Ihr Lieben, wenn es in diesen Zeiten eines braucht, dann Mutmacher, die von Herzen kommen. Dorothee Dahinden, Kerstin Lüking und Judith Bildau von MutterKutter haben einen solchen geschrieben: Love yourself, Mama! Für Mütter, die in all den Anforderungen nicht untergehen wollen. Für Partner, die sich noch sehen wollen und für Frauen, die gesund bleiben möchten – seelisch wie körperlich. Lest mal, das ist ein schönes Interview geworden…
Mütter denken an sich selbst oft zuletzt? Warum ist das so – und wann und in welcher Situation war das bei euch ganz konkret auch so?
Angenommen, unsere Gehirne wären Festplatten, dann würde ich nun sagen: die sind komplett belegt. Restspeicherplatz: unter einem Prozent. Kein Platz mehr für uns und unsere eigenen Bedürfnisse. Achtung, Achtung: das Ding hängt sich bald auf. Viele von uns sind „gefangen“ in ihren Alltagsaufgaben. An uns bleibt ja nun mal super oft die gesamte Familienorganisation hängen, Stichwort: Mental Load. Die Pandemie wirkt hier wie ein Brandbeschleuniger. Viele von uns werden in diesem Ausnahmezustand mehr denn je in ihre „Rollen“ hineinkatapultiert. Das Gefüge „alle(s) andere(n) zuerst“ hat sich verstärkt.
Wir haben noch mehr Jobs innerhalb der Familie gewonnen, dafür wertvolle Zeit für uns selbst verloren. Wir sind: ausgebrannt, müde, verzweifelt. Unsere Gehirne? Fühlen sich an, als ob sie bald platzen oder – um bei dem Bild der Festplatte zu bleiben – einen Kurzschluss erleiden. Me-Time? Das klingt für viele wie blanker Hohn. Wann denn? Wie denn? Und mit welcher Kraft? Ehrlich, ich kann jede Mama verstehen, die da im ersten Moment müde lächelt oder auch wütend wird, weil sie denkt: Witzig! Ich falle abends fertig ins Bett und wache noch fertiger auf. Me-Time – du kannst mich mal!
Ich glaube: Indem wir darüber sprechen, dass wir (und unsere eigene Gesundheit) wichtig sind, machen wir einen ersten großen Schritt für uns selbst. Wenn wir uns fragen: Wo bleibe ich im Familienalltag eigentlich?, dann begeben wir uns auf den Weg zu uns selbst und unseren ureigenen Bedürfnissen. Ich würde mir dazu wünschen, dass sich der Blick von außen auch verändert, dass wir mehr wahrgenommen, uns verstärkt mit Liebe uns Respekt begegnet wird.
Oft fragen die Menschen: „Und, wie geht es dem Kind bzw. den Kindern?“ Wie wäre es denn, wenn es heißen würde: „Wie geht es dir und dem Kind bzw. den Kindern?“ Und natürlich können wir als MutterKutter-Team das mit der Pandemie unterschreiben. Auch wir machen einen extremen Spagat. Bei mir äußert sich dieses „Zuletzt-an-sich-denken“ vor allem in meiner Ernährung: Ich trinke z.B. zu viel Kaffee, zu wenig Wasser und inhaliere Chips oder Schokolade, bis ich Bauchweh oder Kopfschmerzen habe.
Nun heißt euer Buch „Love yourself, Mama“ – Was meint ihr damit genau? Und: Kann man Selbstliebe lernen, falls sie nicht da ist?
Love Yourself – das ist ein kleiner Push, eine liebevolle Ermunterung an alle Mamas da draußen, den Blick mal bewusst auf sich selbst zu richten. Wir schenken mit diesem Buch uns Müttern volle Aufmerksamkeit. Das war uns ganz wichtig. Wir haben uns Frauen bewusst in den Mittelpunkt gerückt, weil wir nicht nur aus unserer persönlichen, sondern auch beruflicher Erfahrung wissen: Wir vergessen uns oft selbst. Körper, Psyche, weibliche Veränderungen, Partnerschaft, Umfeld – das sind die fünf Themenbereiche, zu denen wir Alltagstipps sowie medizinischen und naturheilkundlichen Rat geben.
Wir sind überzeugt davon, dass jede Mama liebenswert ist. Jede hat es verdient, geliebt zu werden und sich selbst zu lieben. Liebe ist essentiell. Ein menschliches Fundament. Sie trägt uns. Und Selbstliebe – so groß und in Mode dieses Wort vielleicht erstmal erscheinen mag – kann ein Schlüssel zum persönlichen Glück sein. Selbstliebe heißt für mich, dass ich mich selbst wertschätze, mich annehme und auf mich – so schwer es auch fallen mag – achte.
