Lipödem: „Ich beleidige mich nicht mehr, wenn ich in den Spiegel gucke“

Lipödem

(c) Dan-Ax

Ihr Lieben, ihr kennt sie doch sicherlich auch, diese nervige innere Stimme, bei Kati war sie zeitweise ziemlich laut: „Zieh den Bauch ein, versteck deine Beine, iss weniger“, zischte ihr Motzi immer und immer wieder zu (so nannte sie ihre innere Kritikerin). Und erst als sie in ihrem erfolgreichen Youtube-Channel darüber sprach und eine Followerin ihr eine Vermutung mitteilte, fand sie heraus: Sie leidet an einem Lipödem. Darüber hat sie nun nicht nur ein Buch geschrieben: Echt ist mein Perfekt. Lipödem: Eine unterschätzte Krankheit und wie ich gelernt habe, meinen Körper zu akzeptieren… sondern auch mit uns im Interview gesprochen.

Lipödem Buch
Lipödem-Buch von DominoKati: Echt ist mein Perfekt.

Du Liebe, du nennst dich auch DominoKati, was hat es mit dem Namen auf sich?

Hallo! Der Name DominoKati kommt von einem Lied. Und zwar habe ich den Kanal schon 2011 gegründet, da war ich gerade mal 14 Jahre alt. Zu dem Zeitpunkt war mein Lieblingslied von Jessie J. „Domino“. Daraus hab ich dann Domino und meinen Namen Kati gemischt und irgendwie ist es bis heute dabei geblieben.

Kannst du dich an Zeiten in deinem Leben erinnern, in denen du rundum zufrieden mit deinem Körper warst?

Es ist schwierig eine Zeit zu nennen, in der ich auf jeden Fall zu 100% zufrieden mit meinem Körper war. Spontan würde ich meine Kindheit nennen. Ich glaube in der Kindheit macht man sich glücklicherweise noch nicht allzu viele Sorgen um den Körper. Vielleicht bis man so 10 Jahre alt ist.

Danach schnappt man immer mehr auf und dann wird es leider immer schwieriger sich abzugrenzen – gerade während der Pubertät. Alle vergleichen sich miteinander. Während meines AuPair-Auslandsjahr war ich aber auch sehr zufrieden. Da habe ich sehr viel Sport getrieben, habe einfach im Moment gelebt und fühlte mich richtig gut.

Ab welchem Alter dachtest du: Hier stimmt doch was nicht? Ich kann machen was ich will, aber es wird nicht besser oder anders?

So richtig hinterfragt habe ich meinen Körper nie. Mir war nicht klar, dass ich krank sein könnte. Ich wurde proaktiv auf die Krankheit, das Lipödem, hingewiesen. Das war 2019, da war ich gerade 23 und bekam einen Hinweis von einer Followerin per E-Mail. Sie meinte, ich solle mal die Krankheit Lipödem googeln, weil ich die vielleicht haben könnte.

Das habe ich gemacht und es hat einfach gepasst. Vorher war ich so sehr in der Denke drinnen, dass ich selbst schuld bin, dass ich zu undiszipliniert sei. Ich dachte immer, alle anderen bekommen es ja auch hin. Nur ich nicht. Mit 23 kam dann die Diagnose und kurz danach die Operation.

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Wie hast du die Diagnose empfunden, war da auch Erleichterung (im wahrsten Sinne des Wortes)?

Meine Diagnose habe ich definitiv als Erleichterung empfunden. Vor allem, weil ich so wusste, dass ich nicht schuld bin. Dieses drückende Schuldgefühl, das ich mir die ganzen Jahre eingeredet hatte, war weg. Also das Gefühl, dass ich nicht gut genug bin, dass ich zu wenig tue. Mit der Diagnose wurde mir auf einem Schlag eine Antwort gegeben.

Was meinst du, wie viele Diäten in deinem Leben du schon hinter dir hast?

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An einer bestimmten Zahl könnte ich jetzt nicht festmachen, wie viele Diäten ich schon gemacht habe. Aber es waren einige! Mitunter so etwas wie „Schlank im Schlaf“, eine Stoffwechseldiät, Shake-Diäten, wo man wirklich den ganzen Tag nur Shakes trinkt, Diäten aus Zeitschriften. Ich habe auf typische Tipps reagiert, die man immer hört, z.B. keine Kohlenhydrate, nicht nach 17 Uhr essen und so weiter und so weiter.

Glaubst du, dass Social Media das Körperbild junger Frauen negativ (Du musst so dünn sein, wie mein Filter) oder positiv (Bodypositivity) prägt?

Ich persönlich glaube, dass Social Media das Körperbild von jungen Frauen oder eigentlich auch allen Menschen, sowohl positiv als auch negativ beeinflussen kann. Ich glaube, dieser ganze positive Einfluss, der kommt jetzt erst so richtig oder startete erst vor ein paar Jahren.

