Ihr Lieben, wir sind immer wieder sehr dankbar für das Vertrauen, das ihr uns entgegen bringt. Ihr erzählt uns so oft aus euren Leben. Das ist nicht immer leicht, besonders wenn ihr keine unbeschwerte Kindheit hattet. Heute erzählt uns Maren, wie es ist, als Kind in Armut aufzuwachsen….
Liebe Maren, erzähl uns mal wie du aufgewachsen bist…
Meine Mutter hatte sich, als ich 4 Jahre alt war, von unserem alkoholabhängigen und gewalttätigen Erzeuger getrennt und musste wieder zu ihren Eltern ziehen. Ich habe zwei ältere Geschwister, zwischen uns herrscht eine bis heute eine Hass-Liebe, die wohl einfach in unserer turbulenten Kindheit ihren Ursprung hat. Meine Mutter lernte ein paar Jahre später wieder einen Mann kennen und lieben – dieser Mann war für uns Kinder ein wunderbarer Vater, besser hätte es für uns drei Kinder nicht sein können.
Deine Mama hatte zwei Jobs, trotzdem konntet ihr davon nicht gut leben. Was hat deine Mama gearbeitet und was für ein Mensch war sie generell?
Meine Mutter hatte zwei Putz-Jobs – in den frühen 90er Jahren wurde diese Art von Arbeit noch nicht so gewürdigt, wie es glücklicherweise heute viele Menschen tun. Wer putzte, hatte es schwer.
Meine Mama war immer gestresst, hat sich aber immer bemüht, dass wir gesund sind, die Rechnung bezahlt sind, saubere Kleidung und genug Essen da war. Uns gegenüber war sie „liebevoll streng„. Sie war eine herzensgute Frau, hat unser Wohl immer über ihres gestellt.
Wenn ich sie dann mal dabei „erwischt“ habe, wie sie geweint hat, schaute Sie mich an und sagte: „Egal wie oft du im Leben mal fallen wirst und die Leute dich belächeln – steh stets wieder auf und beweise ihnen das Gegenteil!“ Und genau das tat sie selbst auch immer wieder.
Hast du die Armut als Kind gespürt?
Richtig gemerkt haben wir Kinder erst, dass wir nicht so viel Geld haben, als wir in die Schule kamen und unsere Klassenkameraden in den Ferien verreisten. Ostsee, Italien, sogar Disneyland. Wir haben immer Urlaub auf Balkonien gemacht. In den Ferien haben wir uns immer aus Decken „Traumschlösser“ gebaut und uns gegenseitig erzählt, was wir später mal unternehmen wollen, wenn wir erwachsen sind und Geld haben.
Und klar, als es dann die ersten Handys gab, bestimmte Rucksäcke oder Schuhe angesagt haben, da haben wir auch gemerkt, dass wir uns das nicht leisten konnten. Uns Kindern war das aber tatsächlich auch nicht so wichtig.
Ihr seid auch zur Tafel gegangen. Wie war das für euch?
Für mich war es ganz schrecklich, weil ich immer mit musste und Angst hatte, dass mich jemand dort sieht. Es gab eine Frau in der Nachbarschaft, die als Tratschtante bekannt war. Sie hat uns mal bei der Tafel gesehen und es beim nächsten Elternabend vor versammelter Elternschaft erzählt. Am nächsten Tag wussten es unsere Mitschüler und ich wurde viel ausgelacht. Einige Mitschüler schmissen mir ihr Pausenbrot vor die Füße, damit ich auch mal was ordentliches zu essen habe.
Das war mir alles so peinlich und ich ging zur Vertrauenslehrerin. Die sagte wirklich zu mir: „Deine Mutter hätte sich eben einen besseren Mann suchen müssen, dann wärt ihr jetzt nicht so weit unten in der Nahrungskette.“ Für mich als Achtjährige waren das verbale Ohrfeigen.
Auf was musstest du als Kind verzichten, weil es schlicht nicht drin war?
Ich habe nie Taschengeld bekommen. Und es gab auch kein aktuell angesagtes Spielzeug. kaum Süßigkeiten oder Haarspangen/ all der Kram, den kleine Mädchen schick finden. Ich möchte aber nicht sagen, dass wir als Kinder nie etwas bekommen hätten. Ich hatte durchaus Spielzeug und mit dem habe ich eben gespielt, bis es auseinander fiel.
Und: Ich hatte mir als Kind ein kleines Meerschweinchen gewünscht, aber das wäre in der Anschaffung und Haltung, zu teuer gewesen.
Inwieweit hat dich das für dein heutiges Leben geprägt?
