues, emphatisch und freundlich bleibt. Dass sich ihre Wünsche erfüllen und vor allem, dass sie gesund bleibt. Also eigentlich das, was sich jede Mutter für ihr Kind wünscht…