Ihr Lieben, unsere Leserin Tamara wuchs ganz „normal“ mit Mama, Papa und Schwester auf. Bis sie als Grundschülerin erfuhr, dass ihr Vater gar nicht ihr Erzeuger ist. Sie war ein „Kuckuckskind“, aus einer heimlichen Lieblelei ihrer Mutter entstanden, während ihre Schwester das leibliche Kind ihrer Eltern war. Hier erzählt sie, was das mit ihr machte. Und ob sie den leiblichen Vater kennenlernen wollte.
Du Liebe, du bist ein so genanntes „Kuckuckskind“, wann hast du erfahren, dass dein Vater gar nicht dein leiblicher Erzeuger ist?
An den Zeitpunkt, als ich es erfahren habe, kann ich mich nur noch ganz dunkel erinnern, da muss ich so zwischen 7 und 9 Jahre alt gewesen sein.
Was hat dieses Wissen mit dir gemacht?
In dem Alter, in dem ich es erfahren habe, habe ich das nicht wirklich verstanden. Als Teenager dann schon eher… Dadurch, dass mein Vater aber nie einen Unterschied zwischen mir (geboren 83) und meiner Schwester (sein leibliches Kind, geboren 88) gemacht hat, fiel es mir leichter.
Gab es dann eine Aussprache? Auch mit deiner Mutter?
Mit etwa 13 Jahren bin ich damals auf meinen Wunsch hin in ein Heim gezogen, da das Verhältnis zwischen meiner Mutter und mir sehr angespannt war. Im Zuge dessen wollte ich wissen, wer mein leiblicher Vater ist, ich bin selbst auf das Jugendamt zu und habe alles in die Wege geleitet. Nach etlichen Gesprächen hat meine Mutter einen Namen genannt. Mein Erzeuger war zu diesem Zeitpunkt verheiratet und hatte drei Kinder. Es war ein alter Kumpel von meinem Onkel.
Hat dein leiblicher Vater von dir gewusst oder erfahren?
Mein Erzeuger hat erst durch den Test von mir erfahren – über das Gericht. Meine Geburtsurkunde wurde nachträglich geändert. So wie ich erfahren habe, hat das seine Ehe sehr belastet.
Hattest du ein Interesse ihn kennenzulernen?
Kurz danach und nochmal mit ca. 17 Jahren wollt mein Erzeuger mich dann kennenlernen. Mir hat es Angst gemacht, denn ich hatte ja meinen Papa, den ich auch nicht verletzen wollte. Also verneinte ich beide Versuche des Kennenlernens.
Erst als ich selbst Mutter wurde, suchte ich den Kontakt. Diesen fand ich über eines seiner Kinder. Ich habe z.B. nach Erbkrankheiten gefragt. Ich habe es dann noch zweimal versucht, aber entweder besteht kein Interesse mehr oder es wurde nicht weitergeleitet.
Adoptierte Kinder, mit denen nicht offen geredet wird, erzählen oft davon, dass sie sich irgendwie diffus fremd gefühlt haben in der Familie, dass sie sich irgendwie anders als die anderen fühlten, hattest du solche Gefühle auch?
Dass ich mich anders gefühlt habe, kann ich nicht sagen. Nee, nicht dass ich wüsste.
Du schreibst, auch dein Vater sei immer unsicher gewesen: Warum war er das? Weil du äußerlich oder charakterlich so anders warst als er?
Mein Vater ist und war bis heute mein Papa. Es gab im Erwachsenenalter mal die Überlegung, mich adoptieren zu lassen, so dass ich auch rechtlich seine Tochter bin. Aber das machen wir nicht. Groß was zu erben gibt es nicht, von daher ist es nicht relevant.
Dein Vater ist aber auch nach dem Vaterschaftstest dein Papa geblieben, oder?
Mein Vater sagt nur immer, dass er da so ein Gefühl hatte. Zu dem Vaterschaftstest seinerseits kam es nur, weil meine Mutter noch mehr Unterhalt haben wollte. Sonst hätte er diesen Test nie machen lassen. Denn für ihn bin ich immer seine Tochter gewesen und geblieben.
Wie reagiert dein Umfeld auf deine Geschichte?
Meine engen Vertrauten wissen es, aber haben nie auch nur ein Wort gesagt.
Welche Rolle spielt Ehrlichkeit in deinem Leben als Mutter, also im Umgang mit deinen Kindern?
Eine sehr große, das merke ich schon, auch bei vermeintlichen Kleinigkeiten. Ich mag es zum Beispiel nicht, wenn ihnen jemand „Komm, ist doch nichts passiert!“ sagt, wenn sie gerade hingefallen sind. Denn doch: Es IST ja was passiert. Oder wenn mein Mann flunkern möchte und sagt, das und das geht nicht, weil es angeblich kaputt ist. Nee! Das kann ich so nicht stehen lassen. Auch beim Impfen etwa ist es mir wichtig, den Kindern ehrlich zu sagen: Der Pieks tut vielleicht kurz weh, aber der Schmerz geht schnell wieder weg. Man sieht: Ich versuche, auch schon kleine „Notlügen“ NICHT zuzulassen.
