Migräne als Mutter: Wie Meike Statkus Betroffenen hilft

Migräne als Mutter

Foto: pixabay

Ihr Lieben, wusstet ihr, dass rund 15 Prozent der Deutschen an Migräne leiden? Meike Statkus war früher ebenfalls betroffen, sie litt an einer chronischen Migräne, hatte mehrere Attacken pro Woche – bis sie sich auf die Suche nach ihren Triggern machte. Heute geht es ihr viel besser und sie berät andere Betroffene als Neuro-Coach®. Sie findet: Der Schlüssel liegt in einer neu gedachten Prophylaxe. Ihr Ansatz: Wir müssen den Schmerz individuell verstehen. Gerade dem Thema Migräne als Mutter widmet sie sich intensiv, weil sie da etliche Anfragen hat und es für viele schwer ist, sich Ruhezeiten im Alltag rauszunehmen.

Liebe Meike, als ich im letzten Jahr zum ersten Mal in meinem Leben zwei Migräne-Attacken hatte (die zweite hat mich 17 Stunden komplett ausgeknockt und ans Bett gefesselt), wurde mir empfohlen, mal auf deiner Insta-Seite Migräne-frei zu schauen – und sie hat mir total geholfen. Wie kamst du dazu, sie ins Leben zu rufen?

Migräne
Meike Statkus. Foto: Nina Schöner

Das freut mich sehr, genau dafür soll die Seite da sein. Als Inspiration. Mir war wichtig, meine Arbeit aber auch meine eigene Geschichte zu teilen. Es hat so lange gedauert, all das Wissen über Migräne „anzuhäufen“, da finde ich es unfair, das für mich zu behalten. Daran sollten möglichst viele Menschen teilhaben.

Du sagst, es kommen vor allem viele Mütter zu dir, wie erklärst du dir das?

Ich glaube, das ist ganz logisch, weil statistisch gesehen ja eher Frauen von Migräne betroffen sind als Männer. Und viele Frauen haben nun mal Kinder. Dazu kommt dann natürlich, dass Mütter teils mehr Baustellen zu managen haben als kinderlose Frauen. Stichwort Doppelbelastung etc. Oft steht da zwar erstmal die Migräne im Vordergrund, aber es geht dann häufig im Coaching viel mehr darum, die familiäre, partnerschaftliche oder berufliche Situation zu entspannen. Alles hängt ja mit allem zusammen.

Nun ist es für Frauen mit Kindern ja ganz besonders schwierig, sich ganz auf die eigenen Bedürfnisse zu kümmern und bei einer Migräne als Mutter auf das Ruhe-Bedürfnis des Körpers zu hören, was rätst du da?

Das ist tatsächlich bei allen meiner Kundinnen, insbesondere mit kleinen Kindern, ein Problem. Damit einhergeht, dass sich gerade Mütter häufig erst eine Pause gönnen, auf ihren Körper hören, wenn die Attacke schon losgeht, es also gar nicht mehr anders geht. Denn die Kinder gehen mit ihren Bedürfnissen normalerweise vor. Da kämpft dann quasi das Mama-Gen gegen die Migräne-Prävention…

Deshalb brauchen gerade Mütter gute Strategien, mit denen sie ihr Mama-Gen ein wenig „austricksen“ und ihre eigenen Bedürfnisse klarer wahrnehmen. Und zwar nicht erst, wenn die Attacke losrollt. Dazu gehört meist eine gehörige Portion Disziplin. Der einen hilft es z.B., sich Kurse zu buchen, um im Kalender eine Erinnerung – oder manchmal sogar „Rechtfertigung“ für die Me-Time zu finden.

Die andere konzentriert sich mehr auf Achtsamkeit im Alltag, also kleine Auszeitmomente, wo sie sich aktiv wieder mit ihrem Körper verbindet – das kann z.B. die Tasse Kaffee verbunden mit Atemtechniken sein. Viele können das über so kleine Tricks gut für sich regeln, bei anderen klappt das im Alltag aber nicht so richtig.

Das hat meiner Erfahrung nach dann entweder damit zu tun, dass sie noch nicht die Dinge für sich gefunden haben, die wirklich zu ihnen passen oder es stecken blockierende Glaubenssätze dahinter wie z.B. „Ich bin eine schlechte Mama, wenn ich mir mehr Zeit für mich nehme.“

Häufig tritt das Ganze auch in Kombination auf. So oder so wird das dann natürlich nix mit den Ruhephasen. Ich arbeite in solchen Fällen im Coaching dann z.B. mit EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing. Wörtlich übersetzt heißt das „Augenbewegungs-Desensibilisierung und Neuverarbeitung“), wodurch das Gehirn Belastendes neu verarbeitet und so ganz neue Lösungen aus der jeweiligen Mutter selbst entstehen. Danach klappt es dann plötzlich viel besser mit den Ruhe-Pausen…

Du hast nun auch ein Buch geschrieben: Migräne-frei: Endlich Frieden im Kopf. Wie kommen wir in diesen migränefreien Zustand?

