Ist Inklusion nur eine Wunschvorstellung? Eine Förderlehrerin berichtet aus dem Alltag

Inklusion

Ihr Lieben, neulich hatten wir hier einen Artikel, in dem eine Mutter beschreibt, wie wenig ihr Kind ins Schulsystem passt. Daraufhin gab es auf unserer Facebook-Seite viel Diskussion um Inklusion, Förderung, zu große Klassen und überlastete Lehrer. Daraufhin hat sich Sandra bei uns gemeldet, sie arbeitet als Förderschul-Lehrkraft, kümmert sich also besonders um die Kinder, die nicht einfach easy peasy durch die Schullaufbahn kommen. Vielen Dank für diese Einblicke in deinen Alltag, liebe Sandra!

Liebe Sandra, du arbeitest als Förderschul-Lehrkraft an einer Gesamtschule. Erzähl doch mal ein bisschen mehr über die Schule.

An unserer Schule werden über 1000 Schüler beschult, die gymnasiale Oberstufe mit eingerechnet. Die Schule befindet sich im ländlichen Bereich und insgesamt arbeite ich in der Regel mit sehr netten SchülerInnen, Eltern und vor allem Kollegen zusammen. Wir sind nicht das, was man eine Brennpunktschule nennt, aber man merkt deutlich, dass die Regelschulen an den Folgen der nicht funktionierenden Inklusion leiden.

Wie viele Kinder mit Förderbedarf sitzen im Schnitt in einer Klasse und wie sieht dieser Förderbedarf aus?

Das ist unterschiedlich. Bei der Verteilung der Kinder mit besonderen Förderbedarfen wird schon ab Einstieg in die IGS geschaut, wo welche Kinder am besten ihren Platz in einer Klasse finden. Sie werden nicht alle in eine Klasse „gestopft“, gerade Kinder mit einem Förderbedarf im Bereich emotional-soziale Entwicklung versuchen wir einzeln in den Klassen unterzubringen, damit sie sich möglichst an den Kompetenzen der anderen Kinder orientieren.

Im Laufe eines Schuljahres werden aber häufig auch noch Bedarfe in den Bereichen Lernen und Sozial-emotionale Entwicklung von uns Sonderpädagogen festgestellt. Entweder waren die Kinder „Grenzgänger“ in der Grundschule oder Bedarfe kristallisierten sich in den ersten vier Jahren noch nicht so stark heraus.

Es sitzen etwa 30 Kinder in einer Klasse, wobei Kinder mit Förderbedarfen doppelt gezählt werden. Die Förderbedarfe sind genauso unterschiedlich wie die Kinder – den größten Anteil haben aber die Kinder mit dem Förderbedarf Lernen, gefolgt von denen mit emotional-sozialer Entwicklung. Auch Förderbedarfe im Bereich Sprache oder körperlich-motorischer Entwicklung sind bei uns an der Schule zu finden, ebenso eine Schülerin mit einer Trisomie 21.

Ich „hopse“ mit 22 von 26,5 Stunden zurzeit in den Jahrgängen 5,6,7 und 8 herum und unterrichte in diesem Halbjahr Deutsch und in einer fünften Klasse Englisch. Und da beginnt das Problem eigentlich schon, wir Förderschulkollegen (insgesamt sind wir zu viert) schaffen es gerade mal die Fächer Deutsch und Mathematik in den Jahrgängen 5-9 abzudecken und das heißt nicht, dass wir dann in jeder Deutsch- oder Mathestunde dabei sein können, sondern in der Regel für zwei Unterrichtsstunden pro Fach (also Mathe/Deutsch) in einer Klasse, in der Kinder mit Förderbedarf sitzen. Dass ich in diesem Jahr Englisch unterrichten darf, ist eine absolute Neuheit und fraglich, ob es so bleiben kann…

Theoretisch bräuchten diese Kinder aber ja in ALLEN Fächern eine sonderpädagogische Unterstützung. In den anderen Unterrichtsfächern heben sich ihre Bedarfe ja nicht einfach auf. Dies bedeutet dann für die Regelschulkollegen eine immense Mehrarbeit auf den verschiedensten Ebenen. Ohnehin muss der Unterricht in einer IGS schon auf mehreren Niveaustufen stattfinden. Kinder mit Förderbedarfen erfordern immer noch zusätzliche Maßnahmen darüber hinaus, weil sie noch viel individueller beschult werden müssen.

