Es war November, als mein standardmäßiger Test zur Erkennung von Schwangerschaftsdiabetes durchgeführt wurde, der heutzutage in der Regel bei jeder Schwangeren zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche stattfindet. Ich trank also meine für mich vorbereitete Zuckerlösung und wartete ob der Dinge, die da kommen sollten.
Irgendwie hatte ich eine Vorahnung, auch wenn ich nicht erblich vorbelastet war und ich eher zierlich bin. Für meine Ärztin überraschend fiel mein oraler Glukosetoleranztest (oGTT), wie er offiziell heißt, dann tatsächlich mit erhöhten Werten auf. Zwei Tage später folgte dann der genauere Nachtest. Auch hier zeigte sich, dass mein Zuckerspiegel zu stark anstieg und sich zu langsam abbaute.
Ein auffälliger Glukosetoleranztest
Meiner Gynäkologin blieb also nichts anderes übrig, als mir eine Überweisung zum Diabetologen auszustellen. Mit dieser Überweisung ging ich dann erst mal nach Hause. Mir war immer noch schlecht – von den schlechten Neuigkeiten, aber vor allem von dem viel zu süßen Getränk auf nüchternen Magen. So viel Zucker wie beim Toleranztest würde man unter normalen Umständen nicht bei einer Mahlzeit zu sich nehmen. Es ist schon ein Stresstest für den Körper. Weshalb dieser Test auch häufiger in der Kritik steht.
Was hieß das aber nun für mich? Ich hatte nun mal die hierzulande aktuell geltenden Grenzwerte, wenn auch knapp, überschritten. Bereits seit dem Ende des ersten Trimesters litt ich unter übermäßiger Schwangerschaftsübelkeit (Hyperemesis gravidarum). Ich war froh über jede Tasse Fenchel-Anis-Kümmel-Tee, über jedes Glas stilles Wasser, das ich vertrug. Hier und da schaffte ich es, einen Happen zu essen.
Schwangerschaftsdiabetes – Gestationsdiabetes
Nachmittags führte die kleine Spazierrunde oft beim Bäcker vorbei. Die Schweineohren vertrug ich komischerweise auch irgendwie. Ein bisschen Balsam für die Seele. Generell mochte ich immer schon gerne süße Frühstücke. Aber nun die Diagnose Gestationsdiabetes. Ich googelte erst mal, wie man das heutzutage so macht. In einer Flohmarkt-Whats-App-Gruppe stieß ich auf das Buch „Schwangerschaftsdiabetes im Griff – Gesund essen für mein Baby und mich“ von Bettina Snowdon und Prof. Dr. Ute Schäfer-Graf, erschienen im Trias Verlag.
Gleich auf der Titelseite sind Erdbeeren mit dem Slogan „Naschen erlaubt!“ abgebildet. Das klang erst mal beruhigend und Mut machend. Ich las mich also in das Thema ein, bevor ich eine Woche später zum Diabetologen ging. Von ihm bekam ich dann die Rezepte für mein Blutzuckermessgerät samt Lanzetten und Messstreifen. Fortan führte ich ein Blutzuckertagebuch.
Blutzucker messen, Ernährung umstellen
Wie sah mein neuer Alltag aus? Direkt nach dem Aufstehen führte mich mein erster Gang zum Blutzuckermessgerät. Wie hoch bzw. wie niedrig war mein morgendlicher Blutzuckerspiegel auf nüchternen Magen? Eine Stunde nach Beginn (!) des Frühstückes folgte dann der nächste Pieks und die Abnahme des nächsten Wertes.