Migräne

Langsam, haha. Nein, mal im Ernst: wir kommen dahin, in dem wir unser Augenmerk auf die Prävention richten. Denn wenn die Migräne-Lawine mal ins Rollen geraten ist, ist sie nur noch ganz schwer aufzuhalten. Im Bereich Prävention kann ich dagegen unglaublich viel machen! Das unterschätzen viele Migräniker.

Ich rate immer, sich vier Bereiche anzugucken, die ich in meinem Buch näher erkläre: T.E.K.E.: T wie Trigger, E wie Energiehaushalt, K wie Körperarbeit und E wie Entspannung. Die Frage ist: Was brauche ich in welchem Bereich, damit es mir gut geht?

Migräne ist ja bei jedem anders und das macht es wahnsinnig komplex, deshalb ist dieses Modell so hilfreich für viele Menschen. Das Thema Energiehaushalt kann z.B. ganz viele Komponenten haben: Schlafen, Essen, Grenzen setzen, Pausen machen und vieles mehr! Das alles kann wichtig sein, damit unser sensitives Hirn genug Energie zur Verfügung hat, um die viele Reize zu verarbeiten, die wir ständig aufnehmen. Haben wir zu wenig, steigt die Gefahr einer Attacke.

Es macht also Sinn, sich das mal ganz genau anzuschauen. Genauso wie das Thema emotionale Trigger! Meiner Erfahrung nach können Gefühle als starke Trigger wirken. Z.B. Überraschung, Trauer, Angst, Hilflosigkeit. Gefühle sind übrigens bei mir selbst die stärksten Trigger und das ist auch bei vielen meiner Kunden so. Das kann ein großartiger Hebel sein und dadurch lassen sich die Attacken dann wiederum senken!

Wie lassen sich die Attacken denn dadurch senken, dass ich das weiß? Ich kann ja, wenn ich Angst habe, nicht einfach so tun als hätte ich keine...

Indem ich als Betroffener lerne, mit diesen mich triggernden Gefühlen konstruktiver umzugehen. Wenn ich klar weiß, was ich konkret tun muss, wenn ich z.B. wieder Angst habe, dann hänge ich dadurch nicht mehr so in diesem Gefühl fest und mein Hirn lernt: „Ah, ich kann ja etwas selbstwirksam tun!“.

Was Betroffenen hilft ist aber unterschiedlich. Der eine muss sich in diesem Moment körperlich bewegen, dem anderen hilft es, den Atem zu regulieren, der Nächste arbeitet wiederum mit Selbstcoaching-Techniken, bei denen man das Gefühl da sein lässt und sich aktiv damit auseinandersetzt. Da finden sich einige Ideen im Buch, mit denen man erst mal selbst starten kann.

Du propagierst eine Therapie ohne Medikamente, richtig?

Nein, ich finde es wichtig, dass man als Betroffener einen guten Neurologen an der Hand hat für die medikamentöse Therapie. Aber eben nicht nur! Denn durch Medikamente für den Akutfall ändert sich ja nichts an der Häufigkeit der Attacken. Dafür muss ich mich als Betroffener mit Prävention im Alltag beschäftigen, was ich da selbst tun kann, um den Attacken vorzubeugen. Und darüber lässt sich dann wechselseitig auch der Medikamentenkonsum enorm reduzieren!

Was kann wirklich helfen, wenn ich merke, es geht wieder los mit der Migräne?

Als Betroffener kann man in dem Moment leider nur noch sehr wenig machen – deshalb ist die Akutmedikation für die meisten Menschen existentiell. Wenn man wie ich stark auf emotionale Trigger reagiert, kann man versuchen, die noch auszuschalten, das klappt bei mir und bei vielen meiner Kundinnen sehr gut. Das funktioniert aber nur mit viel Übung und setzt voraus, dass ich ganz klar für mich habe, was mich überhaupt triggert. Nur dann kann ich ja darauf reagieren.