Wie genau versuchst du, diese Schüler zu unterstützen? 

Mein Arbeitsfeld ist hier sehr breit gefächert, würde ich sagen. Meine Unterstützung hängt von den Bedarfen der Kinder ab. Ich bin da ein bisschen wie ein Chamäleon (haha) und schaue, was brauchen die Kinder, aber auch, was brauchen meine Kollegen? Im Bereich Lernen unterstütze ich SchülerInnen, indem ich Arbeitsmaterialen und Klassenarbeiten für sie auf ein einfacheres Niveau herunterbreche, ich biete innerhalb des Regelunterrichts Fördergruppen an, in denen ich bestimmte Unterrichtsinhalte intensiviere.

Diese Fördergruppen werden nicht nur von den Förderkindern angenommen, auch schwache Hauptschüler profitieren davon. Mit meinen Kollegen bin ich im engen Austausch, berate, mache Lernstandserhebungen, schreibe mit ihnen gemeinsam die Förderpläne und die Gutachten, nehme an Hilfeplangesprächen, Elterngesprächen teil und noch vieles mehr… Mit manchen Kollegen ist über die Zeit ein echtes Team-Teaching entstanden, das ist aber nicht der Regelfall.

Kinder im emotional-sozialen Bereich brauchen eine ganz andere Förderung. Sie brauchen Auszeiten, müssen Spannungen abbauen, brauchen andere Regeln, festere Strukturen, mehr Raum – Mit diesen Kindern übe ich Konflikte auszuhalten und zu bewältigen, berate Kollegen und Eltern, bin eng vernetzt mit außerschulischen Institutionen… Dann haben wir noch Kinder, die aus Sprachheilschulen kommen und noch große Schwierigkeiten mit der Artikulation, dem Satzbau, der Grammatik, der Mundmotorik haben. Hier werden Schüler unterstützt über Nachteilsausgleiche und man versucht vor allem mit Eltern im Gespräch zu bleiben, damit externe Förderung, z.B. über Logopäden/ Ergotherapeuten erhalten bleibt. 

Du hast uns geschrieben, dass durch die Sparpolitik die Integration dieser Kinder leidet. Wie sähe der Ideal-Zustand für dich aus?

Die Bildungspolitik spricht ja nicht nur von Integration, sondern von Inklusion – dabei geht die Inklusion von der Einzigartigkeit jedes Menschen aus. Das heißt, „jeder Mensch wird in seiner Individualität und mit seinen besonderen Fähigkeiten, sprachlich-kulturellen Hintergründen oder sozialer Herkunft akzeptiert und als Erweiterung der Gesellschaft wahrgenmommen. Normalität wird nicht vorausgesetzt. Vielmehr ist Diversität normal, das Vorhandensein von Unterschieden.“

Generell ist das ein guter Ansatz, den ich sehr begrüße, allerdings erfordert dieser Ansatz viel mehr Flexibilität vom System Schule. Diese Diversität, die als Normalzustand angenommen wird muss auch entsprechend gelebt werden können in Schule. Wie sollen Kinder mit Lernbeeinträchtigungen, besonderen Verhaltensweisen, sprachlichen oder geistigen Defiziten gefördert werden in ihrer Individualität, wenn weder räumliche, personelle, noch finanzielle Mittel dafür zu Verfügung stehen? 

Wenn ich mir etwas wünschen könnte für „meine Kinder“ und für meinen Unterricht, dann wären es erstens viel kleinere Klassen – Klassenstärken von 15 SchülerInnen wären traumhaft. In jeder Klasse, in jedem Kurs, in dem Kinder mit einem Förderbedarf sitzen würde permanent in Doppelbesetzung gearbeitet werden.

