Ihr Lieben, wie oft hören wir von Trennungen, in denen die einstige Liebe zu einem Kampf wird, sich die Elternteile in ihrem Schmerz verlieren und nicht mehr rational handeln können. Bei Tina, 47, Papa Frank, 47, und ihren Jungs Moritz, 11, und Fabian, 9, ist das anders gelaufen. Die Eltern sind zwar kein Paar mehr, aber zusammen mit ihren Kindern immer noch eine Familie. Wie ist ihnen das gelungen?
Liebe Tina, du bist nicht mehr mit dem Papa deiner Kinder zusammen, seit wann seid ihr getrennt und wie kam es dazu?
Wir haben uns 2017 getrennt, nachdem wir drei Jahre darum gerungen haben, ob wir unsere Ehe wieder hinkriegen können. Es lag schon vorher manches im Argen. Ich war nach Fabians Geburt länger krank und nach und nach hat sich unsere Beziehung in etwas sehr Schweres entwickelt – über das Elternwerden, die Verantwortung (auch die wirtschaftliche), das Reinfallen in traditionelle Rollenverteilung, weil es beruflich für Frank in seinem Job keine Alternative zu geben schien…
Irgendwie funktionierten wir nur noch als Elternteam, aber als Liebespaar hatten wir trotz Unterstützung der Großeltern und regelmäßiger Paargespräche einfach kein Tanzparkett mehr. Keine Leichtigkeit. Keinen Spaß. Obwohl wir uns wirklich bemüht haben. Wie es dann so klassisch geht, habe ich mich auch noch verliebt. Auch wenn mit diesem Mann keine neue Beziehung entstanden ist: Drei Paartherapien später war klar, dass unsere Ehe nicht mehr wird.
Hast du schon während der Trennung gemerkt, dass das bei euch besser klappen könnte als bei anderen oder war da doch erstmal auch viel Schmerz?
Da war ganz viel Schmerz. Aber wir hatten das Glück, einen Therapeuten zu treffen, der uns da gemeinsam durchbegleitet hat. Die Methode heißt Imago-Therapie und wir haben das als etwas sehr Besonderes empfunden, wie diese Gespräche unsere emotionale Verbindung am Leben gehalten haben. So haben wir beide relativ schnell geschafft, über Schuldzuweisungen hinauszukommen und zu schauen: Was hab ich selbst dazu beigetragen und wofür kann eben einfach keiner was. Statt den anderen für den eigenen Schmerz verantwortlich zu machen.
Woran man es vielleicht schon gemerkt hat, dass wir eine gute Chance haben, das hinzubekommen, war, dass es unter allem Schmerz auch ein großes Wohlwollen gab zwischen uns. Ich glaube, jeder hat dem anderen zugestanden, dass man es eben so gut gemacht hat, wie man konnte.
Wie habt ihr dann den Kindern erzählt, dass Mama und Papa nicht zusammenbleiben?
Das war ein schrecklicher Tag. Wir waren schon eine ganze Zeit drumrum geeiert und Moritz ist ein sehr aufmerksames Kind. Er hatte einfach gespürt, dass etwas wirklich nicht stimmt. Als er mich ganz konkret gefragt hat: „Mama, ihr trennt euch aber nicht?!“, da konnte ich ihn nicht mehr anlügen oder mit Ausflüchten abfüttern. Er war 8 und das Ganze hing schon über ein Jahr wie ein Damoklesschwert über seinem Kopf.
Auch wenn das überhaupt nicht so geplant war und Frank es auch gar nicht gut fand, dass ich allein mit Moritz drüber geredet habe – es hatte auch Vorteile, dass unser Großer sich nach vielen lauten Tränen erstmal wieder ein bisschen stabilisieren konnte. Am nächsten Tag haben wir uns zu viert zusammengesetzt, die Taufkerzen der Kinder angezündet, uns an den Händen gehalten und versprochen, dass wir das zusammen gut hinkriegen und eine Familie bleiben.
Das ist soweit schon ganz gut gelaufen. Trotzdem war es für den 5-jährigen Fabian die totale Überforderung. Erst zwei Jahre später hat er erzählt, dass ihm das alles viel, viel zu schnell gegangen ist. Schon zwei Wochen später ist Frank in eine Übergangswohnung gezogen. Für ihn musste das sein, damit er unter dem Schmerz nicht zusammenklappt. Für unseren Kleinen war es nicht gut. Aber an dieser Stelle war klar: Wir Eltern müssen sehen, dass wir stabil bleiben (oder werden), damit wir für die Kinder da sein können.