Klare Notfall-Strategien sind extrem wichtig – gerade bei Müttern – schließlich geht’s da nicht nur um mich alleine, sondern es hängt eben noch die ganze Familie dran. Wenn man dagegen eine gute Strategie hat, dann entspannt das auch im Alltag! Was bei vielen meiner Kundinnen z.B. gut funktioniert, ist, eine Ampel einzurichten: Grün heißt „alles gut“, Orange „es könnte eine Attacke drohen“ und Rot „Migräne-Alarm“!

Ich kenne tatsächlich Paare, wo die betroffene Mutter das jeden Tag gut sichtbar für ihren Partner einstellt, damit der weiß, wie es gerade ist und sie das nicht jeden Morgen umständlich besprechen müssen. Das muss man aber natürlich nicht so machen, es geht einfach darum, dass man bei einer orangen Ampel auf irgendeiner Art kommuniziert, dass eine Attacke droht. Und nicht erst so lange zu warten, bis die Ampel auf Rot springt.

So oder so sollte ich mich als Betroffene einmal ehrlich mit meinem Partner, Großeltern oder entsprechende Sozialkontakten hinsetzen und ihnen klar vermitteln, dass ich bei einer orangen Ampel bereits verlässliche Unterstützung benötige. Und die muss ich leider auch einfordern – meiner Gesundheit zuliebe. Das fällt vielen Mamas allerdings ziemlich schwer… man will ja schließlich keinen belasten. Aber ohne Ehrlichkeit an dieser Stelle geht es einfach nicht.

Wie bist du selbst rausgekommen aus dem Migräne-Karussell?

Mit sehr viel Arbeit an mir selbst… ich hatte ja chronische Migräne, dreimal die Woche war was Normales für mich. Und ich habe jede Menge dagegen ausprobiert, auch vermeintliche Wundermittel und Co. Das hat alles nix gebracht und es war total frustrierend… Erst nachdem ich EMDR-basiertes Coaching kennengelernt habe, konnte ich mir überhaupt vorstellen, dass es wirklich eine Migräne-Lösung für mich geben kann…

Das hat wirklich meinen Weg geebnet, weil ich wieder neuen Glauben in mich selbst und meinen Körper hatte. Auch wenn ich nicht wusste, wonach ich genau suche. Ich wusste nur eines: Ich wollte keine chronische Migräne mehr haben!

Ich habe dann viel Zeit und Geld in Ausbildungen gesteckt, bin in Neuro Coaching, Stress Management, Yin Yoga, Meditation und mehr ausgebildet. Das hat mich alles ein Stück weitergebracht und ich möchte nichts davon missen. Game-Changer war dann, als ich meine emotionalen Trigger verstanden habe und lernte, meinen Energiehaushalt zu beeinflussen.

Alles, was ich zuvor gelernt hatte, passte dann wie ein Puzzle zusammen. Danach wurden meine Migräne-Tage rasend schnell weniger. Das kam mir damals vor wie ein Wunder. Heute sehe ich aber, dass das auch bei anderen Betroffenen funktioniert.

Hast du auch das Gefühl, dass immer noch viele denken, das sei doch alles psychisch? Oder Anstellerei?

Meike Statkus

Leider ja, Migräne ist als neurologische Erkrankung vielen Menschen noch kein wirklicher Begriff. Sie können sich das schlicht nicht vorstellen, haben weder eine Ahnung von den umfassenden Symptomen noch von den medizinischen Hintergründen. Das wäre ja auch gar nicht so schlimm, wenn nicht dazu käme, dass sich insbesondere bei Migräne viele Nicht-Betroffene mit Tipps nicht zurückhalten…

Bei „Trink mehr Wasser“ und „Nimm eine Tablette“ fühlt man sich als Migräniker halt irgendwann veräppelt. Da versuche ich Betroffene zu stärken, mit solchen Vorurteilen im Alltag besser umzugehen. Und dann gibt natürlich aber auch noch die Gegenseite, die selbst mitleidet und die wir oft vergessen: Ich coache immer wieder Angehörige von Migränikern.

Für die ist die Situation ja auch oft nicht leicht. Gerade Mütter, deren Kinder Migräne haben, können davon ein Lied singen… Man möchte so gern helfen und kann nicht so recht.

Was möchtest du all jenen mit auf den Weg geben, deren Leben wirklich beeinträchtigt sind durch die fiesen Attacken?