Heißt, eine Sonderpädagogin und eine Regelschullehrkraft wären IMMER in JEDEM Unterrichtsfach gemeinsam da. Daraus würde sich auch das Teamteaching sinnvoll weiterentwickeln können, wichtige Beziehungen zu SchülerInnen könnten sich festigen. Es würde mehr Räume für besondere Bedürfnisse von Kindern mit zum Beispiel Autismus, geistigen Beeinträchtigungen oder emotional-sozialen Auffälligkeiten geben, zum Entspannen, zum Reden…

Unterricht würde viel individueller an das einzelne Kind angepasst werden und mehr Rücksicht darauf nehmen, wo die Kinder gerade wirklich stehen. 

Und wie sieht die Realität aus?

Die Realität ist ernüchternd. Inklusion wird uns und den Eltern von der Bildungspolitik als das NON PLUS ULTRA verkauft, Förderschulen im Bereich Lernen werden geschlossen und wir alle sollen jetzt ganz schnell magische Kräfte entwickeln um die utopischen Ideen der Bildungspolitik zu realisieren. Eltern haben die freie Wahlmöglichkeit, an welcher Schule ihr Kind beschult werden soll – nur die Förderschule können sie demnächst nicht mehr wählen, denn die ist ein Auslaufmodell… mit der Schließung der Förderschulen entwickelt sich parallel aber nicht im gleichen Tempo die Inklusion in den Schulen. Fehlende Ressourcen behindern diese Prozesse erheblich. 

In den Regelschulklassen sitzen bis zu 30 Kinder, die in der Regel von einer Lehrkraft unterrichtet werden. Zu den unterschiedlichen Lernniveaus in einer IGS kommen die Förderbedarfe und nicht zu vergessen die Flüchtlingskinder, die häufig auch extrem traumatisiert sind. Hinten runter fallen im Prinzip alle, die nicht ausreichend von der Inklusion aufgefangen werden können, also die ganz Schwachen, aber auch die ganz Starken.

Mit aller Kraft versucht Schule die Schwächsten zu inkludieren mit den wenigen Mitteln, die sie zur Verfügung hat. Kinder, die Forderung, statt Förderung bräuchten sind häufig auch Verlierer der Inklusion, weil für das Fordern überhaupt keine Ressourcen mehr zur Verfügung stehen. Ungeahnte Talente, Fähigkeiten verkümmern, der Kopf wird vor der Klassenzimmertür „geparkt“. Fähigkeiten und Talente werden vielleicht gesehen, aber zu wenig gefordert. 

Ich liebe meinen Job als Lehrerin, aber frustriert bin ich dennoch täglich, weil alles so viel schöner und besser sein KÖNNTE. Ich glaube nicht, dass unsere Bildungsminister auch nur einen Schimmer einer Idee davon haben, was es bedeutet, inklusiv zu arbeiten unter derzeitigen Bedingungen. Ich glaube nicht, dass sie nachvollziehen können, wenn ein Kind sich in der Inklusion fehl am Platz fühlt (weil sie einfach nicht funktioniert) und ich glaube auch nicht, dass sie ahnen, was Schulleitungen, Lehrkräfte, Eltern und Kinder jeden Tag aufs Neue leisten müssen, um Schule ansatzweise zu einem Ort des gemeinsamen Lebens und Lernens zu machen. Das frustriert mich eigentlich am meisten…

Die Aufgaben, vor die wir alle gestellt werden, sind nicht durchdacht, es gibt Modellschulen, an denen funktioniert Inklusion schon sehr viel besser. Allerdings haben diese Schulen auch die notwendigen Ressourcen, von denen ich bereits sprach, um überhaupt inklusiv arbeiten zu können.

Wie fühlt ihr Pädagogen euch?

Vom Staat allein gelassen? Darf man „verarscht“ sagen? Wir haben einen immensen Lehrermangel – woran könnte das wohl liegen? Wir haben leider nicht „vormittags recht“ und „nachmittags frei“ – tatsächlich haben wir oftmals nicht einmal eine echte Pause im Schulvormittag – entweder geht es in Aufsicht, in die Vertretungsaufsicht oder man sucht Kollegen für Gespräche auf – das Butterbrot dabei quasi unterm Arm.

