Happy birthday in heaven: „Heute wäre der 2. Geburtstag unserer Mieke“

Unheilbar krank

Ihr Lieben, schon in der Schwangerschaft gab es Auffälligkeiten, nach der Geburt von Mieke stellte sich dann raus, dass sie von dem seltenen Syndrom MMiHS betroffen ist. Die Abkürzung bedeutet Megazystis-Mikrokolon-intestinale Hypoperistaltik-Syndrom – für Laien: eine zu große Harnblase, ein zu kleiner Dickdarm, und eine verminderte bis fehlende Peristaltik des Darms – sprich: die Darmbewegungen sind vermindert oder fehlen ganz und somit ist der Darm quasi funktionslos. Die Familie kennt ihr vermutlich schon.

Sie wünschte sich in diesem Blogbeitrag noch ganz viel Zeit mit ihrer Mieke. Sie wünschte sich, ihren ersten Geburtstag noch miteinander feiern zu können. Und das klappte auch! Wir dürfen in unserem Beitrag heute einige Fotos von diesem besonderen Tag zeigen. Kurz darauf mussten sie Abschied voneinander nehmen. Und Mama Anne brachte die Kraft auf, uns 72 Tage nach Miekes Tod einen Brief an ihre verstorbene Tochter zu zeigen.

Heute denken wir ganz fest an sie und an Miekes Papa und an Miekes Bruder Moritz, denn Mieke wäre heute zwei Jahre alt geworden. Ihrer Mama Anne ist ist wichtig, dass sie nicht vergessen wird. Dass ihr Geburtstag bunt und laut sein darf. Und sie freut sich über jeden Glückwunsch, darum hier auch von uns nochmal und von Herzen: Happy happy birthday, liebe Mieke. Der Sonnenschein, den du ins Leben gebracht hast, wird nie vergessen werden.

Liebe Anne, heute vor zwei Jahren kam eure Mieke zur Welt, wie erinnerst du dich an diesen Tag der Geburt zurück?

Tatsächlich mit sehr gemischten Gefühlen. Zum einen erinnere ich mich an eine große innerliche Ruhe meinerseits. Mieke kam an 35+6 – rein rechnerisch also noch als Frühchen – aber ich hatte so ein Urvertrauen darin, dass es richtig sein wird. Dass es einen Grund hat, dass sie sich jetzt von selbst auf den Weg macht und ich habe mich genau darüber auch gefreut.

Vier Tage später wäre sonst vermutlich für sie entschieden worden von der Pränataldiagnostikerin, die uns begleitet hat. Es stand immer im Raum, dass man sie früher holen müsste. Wobei ich auch sagen muss, dass ich anfangs noch an einen Fehlalarm dachte, da die Wehen zwar sehr regelmäßig und in kurzen Abständen kamen, aber so „leicht“ zu ertragen waren.

Die Geburt selbst war, wie man es sich wünschen würde. Wir hatten eine großartige Hebamme, die uns begleitet hat. Wir waren so unendlich glücklich. Da war unser kleines perfektes Mädchen, unsere Mieke. Ja, und dann nach dem ersten Kuscheln und Stillen die Erinnerung: Unsere Tochter ist krank und bedarf weiterer Behandlung, auch wenn man es ihr nicht ansah.

Obwohl wir aufgeklärt und uns jeder Schritt erklärt wurde, das Gefühl war: Sie wurde uns weggenommen. Ihre ersten Stunden auf der Welt hat sie ohne uns verbringen müssen. Das fühlt sich immer noch so falsch an. Mit Miekes Tod sogar noch falscher. Wir oder zumindest einer von uns hätte bei ihr sein müssen. Immer.

Im letzten Jahr konntet ihr noch mit Mieke gemeinsam feiern, das hattet ihr euch so gewünscht, welche Gefühle hattest du an diesem Tag im Bauch?

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Mieke mit ihrer Geburtstagskrone an ihrem ersten Ehrentag.

Da war zum einen Freude. Mieke hat es geschafft – entgegen der Prognosen der Ärzte hatte sie die Nacht überstanden. Wir durften sie aus dem Krankenhaus nach Hause holen. Und obwohl wir uns vorsichtig optimistisch fühlten, da die Blutungen überraschenderweise weitgehend aufgehört hatten, wurde schon an jeder Ecke, bei jedem Gespräch mit Ärzten und der Seelsorgerin, die uns noch besuchte, deutlich, dass wir Mieke zum Sterben nach Hause holten.

Als Mieke und ich von den Ärzten nach draußen bis zum Auto begleitet wurden, hatten wohl alle einen Kloß im Hals. Es war klar, dass wir vermutlich nicht wiederkommen würden.