Nun werden ja viele Schauergeschichten zu Trennungen erzählt, hattest du auch Angst, dass es bei euch so werden könnte, dass ihr irgendwann nur noch über eure AnwältInnen miteinander kommuniziert?
Nein. Es hat in dem Prozess ein paar wirklich kritische Momente gegeben, wo einer von uns angefangen hat, aus der eigenen Verletzung um sich zu schießen. Aber glücklicherweise hat es dann immer der oder die andere geschafft zu sagen: „Du, das wird jetzt hässlich. Das wollen wir nicht. Ich geh jetzt raus und wir reden ein andermal weiter“. Darüber bin ich sehr dankbar. Wenn man einen solchen Weg weitergeht und beide nur noch im Modus „Angriff oder Verteidigung“ sind, entstehen ganz schnell Verletzungen, die bleiben und Gräben durch die Elternbeziehung ziehen.
Was hat sich für euch zunächst geändert?
Wir wollten, dass die Kinder nicht noch ihr gewohntes Zuhause, Freunde, den bekannten Schulweg verlieren. Und außerdem die Beziehungen zu beiden Eltern bestehen bleiben. Darum zog Frank in eine möblierte Wohnung und kam zweimal die Woche, die Kinder ins Bett zu bringen und nahm sie einen Tag am Wochenende. So sahen sie sich fast alle zwei Tage. Im Lauf der Jahre haben wir das immer wieder modifiziert, sodass ich auch abends mal länger wegkonnte oder jeder von uns auch mal ein ganzes Wochenende off hatte. Mittlerweile wohnen wir nur 200 Meter voneinander entfernt und die Jungs können sehr unkompliziert wechseln. Das schätzen wir alle sehr.
Nun sagst du, dass ihr das richtig gut hinbekommen habt, aus dem Paar das ihr mal wart, eine Verbindung auf Augenhöhe hinzubekommen. Woran genau machst du das fest?
In diesem Prozess der Trennungsbegleitung mit dem Paartherapeuten hat es eine Stunde gegeben, wo wir beschreiben sollten, was wir uns für unsere „neue Beziehung“ als getrennte Eltern wünschen. Da hat sich gezeigt, dass uns beiden am wichtigsten ist, sich darauf verlassen zu können, dass der andere es gut mit einem meint. Wenn ich darauf vertrauen kann (und das liegt ja nicht nur am Verhalten des anderen), ist eigentlich jeder Konflikt nur noch eine schlichte Meinungs- oder Bedürfnisverschiedenheit. Nichts, woraus man ein Drama machen muss. Und das merken wir beide sehr im Alltag. Da gibt es viel „Nee du, hätte mir auch passieren können“ und „Kann ich verstehen, war blöd, aber ja keine Absicht“.
So wie wir das machen, das muss man auch abkönnen. Wir kommunizieren zum Teil deutlich mehr als früher. Ich glaube, das geht gar nicht anders, wenn man wirklich die ganzen vielen Themen gemeinsam „beeltert“. Aber unser Modell ist auch sehr flexibel und so haben wir beide genug Freiraum für die Beziehung mit den Kindern und andererseits für viele andere Dinge, die wir gern ohne sie tun.
Wie habt ihr es ganz konkret geschafft, als Nicht-Mehr-Paar die Kinder nicht aus den Augen zu verlieren, nicht in einen Rosenkrieg zu geraten?
Die wichtigsten Werkzeuge dafür habe ich vielleicht aus zwei Büchern mitgenommen. Die „Glücklichen Scheidungskinder“ von Remo Largo und das andere heißt „Als Paar getrennt, als Eltern zusammen“. Geblieben sind daraus zwei Aufträge: 1. Egal, was ihr entscheidet, stellt das Wohl der Kinder an oberste Stelle, denn die können gar nichts dafür, und 2. Vermeidet, dass sie Bindungsabbrüche erfahren und in Loyalitätskonflikte geraten, denn die sind toxisch.