Dazu kommen die unzähligen Nachmittagstermine – Konferenzen, Dienstbesprechungen, Fachbereichstreffen, Arbeitsgemeinschaften und, und, und… An „freien“ Tagen telefoniere ich mit Kinder- und Jugendpsychiatern, anderen Einrichtungen oder Eltern, schreibe Förderpläne oder Gutachten.

Ich liebe meinen Job – wirklich. Ich bin total gerne Lehrerin. Ich habe tolle Kollegen und wir unterstützen uns an unserer Schule gegenseitig sehr im Kollegium. Das ist nicht überall so. Aber Lehrer/in zu sein bedeutet so viel mehr, als einfach nur zu unterrichten und wenn man so etwas Großes wie Inklusion gut machen möchte, dann müssen auch die notwendigen Ressourcen großzügig zur Verfügung gestellt werden und das passiert eben nicht – wir sollen das mal eben irgendwie umsetzen unter den haarsträubendsten Bedingungen. Das funktioniert nicht und das geht zu Lasten der eigenen Kräfte und der Kinder in unseren Schulen. 

Wir Pädagogen (und das fängt meiner Meinung nach schon in der Krippe an) werden verheizt, weil zu viel Verantwortung auf unsere Schultern abgeladen wird.

Heißt das, dass Inklusion nur eine Wunsch-Vorstellung ist?

Mit einem Wort JA – unter den aktuellen Bedingungen ist Inklusion ein schönes Wort – mehr nicht!

Wenn du nur eine Sache ändern könntest, was wäre das? 

Gute Frage… Ich glaube, ich würde Pflichthospitationen der Bildungspolitiker/Innen, vor allem in den sogenannten „Brennpunktschulen“ anordnen. Das könnte Herrn Tonne und den anderen BildungsministerInnen der Länder eventuell etwas die Augen öffnen. Hier könnten sie wertvolle Erfahrungen sammeln, denn genau an diesen Schulen werden die Probleme der nicht funktionierenden Inklusion am deutlichsten. 

Diese Hospitationen müssten in wiederkehrenden Abständen stattfinden und natürlich evaluiert werden und auf Basis dieser Hospitationen müssten dann Ressourcen bereitgestellt werden, die Inklusion möglich machen.

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15 comments

  1. Natürlich sind die Bedingungen für gute Inklusion in unserem System kaum gegeben! Aber man muss auch realistisch denken: Wenn man, wie die Autorin schreibt und es auch völlig nachvollziehbar ist, in inclusiven Klassen die dauerhafte Anwesenheit eine Zweitlehrkraft wünscht, sollte man die Kinder mit Förderbedarf in eine Klasse tun und nicht, wie hier beschrieben wird, auf alle Klassen verteilen.

  2. 100 00 Millionen Euro … für die Bildung (zielgerichtet, nicht mit der Gießkanne)! Und wer meint, mitreden bzw. bestimmen zu können, möge eine Woche mit der Kollegin mitlaufen. Nicht unterrichten (das geht ja nicht mal einfach so, das ist ein Handwerk, das man lernen muss), aber immer stehen, wenn sie steht, rennen, wenn sie rennt, nur essen, wenn sie isst, nur auf’s Klo, … etc. bis sie wirklich Feierabend hat. Abschalten erst, wenn sie mal abschaltet.
    Ich liebe meinen Beruf als Lehrerin auch. Inzwischen habe ich aber große Angst, dass ich alledem nicht mehr gerecht werden kann und auch die Familie darunter stark leiden wird. Wie sollen wir das bis 67 durchhalten?
    Und was sind unsere Kinder wert?

    1. Geht es hier um Förderlehrer oder Förderschullehrer? Bitte die Begrifflichkeit klären, da es zwei vollkommen unterschiedliche Berufe sind. Danke.

  3. Ich kann all dem nur zustimmen. An meiner Brandenburger Grundschule im ländlichen Raum tummeln sich Kinder aus den verschiedensten Nationen, Förderschüler aller Art und kaum Förderschullehrer. Viele Kollegen sind langzeitkrank. Wir sind unterbesetzt und wenn zu viele Lehrer fehlen, wird als erstes an Förderstunden und DaZ gespart. Zeit, um inkludierte Kinder oder gar begabte Schüler zu fördern bzw zu fordern gibt es kaum. Jeder Tag ist eine Zerreißprobe und ein Spagat für jeden Kollegen. Da kann die Motivation nach über 30 Dienstjahren bergab schon mal verloren gehen.