Gib nicht auf! Es braucht Zeit, das eigene Migräne-Puzzle zu verstehen. Und das kann leider, leider keiner für dich übernehmen. Aber mit jedem Puzzle-Teilchen, das du findest, geht es voran. Und auch Puzzle-Teile, die du für dich ausschließen kannst, sind ein Erfolg. Für mich aber die wichtigste Sache: Folge deinem Bauchgefühl auf deiner Migräne-Reise! Du kennst deinen Körper besser als irgendwer sonst. Probiere aus, was dir richtig erscheint!

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3 comments

  1. Ich schließe mich meiner Vorrednerin an.
    Ich leide seit ca.meinem 6.Lebensjahr unter Migräne von eintreten der Pubertät bis zur 1.Schwangerschaft mind.2 heftige Attacken im Monat.Da halfen oft auch keine Triptane gg.die anhaltende Übelkeit mit Erbrechen und Sprachlähmungen.
    Danach wurde es besser und nach der Geburt meines 3.Kindes hatte ich ca.2 Jahre „ruhe“ danach gings wieder los zwar weniger ca.alle 2-3 Monate jedoch mit neuen Triggern& Migräne Symptomen,wie Augendruck,Verstopfung,Derealisation.
    Meine stärksten Trigger sind das Wetter,starke Gerüche (Knoblauch +mieser Schweismief) mittlerweile bekomme ich auchMigräne wenn ich meinen Toilettengang heraus zögern muss z.B wenn ich bei einer OP assistieren(Zahnarztpraxis)muss. Leider habe ich es an meiner 3 Kinder weitervereerbt meine große Tochter leidet seit der Pubertät extrem darunter vorallem hat sie starken Augendruck das ich ihre Hände halten musste das sie sich nicht die Augen auskratzt bis der RTW kam sie wurde deswegen 2x stationär im Krhs.behandelt inkl. Infusionen,mittlerweile kennr sie ihre Trigger und wurde vom Neurologen gut eingestellt. Bei meiner 2ten Tochter gings mit einsetzen der Periode los aber eher selten.
    Mein Sohn sagte das 1.mal mit 4 Jahren das da ein Männchen in seinem Kopf sitzt und mit einem Hammer in seinem Kopf klopf er ist nun 11 und hatte bisher nur 2 kleinere Attacken.
    Meine Geschwister leiden ebenfalls drunter mein Bruder extrem.
    Wir haben es von unseren Eltern beide Migräne Patienten.
    Während einer Attacke liege ich Stunden lang in einem dunklen Zimmer und es muss ganz leise sein 1x schlief ich danach 22 Std durch.
    Gott sei Dank hat meine Familie und die Kinder dafür Verständnis und unterstützen mich so gut es geht. Ebenso mein Chef aber erst nachdem ich mal 2 Std das Klo umarmte und mich nicht rühren konnte bis die Medis gewirkt haben.

    1. Ich bin so froh, dass du das mit dem Hinauszögern des Toilettengangs als Trigger geschrieben hast! Das ist bei mir auch so (Stuhlgang) und ich werde schon nervös, wenn ich weiß, dass keine Toiletten in der Nähe sind. Dazu kommen noch einige Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten, die ihr Übriges dazu tun. Alles Gute

  2. Mich hätte noch interessiert, wie sich diese Migräne bei der Autorin geäussert hat.
    Kopfschmerzen bei Überlastung sind nämlich noch keine Migräne mit Aura.
    Auszeiten , Yoga und Co. klingen für mich jetzt nicht ganz neu und scheinen eher effektiv, wenn es nur um Anspannung geht .
    Ich war froh als sie zum Punkt kam, dass man eine guten Neurologen an der Hand haben sollte.
    Ein überreizter Trigeminusnerv lässt sich nämlich meiner Meinung nach nicht durch Achtsamkeit überzeugen.
    Bei mir z.b sind die Trigger so mannigfaltig , so ein gemütliches Leben kann man sich gar nicht aufbauen , dass da eine Anfallsfreiheit rausspringt, denn die Migräne ist ja nun gerade neurologisch und nicht psychosomatisch.
    Gegen das Wetter und meine Hormone bin ich machtlos.
    Nach vielen Jahren mit den Versuchen über Entspannung , Stressreduktion , präventiver Medikation habe ich mir letztlich Botox spritzen lassen und bin damit sehr glücklich – und faltenfrei.
    Übrigens liegt es bei uns in der Familie. ich bin bereits in der vierten Migränegeneration und meine Kinder fangen auch schon an. es hat also wirklich etwas mit unserem Gehirn und nervensystem zu tun. meine Urgrossmutter brauchte sicher kein Achtsamkeitstraining , die hatte kein Smartphone und war nicht berufstätig. Migräne, hatte sie trotzdem.

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