Inwiefern prägt diese Geschichte dein Leben, was wünschst du dir für die nächsten Jahre?
Hmm, wie prägt es mich?! Es ist nicht so, dass ich sage: „Es fehlt etwas.“ Aber schon so, dass ich ihn unglaublich gerne jetzt doch auch mal kennenlernen würde. Ich werde dieses Jahr 40 Jahre alt, habe zwei Kinder geboren, das erste im Januar 2020, das zweite im April 2021. Und hach, seit ich Mutter bin, würde ich ihn unglaublich gerne mal treffen. Eventuell hat mich euer Interesse beflügelt, ihn selbst mal ausfindig zu machen…
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Am letzten Donnerstag bin ich hier in Hamburg 56 Jahre alt geworden und habe einen Tag vorher, durch eine gezielte Anfrage bei LinkedIn erfahren, dass ich tatsächlich auch ein Kuckuckskind zu sein scheine.
Die Nichte meines biologischen Vaters hatte mich angeschrieben und gemeint, ich sähe ihrem Onkel im Iran so ähnlich, ob ich der Sohne von XXX sei. Der Name meiner Mutter ist nicht sehr geläufig und sie konnte auch den Namen des Mannes nennen, der mich großgezogen hätte. Ihr Onkel und meine Mutter seien vor vielen Jahren befreundet gewesen ( zu dem Zeitpunkt waren meine Eltern bereits 4 Jahre verheiratet). Bis dahin glaubte ich an einen „Spaß“, auch wenn sie die Namen meiner Eltern nicht aus dem Internet hätte erfahren könne und sie den Namen meiner Mutter untypisch geschrieben hatte. Also fragte ich nach der Stadt und wann das gewesen sein soll. Als sie Frankfurt, 1968, ein Jahr mehr oder weniger schrieb, musste ich tatsächlich Luft holen. Insbesondere, weil es ein Tag vor meinem Geburtstag war.
Ihre ganze Familie im Iran hätte in den Bildern, die sie von mir online finden konnten das Lächeln ihres Onkels entdeckt. Sie stellte mir ein Foto des Onkels zur Verfügung und meine Freunde bestätigten am Wochenende unabhängig voneinander, dass bestimmte Merkmale in seinem Gesicht mit meinen übereinstimmten und er mein Lächeln hätte. Er ist 83 und ist nach dem Studium wieder in den Iran zurückgegangen.
Ja, ich sah schon immer etwas südländisch aus und es gab deswegen auch Konflikte in meiner Schulzeit. Jeder sah in mir etwas ausländisches. Aber beide Eltern haben es immer abgestritten. Das Südländische hätte ich von meinem Großvater mütterlicherseits, den niemand kannte, und aufgrund einer Karotin Vergiftung, weil meine Mutter in der Schwangerschaft zu viele Karotten gegessen hätte. Meine Großmutter mütterlicherseits brach den Kontakt zu uns 1977 komplett ab. Und jetzt erklären sich viele andere Dinge. Einen ersten Stich versetzte mir ein spaßhaft gemachter „DNA“-Test bei MY HERITAGE vor 2 oder 3 Jahren. Demnach war ich zu 51% westasiatischer Herkunft (Iran, Irak, Syrien) und zu 20% britisch. Deutsch? Nichts. Damals noch gedacht, das wäre ein Fehler passt das Puzzlestück jetzt zusammen. Meine Mutter ist vor 7 Jahren an Krebs verstorben. Sie kann ich nicht mehr fragen. Und meinen Paps? Er ist ebenfalls 84. Wie soll ich das Thema ansprechen? Er ist ebenfalls 84 und wir werden uns am kommenden Wochenende sehen.
Plötzlich habe ich keine „Verwandten“ mehr, mit denen ich aufgewachsen bin. Tanten, Onkel, Cousinen…ja, aber nicht meine.
Alle, die mich früher damit aufgezogen hatten, wussten mehr als ich. Ich habe es jetzt als letztes erfahren. Wie viele müssen sich über mich lustig gemacht haben, wenn ich behauptet habe, meine Eltern seien Deutsche.
Stehe ich da drüber? Ich weiß es noch nicht. Will ich „Ihn“ kennenlernen? Keine Ahnung. Er selbst soll gesagt haben, es gäbe ja keine Bindung.
Meine „Cousine“ sagt ich könne entscheiden, ob ich die Familie per Videocall kennenlernen will oder ihre Nachrichten lösche und es wieder vergesse.
Das Jahr wird für mich nachdenklich zu Ende gehen.