Ihr Lieben, unsere Leserin hat eine regelrechte Kinderwunsch-Odyssee hinter sich, die sie viel Kraft und Austausch gekostet hat. Dieser Austausch aber brachte sie auf das Thema habituelle Aborte und schließlich zu weiteren Erkenntnissen. Am Ende halfen sowohl die Diagnosen, als auch gute Fachkräfte in Medizin und Psychotherapie, um ihr Glück doch noch perfekt zu machen…
„Bevor ich schwanger wurde, beschäftigte ich mich nicht mit dem Thema Fehlgeburt. In meiner ersten Schwangerschaft dachte ich nicht mal daran. Ich verkündete sie bereits vor Ablauf der ersten „kritischen“ drei Monate. Es hatte über zwei Jahre gedauert, schwanger zu werden. Mein Mann und ich lebten damals in einer Fernbeziehung, deswegen wunderte ich mich nicht. Ich wunderte mich auch nicht, dass ich mehrfach mehr als zwei Wochen überfällig war. Ich arbeitete viel und testete nicht. Mit meinem heutigen Wissen gehe ich davon aus, dass ich bereits mehrere Fehlgeburten hatte.
Als wir uns schließlich für ein zweites Kind entschieden, war ich überzeugt: Diesmal funktioniert es schneller. Schließlich lebten wir endlich zusammen. Außerdem heißt es doch immer, der Körper wisse jetzt, wie es geht. Tatsächlich wurde ich innerhalb von sechs Monaten schwanger. Doch ich verlor das Baby in der 6. SSW.
Habituelle Abortneigung: Frauen mit mehreren Fehlgeburten
Ich blieb trotzdem optimistisch. Ein Blick ins Internet reichte, um zu verstehen: eine Fehlgeburt ist fast schon normal. Drei Monate später wurde ich unter Zuhilfenahme von Ovulationstests und Globuli wieder schwanger. Doch ich erhielt in der 9. SSW erneut die Diagnose Entwicklungsstillstand. Als ich in der Klinik auf meine Ausschabung wartete, lernte ich eine Frau kennen, die mehrere Fehlgeburten erlebt hatte. Da fing ich an zu ahnen, dass mein Weg zum Kind ein langer sein könnte.
Bereits nach meiner ersten Fehlgeburt hatte ich eine Mutter-Kind-Kur beantragt und bewilligt bekommen. Dort geriet ich an einen Psychotherapeuten, der selbst frisch aus der Elternzeit kam. Sein Baby war bei einer ICSI entstanden. Er erzählte mir das erste Mal von habitueller Abortneigung.
Davon spricht man, wenn eine Frau drei und mehr Fehlgeburten vor der 20. SSW in Folge erlebt. Es wird davon ausgegangen, dass ca. 1 bis 2 % der Frauen an einer habituellen Abortneigung leiden. Habituelle Abortneigung kann zahlreiche Ursachen haben (Fehlbildungen der Gebärmutter, Störungen im Hormonhaushalt, des Immunsystems, der Blutgerinnung, Fehlverteilungen der Erbanlagen uvm.). Eine Diagnose, die genauso grausam ist, wie sie klingt.
Tipps, die mir auf dem Weg zum Wunschkind geholfen haben
Er gab mir zwei sehr hilfreiche Tipps:
- Gehen Sie in eine Kinderwunschklinik!
- Suchen Sie sich eine Psychotherapie!
Diese Tipps möchte ich jedem Paar mit offenem Kinderwunsch gern weitergeben. Eigentlich übernimmt die Krankenversicherung erst bei drei Fehlgeburten die Kosten für weiterführende Untersuchungen. Ich bestand bei meiner damaligen Gynäkologin auf sofortige Überweisung. Zwei Fehlgeburten können Zufall – eine Laune der Natur sein– , doch ich wollte zeitnah mögliche körperliche Dysfunktionen ausschließen.
Und tatsächlich! Bei mir wurde ein Mosaik der Gonosomen festgestellt. Eine genetische Translokation, die einhergeht mit habitueller Abortneigung sowie Fruchtbarkeitsstörungen. Bei einer humangenetischen Beratung erfuhr ich, dass die Wahrscheinlichkeit hoch sei, ein beeinträchtigtes Kind zur Welt zu bringen. Die Humangenetikerin sprach von Turner-Syndrom, Klinefelter-Syndrom oder Triple-X-Syndrom.
Sollten wir weitermachen oder unseren Kinderwunsch aufgeben?
Was tust du, wenn der Arzt dir sagt: Leider können wir Ihnen mit künstlicher Befruchtung nicht helfen. Entweder verlieren Sie Ihr Kind oder es wird behindert. Wie entscheidest du dich? Gibst du auf? Machst du weiter?
Mein Mann und ich konnten uns nicht entscheiden und überließen es unseren Körpern. Ein Jahr später wurde ich wieder schwanger. Als ich zwei Wochen nach dem Schwangerschaftstest Blut im Slip sah, brach eine Welt zusammen. Keine Ahnung, woher ich die Kraft nahm. Ich wechselte den Frauenarzt, der mich mit den Worten: „Manche haben Flöhe UND Läuse“ in die Uniklinik Jena zur Gebärmutterbiopsie schickte.