So, und damit ist man ganz schön krass an die Leine genommen. Denn wenn das Wohl der Kinder obenan steht, muss ich auf den anderen Elternteil (wenn da eine gesunde Beziehung besteht) einfach gut aufpassen. Und auch mal meinen ersten Impuls von „Ungerecht!“ oder „Nicht mit mir!“ in Ruhe überdenken. Also war zum Beispiel klar, die Jungs feiern weiter Weihnachten bei meinen Eltern – weil das für sie Stabilität und Weihnachtszauber ist. Und Frank hat 2017 tapfer den Abend anders verbracht. Mittlerweile feiern wir wieder alle zusammen.
Das so vernünftig zu regeln ist schwierig, wenn es an existenzielle Dinge wie finanzielle Versorgung, Wohnen oder Arbeitenmüssen geht. Wir hatten viele Gespräche nach dem Motto: „Bei dem Gedanken geht es mir echt ganz schlecht, da krieg ich Panik, da bräuchte ich …“. Für mich war ganz toll, dass Frank in Momenten, wo ich echt am Boden war, immer gesagt hat: „Hey Tina, wir sitzen in einem Boot, ich bin immer noch an deiner Seite, wir kriegen das zusammen hin.“
Das ist glaube ich zentral: dass man es schafft, sich einen Kern von Loyalität zu bewahren für die Familie, die man mal gemeinsam gegründet hat. Das geht nur, wenn beide mitmachen.
Würdest du eine Trennung manchmal auch als Chance bezeichnen?
Ich will das nicht hochjubeln. Es ist nicht unbedingt ein leichter Weg. Auch wenn man sich als Eltern gut versteht, fehlen viele Momente der gegenseitigen Entlastung, Unterstützung und des Teilens. Aber ja, die Chance ist, dass bestimmte Kränkbarkeiten, die einen in der Beziehung unentspannt machen, aus der Elternbeziehung „rauswachsen“. Wir hatten früher ganz ungute Diskussionen über Erziehung, wo immer mitschwang: „Du findest, ich mache es nicht gut genug“. Heute sind wir da viel konstruktiver und können auch hinnehmen, dass wir zu manchem eben verschiedene Ansichten haben.
Und bei uns hat die räumliche Nähe und gerade auch Corona und die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten dazu geführt, dass die viel beschworene „Mental Load“ nochmal fairer aufgeteilt werden konnte. Jetzt weiß der Vater genau, was die Kinder in ihrer Freizeit tun, wann der Gitarrenunterricht per Skype ist, wie die Klassenleitung heißt und wann die Akut-Sprechstunde beim Kinderarzt ist. Die Trennung sorgt vielleicht für die Möglichkeit zu überprüfen: Wie viel Alltagsverbindung will ich zu meinem Kindern? Das klappt natürlich nur, wenn sich beide Elternteile einigermaßen einig sind, wie sie sich das wünschen. Da haben wir einfach Glück. Aber innerhalb der Ehe wäre das so nicht gelungen.
Hast du Tipps oder Mutmacher für Frauen, die sich grad in der Trennungsphase befinden – oder gerade überlegen, den Schritt zu wagen?
Ich hab die Erfahrung gemacht: Jede ungute Diskussion, jeder Streit birgt auch immer die Chance, es diesmal anders zu machen und mehr Wohlwollen und Verständnis in die Beziehung zu bringen. Das ist eine bewusste Entscheidung: anzuerkennen, dass der oder die andere es so gut macht, wie es eben geht. Und auch: dass die Liebesbeziehung, die man sich gemeinsam gewünscht hat, nicht gelungen ist. Darüber dürfen beide trauern – und manchen fällt es leichter, wütend als traurig zu sein.
Aber eine Trennung ist umgekehrt auch eine Auffoderung, für sich selbst und die eigenen Bedürfnisse zu sorgen. Anfangs denkt man vielleicht, oh Gott, es geht nur ums Überleben, weiter funktionieren. Aber wenn sich die eigenen Gefühle wieder beruhigen, wird es wirklich einfacher. Und es gibt gute Unterstützung: Beratungsstellen wie pro familia, der VAMV (Verein alleinerziehender Männer und Frauen), Facebookgruppen für getrennte Eltern oder eben auch Trennungsbegleitung – sorgt gut für euch, dann könnt ihr auch für eure Kinder besser sorgen.