  4. Allein gelassen und verarscht sind die richtigen Worte.
    Was ist eigentlich mit Kindern die erhöhten Forderbedarf haben, also Richtung Hochintelligenz. Die Klassenlehrerin meines Sohnes meinte letztens, sie kann uns nicht helfen. Sollte aber die Inklusion nicht für jedes Kind mit jedem Bedarf gelten? Und ich sehe, dass auch in den Förderklassen Land unter herrscht. Aber wir fühlen uns allein gelassen. Wie wahrscheinlich jeder Lehrer oder Schulleiter usw. Ich frage mich, was man tun kann, als Eltern, als Lehrer? Es müssen doch schnell Lösungen her. Wenn ich sehe wie meine Freundin mit Ingenieurs-Bachelor erst noch einen Master machen soll, damit sie unterrichten kann. Oder eine andere Freundin aus Frankreich ewig auf eine Anrechnung ihres Masters wartet und dann nicht unterrichten kann, weil sie die richtigen Fächer nicht hat obwohl sie bereits in Deutschland als Fremdsprachenassistentin und an der Uni unterrichtet hat. Da weiß man auch nicht..
    Eine weitere Freundin unterrichtet an einer Grundschule mit über 70% Migrantenanteil. Da sind die fehlenden Deutschkenntnisse das geringste Übel. Da fehlt es auch an Betreuung für das Päckchen was die Menschen mitbringen.

    Ich glaube, alle Lehrer lieben ihren Beruf, aus irgendeiner ideelen Motivation haben sie diesen Beruf ergriffen. Aber wo alle am Limit sind, geht nicht mehr.

    Was macht man da als Eltern, als Lehrer? Wie kann man lauter werden, dass die Politik handelt und nicht nur mangelnde Vorschläge macht.

  5. Danke für diesen tollen Beitrag! Jeder Satz spricht mir aus der Seele! Ich bin Gymnasiallehrerin im ländlichen Raum und liebe meinen Beruf, der wirklich Berufung ist. Das grosse „Aber“ von Sandra kann ich nur untermauern. Inklusion funktioniert, wenn die Kinder nicht ausgegrenzt werden, sondern Hilfe bekommen, die sie ermutigt, nicht nur fördert, sondern auch fordert. Einen positiven Blick auf das Kind hat. Seine Stärken sieht und fördert. Wie das geht? Durch engagierte Förderlehrer:innen, Sonderpädagog:innen und eine Schule, die ein Netzwerk von Instituten hat, die Hand in Hand arbeiten. Was fehlt, damit das gut klappt? Geld. Menschen, die diese tollen Jobs machen wollen. Wertschätzung für alle, die mot dem Wichtigsten in unserer Gesellschaft agieren: unsere Kinder. Mein Appell: Die Bildung muss endlich Vorrang haben vor wirtschaftlichen Interessen!!! So ein Fachkräftemangel wie derzeit ist hausgemacht. Bei Inklusion hatten alle Tränen der Rührung in den Augen. Ich vermute heute, das lag nicht an dem Konzept sondern an dem Geld, das eingespart wurde …

  6. Ich bin Patchwork Papa.
    In meiner Familie gibt’s mehrere Angehörige mit Pflegebedarf und Behinderungen.

    Mein Sohn sowie meine Stieftochter sind von verschiedenen Behinderungen betroffen.

    Ich selbst bin auf eine Integrative Gesamtschule vor 35 Jahren gegangen wo ich bereits mit Mitschülern beschult wurde die Behinderungen und Förderbedarfe hatten.

    Es war ein damals nicht alles perfekt aber es funktionierte.

    Vor 12 Jahren kam mein Sohn mit seinen komplexen angeborenen Herzfehler zur Welt, sowie dem Noonansyndrom.