Vorher war es fast ausschließlich die andere Seite: Man muss so aussehen wie der Filter. Lauter Körperideale, die man erreichen soll. Mittlerweile gibt es mehr Diversität und es gibt sehr viele Frauen, die sich dafür einsetzen und ihren „unperfekten“ Körper zeigen, mit allen Dellen und Macken. Das finde ich richtig schön.

Jede 10. Frau erkrankt in Deutschland an einem Lipödem, das sind echt viele, warum meinst du, ist so wenig bekannt über die Krankheit?

Die Krankheit Lipödem ist leider sehr, sehr weit verbreitet und extrem viele Frauen sind davon betroffen. Ich persönlich glaube, die Bekanntheit fehlt zum einen, weil die Studienlage noch sehr gering ist. In Wirklichkeit ist die Krankheit nichts Neues. Meine Mutter ist Krankenschwester und sie kannte das Lipödem schon vor zwanzig Jahren.

Meine Ärztin meinte, sie kann einen Anstieg an Patient*innen erkennen, was zum einen daran liegen kann, dass die Krankheit langsam in der Gesellschaft bekannter wird, aber zum anderen auch daran, dass wir uns schlechter ernähren und weniger bewegen.

Ich befürchte, dass die fehlenden Studien und Grundlagen noch fehlen, weil es eine Frauenkrankheit ist – ähnlich wie bei der Endometriose. Frauenkrankheiten finden leider noch immer nicht genug Beachtung in der Forschung.

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Was viele nicht wissen, nicht nur das Fettgewebe in den Beinen entwickelt sich unproportional, sondern die Erkrankung geht auch mit Schmerzen einher. Oder?

Genau. Die Krankheit ist auf keinen Fall nur ein optisches Problem. Es ist nicht nur so, dass die Beine oder Arme sehr voluminös werden. Die Schmerzen sind schlimm. Andere Symptome sind, dass man sehr schnell blaue Flecken bekommt, ohne dass man sich anstößt, dass die Beine extrem schwer sind, als würde man Blei mit sich herumschleppen.

Man ist einfach nicht so beweglich. Meine Beine schliefen sehr schnell ein und ich litt unter einer Berührungsempfindlichkeit. Wenn z.B. eine Katze über dein Bein läuft, tut es richtig weh. Oder wenn jemand dir scherzhaft aufs Bein klopft, das kann auch richtig schmerzhaft sein.

Wie geht es dir heute?

Mir geht es heute ziemlich gut. Ich bin noch nicht ganz angekommen, aber ich versuche mich möglichst gesund zu ernähren. Vor allem versuche ich ein Gleichgewicht zu finden und mein Gewicht zu halten, damit das Lipödem so lange wie möglich wegbleibt.

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Ich gehe regelmäßig zum Sport und habe das Tanzen wieder neu für mich entdeckt. Das mache ich 3-4-mal die Woche. Die größte Errungenschaft für mich ist, dass ich in den Spiegel gucken kann und obwohl ich vermeintliche Makel sehe, haben die für mich nicht mehr so viel Gewicht. Es macht mir nicht mehr so viel aus. Ich sehe sie zwar objektiv, aber das ist jetzt ok für mich.

Welche Rückmeldungen bekommst du von den Leserinnen deines Buches und deinen zahlreichen Followerinnen?

Von meinen Zuschauer*innen bekam ich vor allem ganz viel Zustimmung. Und das Feedback, dass sich sehr viele mit meinen Inhalten identifizieren können. Im Buch wird auch sehr detailliert beschrieben, wie ich mich in bestimmten Situationen gefühlt habe. Mein Gedankenchaos und die innere Haterin. Da finden sich sehr viele Menschen wieder.

Meistens muss es dann auch nicht dieselbe Krankheit sein. Manche haben den gleichen Selbsthass, weil sie Akne haben. Sie sind genauso unsicher und haben sich bei mir verstanden und aufgehoben gefühlt. Ich glaube, dass es sehr viel mehr bringt, darüber zu sprechen, dass es einem schlecht geht, als immer nur zu sagen „Alles halb so wild.“. Man muss sich gar nicht immer feiern.

Du sagst: Echt ist mein Perfekt. Wie bist du da hingekommen?

Zu „Echt ist mein Perfekt“: Nein, ich bin noch nicht angekommen. Ich glaube auch nicht, dass man das jemals tut. Aber ich bin immer mehr ok mit mir. Es hat mir sehr geholfen den Fokus auf meine Gesundheit zu legen und weg von den Schönheitsidealen zu kommen. Oder weg von der Vorstellung, wie ich gerne aussehen möchte.

Ich höre jetzt auf meinen Körper und versuche das zu tun, was ihm guttut. Ich bewerte mich weniger negativ, ich beleidige mich nicht mehr, wenn ich in den Spiegel gucke, ich versuche objektiv zu bleiben und mich zu fragen „Was sehe ich?“.

Also eine kleine Gedankenübung: „Ok, meine Haare sind lang, meine Dehnungsstreifen sind auf der einen Seite ein wenig länger, meine Pohälfte hängt auf der einen Seite ein wenig weiter runter….“ Einfach objektiv betrachten und nicht bewerten. Ich übe mich in Körperneutralität, das hilft sehr.

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