Ich denke, das mich meine Kindheit, insoweit geprägt hat, dass ich bei allem abwäge, ob ich es brauche oder nicht. Ich kaufe nie aus dem Bauch heraus, sondern nur nach sorgfältiger Überlegung. Ich bin sehr sparsam, achte auf die Preise und lasse mich durch hübsche Werbung/Schaufenster nicht „kaufen/locken/inspirieren“. Die wichtigste Lektion für mich ist: „Von nichts, kommt nichts. Man muss sich alles im Leben, hart erarbeiten.“
Wie lebst du heute?
Ich lebe zusammen mit meinem Mann und 2 Kindern in einer 4 Zimmerwohnung. Wir haben zum Leben, nach allen Abzügen und Fixkosten (Miete, Rechnungen, TB, Strom, etc.), etwa 1.500€ im Monat zur Verfügung, von denen wir immer einen Teil für Notfälle zur Seite legen, falls mal die Waschmaschine kaputt geht oder sonst etwas passiert.
Meinen Kindern lebe ich Nachhaltigkeit vor, ich nähe oft Kleidung für die Kinder, häkle und stricke gern. Gerade in den kalten Monaten ist das gold wert. Meine Kinder bekommen Taschengeld, über das sie frei verfügen dürfen. Meine Große spart aber das meiste, weil sie sich bald um ein Pferd kümmern will.
Leider habe ich seit einigen Monaten keinen Kontakt mehr zu meiner Mutter, weil etwas sehr Unschönes vorgefallen ist. Dennoch bin ich ihr sehr dankbar, wie sie uns Kinder groß gezogen hat, wie sie das alles geschafft hat. Ohne sie wäre ich nicht die, die ich heute bin.
5 comments
Liebe Maren, vielen Dank für diesen Einblick und Deinen Bericht! Es freut mich sehr, dass du dein Familienleben heute so finanziell stabil gestalten kann. Es ist einfach eine große psychische Last, wenn es finanziell immer (zu) knapp ist (ich spreche da auch aus Erfahrung, wenn auch in deutlich geringerem Umfang).
Hochachtung also auch vor deiner Mutter!!!
Persönlich macht mir das immer deutlich, wie komfortabel meine Kindheit war.
Und Katharina und Lisa, ich finde diese Berichte über die persönlichen Lebensumstände und Geschichten euer Leser/innen wertvoll. Bitte bleibt dabei, trotz des spitzfindigen Feedbacks einiger Leser/innen.
Und liebe Maren, vielleicht gibt es ja noch irgendwann eine Lösung im Kontakt mit deiner Mutter. Alles Gute!
„Armut bezeichnet im materiellen Sinn (als Gegenbegriff zu Reichtum) primär die mangelnde Befriedigung der Grundbedürfnisse“ sagt Wikipedia dazu. Es muss also nicht heissen, dass man in Fetzen gekleidet rumläuft. Es kann eben genauso gut sein, dass man kein Taschengeld kriegt, zur Tafel muss, keine aktuelle Kleidung trägt und dies dann in der sozialen Struktur zur Ausgrenzung führt. Wie Armut wirklich definiert wird oder was es für ein Individuum wirklich bedeutet ist nochmal ganz etwas Anderes. Auch Reichtum, das Gegenteil von Armut ist völlig individuell. Relevant ist es, wie man es selber empfindet. Ein „Ist ja gar nicht schlimm, weiss ja nicht warum die sich so anstellt weil bloss kein Taschengeld“ ist hier völlig fehlplatziert weil damit die Not/das Empfinden des Gegenübers schlicht schlecht geredet, bzw. Schön geredet wird. Kann ein Millionär der sich verzockt hat plötzlich „nur noch“ ein alter VW Polo fahren ist das für ihn genauso Armut wie für ein Kind das kein Taschengeld erhält und nie wegfahren kann, weil das Geld nicht reicht….
Meiner Meinung nach darf Armut nicht immer nur im Zusammenhang mit Hunger etc. verwendet werden. Es gibt auch die sozial bedingte Armut, wenn vieles von dem, was anderen Kindern ermöglicht wird, einem selbst nie möglich ist. Das prägt fürs Leben, hat Ausgrenzung zur Folge! Ich glaube nicht, dass man diese Erfahrungen gut beurteilen kann wenn man nie selbst in der Sitaution war.
Ich kann selbst aus Erfahrung sprechen aber nur weil man in der Kindheit nicht so viel Geld hat heißt es nicht dass man dadurch im späteren Leben Nachteile hat oder mit Ausgrenzung zu leben hat. Durch wenig Geld in der Kindheit lernt man Dinge mehr zu schätzen und weiß dass Glück nicht davon abhängt.
Interessanter Bericht. Leider finde ich das Wort „Armut“ maßlos übertrieben. Nur weil man kein Taschengeld bekommt oder nicht in den Urlaub fahren kann? 🤔
Armut heißt Menschenrechtsverletzung. Davon kann man hier im Artikel nicht sprechen.