    Wir haben nach vielen Operationen an einer Familien orientierten Rehabilitation, kurz FOR teilgenommen.
    In der Rehaklinik in Tannheim gibt es eine Klinikschule!
    Aus ganz Deutschland Kommen hier Familien zusammen auch die gesunden Geschwister sowie Mama und auch Papa.
    In der Rehaschule besuchen alle Kinder unabhängig von der Schule die sie Zuhause besuchen, gemeinsam die Klinikschule ob Gymnasiast , Gesamtschule, Realschule oder Förderschule!

    Sie machen gemeinsam Filme, machen gemeinsam Sport und Musik .

    Jedes Kind bekam von seiner Heimatschule in den Hauptfächer sein Unterrichtsmaterial mit !

    Hier gehen Kinder mit kognitiven Behinderungen, Förderbedarfen KME, Blind , Gehörlose zusammen auf eine Schule und es funktioniert!!!

    Wir haben hier bei uns in Hann.Münden nach der Rehabilitation die erste integrative inklusive Kinderkrippe für Kinder unter drei Jahren geschaffen!

    Auf den Weg zur Schulwahl haben wir viel Diskriminierung erlebt. Als gesamte Familie!!!

    Hier in Hann.Münden selbst haben wir ein extrem selektierendes gegliedertes Schulsystem und ist eher leider mehr 100 Jahre hinter der Zeit hinterher.

    Meine Stiefkinder sind hier in Hann.Münden zur Schule gegangen.
    Meine Stieftochter besuchte eine Förderschule Lernen und mein Stiefsohn die Hauptschule.

    Wir haben uns über 5 Jahre hinweg von der Familienhilfe begleiten lassen!

    Insgesamt war die größte soziale Kompetenz durchaus an der Förderschule zu finden.
    Meine Stieftochter erreichte einen erweiterten Hauptschulabschluss und konnte sogar noch einen Berufsbildenden Schulabschluss einjährig im Bereich Hauswirtschaft erreichen.

    Leider ist sie aber nach der Förderschule in der Berufsschule gemobbt worden und in ein tiefes Loch der Depressionen gefallen!

    Wir konnten trotz Familienhilfe, Berufseinstiegshilfe die Vorurteile gegenüber unserer Kinder und Familie trotz allem Engagement nichts entgegen setzen.

    Unser Stiefsohn hat seinen Realschulabschluss bei Oma und Opa erreicht, Hier in Hann.Münden selbst bestätigten Familienhelfer und Berufseinstiegshilfe, waren die Vorurteile gegenüber uns zu groß!!!

    Mein leibliche Sohn besucht eine Förderschule KME in Göttingen!

    Wir haben über 30 Schulen auf den Zettel gesammelt, wir haben Studien zum Thema Inklusion uns angesehen.

    50 Jahre Pilotprojekte und Studien zum Thema gemeinsames Lernen und Inklusion!!!

    Gemessen daran, was wir hier an Wissen und Erfahrungen haben ist die Umsetzung dieser Studienergebnisse ..Da fehlen die passenden Worte.
    Es ist ein Skandal!!! Wie wenig bis garnichts wir danach daraus gemacht haben!!!

    Von einer inklusiven Gesellschaft, von einer echten inklusiven Beschulung kann auch 2023 keine Rede sein!

    Tja, es spricht auch für sich : Erst seit 2014 gibt es auch ein Mahnmal für die Opfer der Euthanasie! Wenn allein die Errichtung dieses Mahnmal nach dem zweiten Weltkrieg bald 70 Jahre allein dauerte.

    Wir haben 2023 und wir haben einen Pädagogenmangel! Insbesondere für Kinder mit Förderbedarfen, Pflegebedarf und Hilfsbedarfen sowie aus sozial benachteiligten Teilen unserer Gesellschaft!

    Es ist beschämend inzwischen zu wissen, diese Tatsache bedeutet, es wird auch noch weitere 20 Jahre der Benachteiligung von Kindern mit Förderbedarfen kommen!!!!

    Inklusion bedeutete nie ,Pädagogenausbildung sich sparen zu können oder gar weniger bereitstellen zu müssen.

    Förderschulen aufzulösen um diese Pädagogen dieser Schulen an Regelschulen versetzen verstanden viele eher als Sparprogramm mit verheerenden Folgen die wir aktuell erleben.