Endlich zuhause konnten wir uns kurz freuen. Und dann hieß es aber schnell: Gefühle wegschieben und funktionieren. Einweisung in die Antibiotikagabe, Einweisung in den neuen Medikamentenplan durchs Palliativteam und so viel zu organisieren. Raum zum Feiern gab es nicht. Kein Beisammensein, wie man es sich wünscht. Die Geburtstagsmomente waren kurz. Aber sie waren da und das macht uns irre glücklich.

Wir wollten, dass Mieke die Zeit mit uns verbringt und bei uns ist. Wir merkten schnell, dass unser Wunsch nicht ganz zu Miekes Bedürfnis nach Ruhe und zu dem Pflegeaufwand passte. So war sie zwar bei uns zuhause, aber gefühlt war ich nicht bei ihr. Mich hat der große Bruder gebraucht und der ganze Organisationskram.

Mein Mann hat den Tag über die Pflege mit der Pflegefachkraft übernommen. Man hat irgendwie funktioniert. Viel Raum für Gefühle war irgendwie gar nicht. An was ich mich aber noch erinnere, war der hauchzarte Wunsch und Glaube an ein Wunder. Schließlich hatte sie es noch nach Hause geschafft. Vielleicht schafften wir es noch bis zu dem ersehnt und gleichzeitig gefürchteten Anruf. Vielleicht gab es doch noch eine klitzekleine Hoffnung auf Leben.

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Kurz darauf habt ihr Abschied von Mieke nehmen müssen. Ihr habt sie nicht nur ins Leben, sondern auch aus dem Leben heraus begleitet, gab es da emotional irgendwelche Parallelen?

Unendlich viel Liebe, allerdings diesmal gepaart mit einer großen Traurigkeit. Vielleicht haben Mieke und ich an ihrem letzten Tag auch das Kuscheln nachholen können, was uns an ihren ersten Lebenstagen gefehlt hat. Mein Mann und ich wussten, dass es Zeit für den Abschied war. Wir haben es gespürt, auch wenn die ärztliche Prognose eine andere war. Wie auch an dem Tag ihrer Geburt war da eine Ruhe in mir. Ich wollte, dass Mieke spürt, dass es ok ist. Dass sie gehen kann.

Wie begeht ihr ihren Geburtag heute?

Ich werde wie auch am Tag ihrer Abschiedsfeier eine Regenbogentorte backen. Wir werden zum Friedhof gehen und ihr Geschenke vorbeibringen. Wir werden Luftballons steigen lassen und Seifenblasen pusten und beisammen sein. Wir freuen uns auf jeden, der Mieke und uns begleitet hat. Ich freue mich darauf, schöne Erinnerungen teilen zu können und Torte zu essen. Ich freue mich auf einen traurig-schönen Tag.

Und ja, ich freue mich wirklich auf ihren Geburtstag. Und gleichzeitig habe ich Angst, dass er vergessen wird. Im Gespräch mit anderen verwaisten Eltern habe ich genau das so oft gehört. Ich glaube nicht einmal, dass der Geburtstag von Sternenkindern anderer vergessen wird, er wird totgeschwiegen – vielleicht aus vermeintlich gut gemeinten Gründen.

Aber es ist wie so oft: „Gut gemeint ist nicht gut gemacht.“ Als würden Eltern den Geburtstag ihres Kindes vergessen, wenn kein anderer darüber redet. Man reißt also keine Wunden auf – die sind eh schon da.

Wie habt ihr das Jahr bis hierher geschafft, war das wie ein Kreislauf aus mal besser, mal schlechter?

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Ich weiß es einfach nicht. Man macht weiter. Irgendwie. Mal besser, mal schlechter. Ich habe noch einiges an Aufarbeitung vor mir. Der Alltag lässt manchmal keinen Raum dafür, denn der große Bruder will und muss auch begleitet werden. Aber es wird. Langsam und in kleinen Schritten, aber es geht vorwärts.

Und das bedeutet nicht, dass die Trauer weniger würde. Im Gegenteil. Aber ich lerne, die Trauer zu integrieren. Mit ihr zu leben. Bis ich in einem gesellschaftlich anerkannten „normalen“ Leben angekommen bin, dauert es wohl noch ein wenig.

Ich habe arg damit zu kämpfen, den von mir selbst auferlegten Druck, abzuschütteln. Von mir selbst auferlegt, da bisher mein Arbeitgeber/Dienstherr mehr als verständnisvoll ist und auch bisher nichts in der Richtung von meinem Umfeld kam. Ich kenne es aus Gesprächen mit anderen verwaisten Müttern aber durchaus anders. Ich kann mich da also wirklich glücklich schätzen, dass man mir die Zeit lässt, die ich brauche.