Zum Weiterlesen:
Eltern bleiben nach der Trennung: Ein Guide für den Umgang mit Ex-Partnern
Trennung – Und jetzt? Wo finde ich Hilfen, was muss ich als Frau und Mutter jetzt beachten?
Buchtipps:
Remo Largo, Monika Czernin: Glückliche Scheidungskinder: Was Kinder nach der Trennung brauchen
5 comments
Vielen lieben Dank für die Offenheit! Es ist schön zu sehen, dass es auch so gehen kann. Im Sinne der Kinder für mich sehr erstrebenswert. Mal sehen, ob wir es schaffen- denn leider müssen da beide Elternteile so reflektiert sein.
Verzeiht meine Frage, wie habt ihr eure Flexibilität was die Kinderbetreuung anbelangt denn finanziell geregelt? Gerade in der Anfangszeit, aber auch jetzt?
Hallo, hier Tina 🙂
Wir hatten anfangs von einer Familienanwältin ausrechnen lassen, was den Kindern an Unterhalt zusteht – und auch mir, denn es war eine gemeinsame Entscheidung, dass ich Teilzeit arbeite und das auch erstmal weiter tun sollte. Den Betrag hat Frank dann überwiesen und wir haben es in unregelmäßigem Abstand mit dem tatsächlichen Bedarf abgeglichen.
Mittlerweile haben wir eine fairere oder transparentere Lösung (die von der Dortmunder Tabelle gar nicht sooo weit weg ist, aber sich für Frank besser anfühlt): Wir werfen alle Einkünfte in einen Topf, ziehen den von mir berechneten Mehrbedarf für die Kinder ab und teilen den Rest durch zwei. So behält jeder dasselbe übrig. Den Kinderbedarf haben wir zum Großteil auf einem gemeinsamen Konto, einen Teil behalte ich für die Kosten, die entstehen, weil sie doch einen größeren Teil der Woche bei mir sind.
Das Wirtschaften mit zwei Konten ist ein bisschen gewöhnungsbedürftig, klappt aber ganz gut und führt dazu, dass Frank auch ganz unkompliziert Schuhe kaufen kann, wenn wie grad im Urlaub ein paar kaputt geht. Es steigert einfach das Vertrauen.
Ich lese deinen Beitrag, und erkenne in vielen Dingen unsere Situation. Wir leben in Trennung als Paar, aber nicht als Eltern jetzt ca 1,5 Jahre so.
Nicht immer ist es einfach. Allein die finanzielle Abhängigkeit meinerseits. Aber für die kinder ist es der bessere Weg. Der Vater wohnt im nächsten Haus, so das die kinder oft entscheiden wo sie sein wollen. Ich bin froh, das es zwischen uns keine bösen Anfeindungen gibt und wir sachlich miteinander sprechen können. Vieles wird gemeinsam unternommen. Aber definitiv habe ich wieder mehr Zeit für meine Dinge. Diese Entlastung ist etwas ganz besonderes.
Danke für den Erfahrungsbericht! Aus meiner Sicht, stehen es ein paar sehr wertvolle Erfahrungen und Erkenntnisse drin, die ich nur unterstreichen kann! Ich kann eine ähnliche Geschichte erzählen und möchte alle Eltern die sich trennen ermuntern, daran zu glauben, dass es möglich ist, sich als Paar zu trennen und dabei eine Familie zu bleiben. Traut euch das zu – wir sind mittlerweile durch einige Aufgaben gegangen und sind nach der Trennung, als Familie und Menschen daran gewachsen.
Alles Gute weiterhin für Euch!marisa
Ich schätze die Imago Therapie sehr. Unsere Ehe stand vor dem ,,Aus“. Imago hat es uns möglich gemacht, zu erkennen, dass wir zusammen bleiben möchten. Und hat die fast endlosen Missverständnisse in unseren Gesprächen, die uns lähmten, entlarvt.
Wir waren erst aus Verzweiflung zur Therapie, und schon nach kurzer Zeit mit Vorfreude darauf! Denn dort war es möglich wieder klar und liebevoll aufeinander zuzugehen. Wir haben das monatelang gemacht, weil es so wertvoll und die beste Investition in unsere 20 jährige Beziehung war.