    Wir haben 50 Jahre lang Pilotprojekte und Studien finanziert, angestoßen..

    Es ist nicht viel dabei heraus gekommen oder besser gesagt nichts davon umgesetzt worden weil es auch gar nicht gewollt ist!!!

    Es ging nie darum den Beruf von Förderschulpädagogen abzuschaffen !!!
    Es ging darum Pädagogische Mitarbeiter abzuschaffen!!!

    Im Gegenteil, es war immer klar , Inklusion umsetzen bedeutet mehr Personal und Ausstattung sowie mehr Investitionen!!!

    Umso erschreckender, wie im Gegenteil seit über 50 Jahren insbesondere bei der Bildungspolitik immer wieder versucht wird die Kosten zu senken.

    Das Argument: Ihre Kinder mit Behinderungen sind zu teuer daran hat sich auch nach dem zweiten Weltkrieg nichts geändert .
    Es wird hier und da was zur Gewissensberuhigung gemacht und schnell wieder die Sache dann vergessen…

    So bleiben wir bei Inklusion umsetzen zurecht Entwicklungsland und die Vereinten Nationen , die UN kritisiert uns hier ebenfalls zurecht.

    Leidtragende sind unsere Kinder!

    1. Ja, Doppelbesetzung im Klassenraum, idealerweise zwei gut ausgebildete Pädagogen! Das muesste sich dieses – ach so reiche – Deutschland, das Milliarden in Rüstung steckt, leisten. Alle Akteure in der Schule würden davon profitieren. Beginnen könnten wir mit Team-Teaching in den Übergangsklassenstufen und dann immer weiter ausdehnen. Solche Settings lässt den Lehrerberuf auch wieder attraktiver werden…

  7. Ein sehr guter und ehrlicher Bericht.
    Als sonderpädagogin aus Schleswig-Holstein kann ich das leider so unterschreiben. Es fehlt Personal an allen Ecken und letztendlich wird dann an den Schülern gespart, da diese immer weniger sonderpädagogische Unterstützung bekommen. Auch Regelschulkollegen fühlen sich Im Stich gelassen. Oftmals müssen sie unsere Arbeit übernehmen, haben die Schüler mit Förderbedarf auch ohne Unterstützung im Unterricht und bekommen teilweise weniger Gehalt.

  8. Auch ich kann meinen Kolleginnen hier nur zustimmen! Und ich bin Gymnasiallehrerin und merke genau diese Probleme bereits hier im ländlichen Raum.

    Das traurige am System Schule bzw. Bildung allgemein ist, dass sich kaum etwas ändert. Viele Probleme gab es bereits vor zwanzig Jahren, als ich mich Schülerin war.

    Auch bei mir kann gern jeder Mal hospitieren bzw. den ganzen Tag (abends bei der Vor- und Nachbereitung) begleiten.

    Ich liebe meinen Job ebenso, es ist der tollste der Welt, aber die Utopie einer Schule mit Doppelbesetzung und kleinen Klassen sowie weniger Unterrichtsstunden wird noch lange bleiben. Schade.

  9. Zumal auch jedes Kind individuell ist. Meinem jüngeren Sohn tat die geschützte Grundschulzeit im Förderzentrum ( Sprachheilklasse 12 Kinder) sehr gut. Er war nicht der einzige Andere, alle waren so und es waren keine zusätzlichen Logo- Stunden nötig weil das selbstverständlich mit integriert war. Er geht heute aufs Gymnasium, die Defizite in der Aussprache sind weg. Es spricht eher viel für Förderschule, meist haben nur die Eltern vor dem vermeintlichen Stigma Förderschule Angst und überspielen das gern durch Inklusion an “ normaler“ Schule. Leider.
    Und, ohne fremdenfeindlich zu sein, oftmals sind in speziellen Förderklassen auch keine Nicht- Muttersprachler weil es eben für diese Förderung Voraussetzung ist, die Sprache zu sprechen. Und diese Förderklassen zumeist nicht zur Sprachvermittlung dienen, siehe Sprachheilklassen.