Als Teil einer Studie mussten wir sogar nur einen Teil der Kosten tragen. Das ist entscheidend, denn allein die Diagnostik konnte sehr teuer werden, ganz zu schweigen von den Kosten, die auf ein Paar zukommen, welches eine künstliche Befruchtung in Erwägung zieht.
Eine weitere Diagnose: Endometritis
Auch diesmal verließ ich die Klinik mit einer Diagnose: Endometritis. Eine Entzündung erschwerte die Einnistung der befruchteten Eizelle in die Gebärmutterschleimhaut. Mittels Antibiotikakur kann sie therapiert werden. Bei meiner Nachuntersuchung zeigte sich jedoch keine Veränderung und ich erhielt ein weiteres Antibiotikum.
Drei Fehlgeburten und drei Jahre Kinderwunsch kosteten mich viel Kraft. Ich stand kurz davor, mir Antidepressiva verschreiben zu lassen, um meinen Alltag bewältigen zu können. Da zog ich die Reißleine. Mein Mann und ich beschlossen, den Kinderwunsch offen sein zu lassen. Ich kündigte meinen sicheren Führungsjob, suchte einen befristeten Teilzeitjob und verarbeitete die Ereignisse auf meinem Blog www.mamastisch.de.
Der Kinderwunsch hatte mich, meine Partnerschaft und meine Familie stark geprägt. Im Rückblick habe ich das Gefühl, die drei Jahre nicht gelebt zu haben. Ich war erfüllt von Trauer, Wut und Verzweiflung. Monat für Monat hoffte ich und starb jedes Mal ein kleines bisschen, wenn die Periode kam. Die drei Fehlgeburten traumatisierten mich regelrecht.
Wie bitte?! Ein positiver Schwangerschaftstest
Das Absurde – kurz nach dem beruflichen Wechsel erhielt ich eine weitere Diagnose: CIN III (Zellveränderungen, die zu Gebärmutterhalskrebs führen). Als ich das Vorgespräch zur OP führte, hielt ich plötzlich einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand. Ich selbst glaubte nicht mehr an das Baby. Ich hatte Angst vor Krebs und Angst vor einer erneuten Fehlgeburt.
Doch ich hatte gute Ärzte und eine gute Psychotherapeutin, die mich immer wieder auffingen. Und das Baby blieb, es wollte zu uns auf die Welt – mit aller Kraft: Es kam innerhalb von 37 Minuten ungeplant auf der heimischen Couch – mit meinem Mann und meinem Bruder als Hebammen – auf die Welt. Nach all dem Bangen und Hoffen hielten wir endlich ein gesundes Mädchen in den Armen.
Während unserer Kinderwunschreise bin ich mit den absurdesten Gefühlen und Gedanken konfrontiert gewesen. Häufig habe ich mich unendlich allein und unverstanden gefühlt. Deswegen ist es mir so wichtig, anderen betroffenen Frauen unsere Geschichte zu erzählen. Ich kenne inzwischen so viele, die 5, 10, gar 15 Fehlgeburten erlebt haben und nicht aufgeben.
Loslassen allein hilft nicht auf dem Weg zum Wunschkind
Unsere Geschichte mag nach dem Märchen klingen: Lasse los, dann klappt es! Das ist allerdings die halbe Wahrheit. Denn das Loslassen lässt keine Frau schwanger werden, sondern nur zufrieden mit einer Gegenwart ohne (zweites) Kind.
Und loslassen konnte ich nur, nachdem ich vom Arzt entsprechende Diagnosen erhalten und ich viel darüber gesprochen hatte – mit dem Mann, der Psychotherapeutin, einer Freundin, die in einer ähnlichen Lage war, in Facebook- und Selbsthilfegruppen. Und auf meinem Blog, wo ich zu dem Thema Distanz gewann, indem ich die Hibbelzeit humorvoll verarbeitete.
Heute geht es mir gut. Inzwischen ist Fünkchen 1 Jahr alt und wird bald in die Kita eingewöhnt. Meine beiden Mädchen entwickeln sich prächtig und bisher gibt es keinerlei Hinweise auf Beeinträchtigungen. Wir sind komplett. Manchmal blicke ich mit den Augen meines Kinderwunsch-Ichs auf meine Töchter. Dann bin ich völlig überwältigt von dem Gefühl, tatsächlich eine Zweifachmama zu sein. Einzelne Gehirnwindungen können das bis heute nicht fassen.
Habituelle Aborte: Was tun?
Immer, wenn ich gefragt werde, was kann ich bei habitueller Abortneigung tun, ermutige ich dazu, eine gründliche Diagnostik einzufordern. Ärzte schieben es gerne auf das Alter. Doch die wenigsten sind auf Kinderwunsch spezialisiert und können entsprechende Befunde richtig bewerten. Dafür benötigt es Fachärzte, die auch die Kinderwunschbrille aufhaben. Außerdem ist der feinfühlige Austausch mit anderen Betroffenen und professionellen Psychotherapeut:innen sowie eine riesige Portion Urvertrauen in meinen Augen die beste Therapie für habituelle Abortneigung.
Habituelle Abortneigung heißt nicht, dass du keine Kinder bekommen kannst, sondern vor allem, dass du mehrere Anläufe benötigst. Der Kinderwunsch wird damit zum Marathon, der manchmal – wie bei uns – dann aber eben doch ins Ziel führt…“