Du sagtest neulich, du wüsstest nicht, wie es dir wirklich gerade geht. Weil du so viel fühlst oder weil alles so taub ist?

Es ist einfach eine Achterbahn. So viele Gefühle gleichzeitig. So viel zu zerarbeiten. So viele Erinnerungen. Gute und traumatisierende. Und so wenig Zeit, sich diesen wirklich widmen zu können. Kein Raum, um diese Gefühle wirklich fühlen zu können.

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11 comments

  1. Liebe Anne,
    wieder berührt mich eure Geschichte so sehr. Bereits bei deinem letzten Beitrag hatte ich geschrieben – und euch seither nie vergessen. Einige dieser Geschichten, die man liest, bleiben einem irgendwie für immer im Gedächtnis. Meine kleine Luna ist am gleichen Tag wie eure Mieke geboren und hat eben diese Woche ihren 2.Geburtstag gefeiert. Es ist vielleicht kein echter Trost aber lass dir gesagt sein, dass ich an dein kleines Mädchen dachte. Nein, sie ist nicht vergessen. Nein, sie wird auch nicht vergessen gehen.
    Bleib stark aber lass auch die schwachen Momente zu. Keiner, der sowas nicht erlebt hat, kann es wohl so ganz nachvollziehen, aber jeder weiss ausnahmslos wieviel Kraft es kostet. Genau diese Kraft wünsche ich euch!
    Lena

  2. Ach Mensch, ich weiß gar nicht, was ich schreiben soll. Meine Mutti wäre heute 70 geworden, sie ist im Oktober überraschend gestorben… vielleicht hat sie die kleine Mieke im Himmel gefunden und ist ihr eine so wunderbare Oma, wie sie es auf Erden für meine beiden Kinder war! Ich finde herzlichen Glückwunsch heute so unpassend, zumindest, wenn das heute jemand in Bezug auf meine Mutti gesagt hat. Ich hoffe Ihr hattet einen schönen Tag mit wunderbaren Erinnerungen!

  3. Ich wünsche Dir Kraft zum ( etwas!) loslassen und friedliche nicht mehr schmerzhafte Erinnerungen! Nimm Dir die Zeit, die Du brauchst, nur vergiss die Lebenden nicht. Der „große Bruder“ Dein Moritz braucht euch und ist jetzt Kind. Alles Liebe!

  4. Mieke, du Sonneschein! Alles Liebe zum 2. Geburtstag und mögest Du die Herzen aller die dich lieben immer mit ein paar Sonnestrahlen erhellen! <3
    Miekes Schucksal berührt mich sehr, insbesondere da meine Zwillinge auch kurz vor ihrem zweiten Geburtstag stehen. Es macht mich nochmal mehr dankbar, dass wir diesen bald begehen dürfen. Ich wünsche der Familie viel Kraft und von Herzen alles Gute!

  5. Kein Wunder strahlt heute hier so die Sonne, vielen Dank dafür liebe Mieke. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag kleiner Engel.

  6. Happy Birthday in heaven kleine Mieke, auf den Fotos strahlst du so schön. Alles Liebe und viel Kraft an deine Familie an diesem schweren Tag.

  7. Alles alles Liebe zum Geburtstag an die zuckersüße kleine tapfere Mieke und an ihre wunderbare Familie. Sie wird niemals vergessen werden.
    Was für ein Geschenk, dass sie ihre viel zu kurze irdische Zeit bei so liebevollen, starken Menschen verbringen durfte.

  8. Liebe Anne,
    Ich wünsche dir und deiner Familie viel Kraft für das Stück weg was noch vor euch liegt. Vor allem heute aber:
    HAPPY BIRTHDAY LIEBE MIEKE, du rockst den Himmel

  9. Liebe Anne, der Beitrag hatte mich damals zum Weinen gebracht. Auch jetzt habe ich wieder einen Kloß im Hals.
    Jedoch habe ich Fragen, die vermutlich sehr frech klingen. Du schreibst in deinem jetzigen Bericht über deine Gefühle. Wie geht es deinem Mann? Wie verarbeitet er es? Und wie geht Moritz damit um?

    In vielen Familien kommt es so oft vor, dass Mütter sich entweder in ihrer Trauer verlieren oder es schaffen, mit ihr zu leben. Aber selten höre/lese ich Berichte über die Väter, eben wie sie mit dem Verlust und dem Schmerz umgehen.

    Ich wünsche euch viel Kraft auch weiterhin

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