Zwei weitere Messwerte folgten dann noch im Laufe des Tages. Eine Stunde nach Beginn des Mittagessen bzw. Abendessen. Vier Werte pro Tag bis zum Ende meiner Schwangerschaft. Eine neue Routine, an die ich mich aber schnell gewöhnte. Natürlich kostete es anfangs etwas Überwindung, sich selbst in den Finger zu pieksen, aber es gibt wirklich Schlimmeres. Stammgast in der Apotheke war ich eh schon – Folsäure, Eisensaft usw…
Diabetes: Verzicht auf Süßigkeit
Mein Körper gewöhnte sich allerdings nicht so schnell an die neue Ernährungsweise. Der Verzicht auf Süßigkeiten führte ca. zwei Wochen lang zu schlechter Laune. Das kannte ich bereits aus dem Frühjahr zuvor, als ich von heute auf morgen mein morgendliches Glas Cola zum Frühstück gegen Tee tauschte. Jahrelang war die Cola mein Kaffeeersatz gewesen. Irgendwoher musste doch der morgendliche Koffeinkick kommen, da Kaffee mir schon immer zu bitter war.
Ich kann aus eigener Erfahrung bestätigen, dass der Körper eine Zuckersucht entwickeln kann. In unserer Gesellschaft denkt man beim Thema Sucht allerdings immer noch nur an Drogen wie Nikotin, Alkohol oder auch an das Glücksspiel. Ich erkannte mich später im Buch „Happy Eating – Emotionales Essen überwinden und wirklich satt und zufrieden werden“ der früheren MTV-Moderatorin Anastasia Zampounidis wieder, welches ich zu Weihnachten von meinen Eltern geschenkt bekam. Wer hat nicht schon mal in stressigen Situationen zur Schokolade gegriffen oder sein Glück in einer Portion Eis gesucht?!
Nachdem die ersten Tage überstanden waren, kam ich allerdings sehr gut mit meinem Gestationsdiabetes zurecht. Bei der Ernährungsberatung in der diabetologischen Schwerpunkthausarztpraxis hatte ich inzwischen gelernt, dass man heute nicht auf Verbote setzt, sondern auf einen ganzheitlichen Ansatz, wonach auch mal Sündigen in Maßen erlaubt ist.
Bei mir kein Insulin gegen Schwangerschaftsdiabetes
In meinem Fall war zum Glück zudem kein Insulin erforderlich. Ich aß jetzt einfach keine fünf Löffel Schokoladenmüsli mehr zum Frühstück, sondern mittags selbstgemachtes Porridge aus Haferflocken und Früchten. Morgens startete ich herzhaft mit einem Käsebrot in den Tag. Auf Leberwurst, Mettwurst und Co. hatte ich ja schon seit Beginn der Schwangerschaft wegen der Gefahr von Toxoplasmose verzichtet.
Kurz vor der Schwangerschaft hatten mein Mann und ich das Brotbacken für uns entdeckt und haben viele Brote selber gebacken. Nun verwendeten wir deutlich weniger Weizenmehl und stattdessen wesentlich mehr Roggen- und Dinkelmehl. Geschmacklich waren die Vollkornnudeln gewöhnungsbedürftig, aber auch daran haben wir uns schnell gewöhnt. Anstatt Weizennudeln mit fertiger Tomatensauce gab es nun Dinkelnudeln mit Hähnchen, Zucchini und Cherrytomaten, abgeschmeckt mit Zitrone und Kräutern. Da machte sich der eigene Kräutergarten bezahlt. Anstatt eines Nudel-Schinken-Auflaufs wurde ein deftiges Rote-Bete-Nudel-Gratin ausprobiert.
Zuckerfrei: Backen mit Erythrit
Die Schwangerschaft schritt voran, der Advent stand vor der Tür. Welche Plätzchen konnten wir denn bloß in diesem Jahr backen? Wie gut, dass es im o.g. Diabetesratgeber sogar ein Kapitel „Weihnachtsgebäck ohne Reue“ gab. Die Haselnussplätzchen mussten allerdings wegen der Nussallergie meines Mannes mit Mandeln gebacken werden. Schmeckten aber ebenfalls.