    1. Liebe Sandra, du sprichst mir mit so Vielem aus der Seele! Unterm Strich funktioniert es einfach nicht, wenn Ressourcen fehlen -an keiner Schulart!
      Und es fehlt an so vielem: gut ausgebildete Lehrer, Ausstattung, kleine Klassen, Hilfe bei Verwaltungsaufgaben und IT… Das hat so viele Auswirkungen auf so vielen verschiedenen Ebenen! Wir können es uns eigentlich aus vielen Gründen nicht leisten, Schule so weiterlaufen zu lassen.
      Leider gibt es eine Menge „Deckmäntelchen“ unter deren Namen etwas versprochen wird, was in der Praxis einfach nur Geld sparen soll. „Inklusion“ ist im Schulbetrieb nur eines davon.

  10. Ja, genau so empfinde ich das auch. Was ich auch noch wichtig finde anzumerken: es gibt auch viele Lehrer und Lehrerinnen an den Regelschulen, die eben keine Sonderpädagogen sind, keine Zusatzqualifizierungen haben, um mit diesen ganzen Thematiken umzugehen, und die keine Hilfe bekommen, von denen einfach erwartet wird, dass sie diese magic skills haben und auf zauberhafte Weise allen gerecht werden können. Ich habe meine Lehramtsausbildung in einem anderen Bundesland gemacht (Stichwort: föderales Chaos) und bin jetzt an einer Brandenburger Oberschule, dort versammeln sich heute alle Schüler und Schülerinnen, die nicht aufs Gymnasium gekommen sind oder sich an eine Privatschule „gerettet“ haben. Also die Leistungsschwächeren, die mit einem Status irgendeiner Art und nun eben auch die noch schlecht deutsch sprechenden Flüchtlingskinder. In meiner Klasse 9 tummeln sich 27 Schüler (VIEL ZU VIEL) von denen es leichter ist, aufzuzählen, wie viele keine besondere Problematik haben. (neben 3 ukrainischen Jugendlichen, einem syrischen Flüchtling, 3 Schülern mit Lern- und einem mit geistiger Behinderung gibt es ja auch noch die „Kleinigkeiten“ wie LRS, ADHS, Verhaltensauffälligkeiten usw).
    Ich persönlich wollte nie Förderschullehrerin werden, möchte eigentlich einfach nur meine Fächer (Mathe und Bio) unterrichten. Dazu komme ich in diesem Schulwahnsinn aber kaum noch, und das ist einfach traurig. Ich glaube, weder die Bildungspolitiker noch die Gymnasiallehrer machen sich ein Bild davon, was an Schulen wie meiner abgeht. Wir sind einfach nur eine Sparmaßnahme um den Gymnasien noch leidlich den Rücken freizuhalten, auf Kosten aller anderer Schüler (und Lehrer).

  11. Der Artikel treibt mir die Tränen in die Augen! Als Lehrerin und Mutter eines Kindes mit Förderbedarf kann ich nur 1:1 alles bestätigen, was die Kollegin sagt. Das momentane Bildungssystem tritt alle an ihm Beteiligten mit Füßen und zerstört so vielen Kindern ihre Zukunft, dass es fast nicht auszuhalten ist. Die Vision einer idealen Schule hat mich zum Weinen gebracht, weil sie gleichzeitig so schön wie utopisch ist. Ich bin den ewigen Kampf an allen Fronten so leid!

  12. Ich bin Grundschullehrerin und habe eine relativ kleine Klasse im ländlichen Raum (22 Kinder) und ein Körperbehindertes und ein ADHS-Kind in meiner Klasse. Ein anderes kratzt am Förderbereich Lernen.
    Ich kann das, was Sandra sagt, genauso bestätigen. Ich bin soo gerne Lehrerin, aber ich könnte täglich verzweifeln, weil ich die Kinder in meiner Klasse nicht so fördern und fordern kann, wie ich es gerne möchte und wie man müsste!
    Das mit den Hospitationen klingt super- es dürfen auch andere Lehrer-sind-furchtbar-Schwätzer gerne mal eine Woche bei mir mitlaufen. Und gerne auch die Anträge und Gutachten schreiben und Hilfeplangespräche und Elterngespräche und Runde Tische und Telefonate mit Beratungslehrern und Psychologen etc. mitmachen.

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