Wie gut, dass meine Schwiegermutter die Apfelernte zum Einkochen von reichlich Apfelmus genutzt hatte. Anstatt mit Zucker backten wir nun mit Erythrit, wovon ich vorher nie gehört hatte, aber was ebenso wie Stevia in so ziemlich jedem Supermarkt als Zuckerersatzmittel erhältlich ist. Auch auf Schokolade verzichtete ich nicht vollständig. Ich genoss hier und da ein Stück Bitterschokolade. Je kakaohaltiger eine Schokolade, desto weniger süß bzw. zuckerlastig ist diese.
„Auch nach der Geburt lebe ich mit weniger Zucker“
Nun ist schon wieder eine Zeit seit der Geburt unseres Sohnes vergangen. Ich war inzwischen bei zwei Diabetes-Nachtests, die zum Glück keine Auffälligkeiten aufwiesen, sodass ich auch erst bei einer erneuten Schwangerschaft oder im Rahmen einer altersbedingten Vorsorge getestet werden würde. Wie beruhigend! Das erhöhte Risiko verbleibt zwar, insbesondere eben für eine mögliche Folge-Schwangerschaft. Dem kann ich aber mit angepasster Ernährung und Bewegung entgegentreten und ganz entspannt in die Zukunft schauen. Nach dem mühevollen Weg der Entwöhnung versuche ich nun also weiter zuckerärmer zu leben und gehe einmal wöchentlich zu einem Zumba-Kurs, der Körper und Seele guttut…
Kaum war mein Sohn geboren, vertrug ich wieder Kohlensäure und sämtliche Lebensmittel. Aber die Fassbrause, auf die ich mich so lange gefreut hatte, war mir nun plötzlich zu süß geworden. Bis heute frühstücke ich herzhaft. Bislang hat es kein Fruchtjoghurt wieder in unseren Kühlschrank geschafft. Skyr mit Früchten verfeinert schmeckt doch viel besser und ist zudem gesünder.
Weniger Ketchup, mehr Bitterschokolade
Die Frikadellen gab es heute Mittag mit Kartoffelpüree und Bohnen aus der Dose. Früher sah man deutlich mehr Ketchup und Rotkohl aus dem Glas bei uns auf dem Tisch. Lebensmittel, die sehr viel Zucker enthalten. Natürlich wird unser Sohn auch die irgendwann kennenlernen. Er wird auch wie jedes Kind genügend Schokolade und Lutscher geschenkt bekommen, aber doch haben wir Eltern es jetzt in der Hand, welche Geschmacksrichtungen er wann und wie kennenlernt.
Mir schmeckt Fair Trade Bitterschokolade inzwischen richtig gut. Aber natürlich muss auch mal gesündigt werden. Es gibt für den schnellen Hunger zwischendurch auch Energieriegel mit unter 1 Gramm Zucker. Es muss nicht der erstbeste Riegel mit über 10 Gramm Zucker sein, auch wenn der vielleicht den Geldbeutel schont.
Durch Schwangerschaftsdiabetes gesünder leben
Wie so oft im Leben musste also erst was passieren, bevor man ein Vorhaben konsequent umsetzt. Gesünder – sprich zuckerärmer – leben wollte ich schon vor Jahren. Aber wie das so ist im stressigen Berufsalltag, blieb dieses Vorhaben zunächst einmal auf der Strecke. Ich lebe heute weder vegan, vegetarisch noch zuckerfrei, aber hoffentlich gesund und ausgewogen. Meine Werte beim Check Up 35 – hui bin ich schon alt – unterstrichen dies jedenfalls kürzlich.
Ich wünsche allen Schwangeren, die ebenfalls im Zuckertest auffallen, alles Gute und gutes Durchhaltevermögen. Besonders möchte ich an dieser Stelle meinem Mann danken, der die Ernährungsumstellung bis heute vorbildlich mitträgt und eine große Unterstützung war und ist.
1 comment
Schön das der Diabetes nicht geblieben ist. Oder zu Komplikationen in den letzten Wochen bzw bei der Geburt geführt hat! Was das weglassen von Cola angeht ist da nicht nur der Zucker“ entzug“ sondern vor allem der Koffeinentzug den man natürlich hat.😸 Koffein macht abhängig und natürlich spürt man den Entzug auch körperlich.