Wir dürfen uns innerlich (oder auch in echt) auf die Arme knutschen und uns sagen: „Hey, ich bin gut so, wie ich bin. Genau so.“ Mir ist klar, wie groß und schwierig dieser Prozess – je nach persönlichen Erfahrungen – sein kann. Ich glaube aber auch, dass jeder noch so kleine Schritt sich dahin lohnt. Ob man Selbstliebe lernen kann? Das ist eine spannende Frage. In diesem Moment schaue ich auf meine Kinder und denke: Wahnsinn! Die finden sich gut, genauso wie sie sind. Die können das. Die kämpfen für ihre Bedürfnisse.
Und ich frage mich: An welchem Punkt im Leben hatte ich meine Selbstliebe eigentlich verloren? Ich glaube, dass sie eigentlich in jeder bzw. jedem von uns steckt. Doch dass das Leben Geschichten schreibt, die die Selbstliebe in den Hintergrund rücken lassen oder sogar kaputt machen. Ich konnte sie Stück für Stück zurückholen und wünsche mir, dass das auch ganz viele andere Mamas (bzw. Eltern/ Menschen insgesamt) schaffen.
Gehört zum Thema Selbstliebe auch, anderen nicht immer gefallen zu wollen, sondern auch mal Nein zu sagen? Freunde oder Freundinnen „auszusortieren“, wenn wir merken, dass sie uns nicht mehr guttun?
Da sprichst du was an. Ein heißes Thema. Ich persönlich gefalle auch lieber, als dass ich verbal eins auf die 12 kriege. Das ist nicht schön, wenn Menschen dich voll Sch***** finden, aber… ich habe gelernt: Ich kann nicht jedem bzw. jeder gefallen. Dafür sind wir all viel zu unterschiedlich, haben unterschiedliche Lebensweisen oder Vorstellungen. Ich weiß nicht, wie es dir geht – aber das „Nein sagen“ musste ich richtiggehend lernen.
Für mich hat das auf jeden Fall etwas mit Selbstliebe zu tun. In dem Moment, in dem ich sage: „Nein, das geht nicht“ oder „Nein, das schaffe ich nicht“ – achte ich meine Grenzen (zeitlich, emotional usw.). Das spart Kraft und Nerven! Wenn Freund*innen mir nicht mehr gut tun, frage ich mich im ersten Schritt: Wie fühle ich mich in der Nähe des Menschen? Was tut mir genau nicht gut? Was macht die Beziehung mit mir? Was ärgert bzw. triggert mich? Kann ich etwas zwischen uns ändern?
Ich hinterfrage auch mich, mein Verhalten und versuche, über meine Gefühle, meine Sicht der Dinge, zu sprechen. Ehrliche Gespräche können viel bewirken. Aber… manchmal passt es einfach nicht mehr. So gar nicht. Vor allem dann, wenn die Freundschaft mehr Kraft kostet als gibt. Ich lasse los – und das kann verdammt weh tun. Aber ich frage mich dann immer: Wie möchte ich mein Leben gestalten? Und eine Antwort ist: Ich möchte meine freie Zeit mit Menschen verbringen, die mir guttun, für mich da sind, mit mir lachen und mit mir fühlen (und umgekehrt).
Ihr sprecht auch von Energievampiren, wen genau meint ihr damit und wie können wir uns vor ihnen schützen?
Eine Ärztin von mir sagte vor 15 Jahren mal „Energievampire erkenne ich, wenn sie in der Tür stehen.“ Sie meinte damit Menschen, die einem selbst viel Kraft entziehen. Vielleicht kennst du das auch: Du triffst bestimmte Leute und danach hast du Kopf- oder Magenschmerzen, fühlst dich ausgesaugt, kraftlos. Sie tun dir aus verschiedenen Gründen einfach nicht gut. Und das meine ich null anklagend, ich glaube nicht, dass sich jemand hinstellt und denkt „Haaaa, dir sauge ich deine Energie aus“ – es kann die Konstellation zwischen zwei oder mehreren Menschen sein, die einfach nicht gut tut.
Mein Rat: Wenn du merkst, dass dir jemand nicht guttut oder du dich nach einem Treffen körperlich, mental oder emotional ausgesaugt fühlst: versuche Abstand zu halten. Schwierig ist das natürlich, wenn das die eigene Verwandtschaft ist, ganz klar. Wenn da kein Gespräch hilft, gehe ich innerlich (emotional) auf Abstand.
Ihr schreibt über die verschiedensten Themen im Mamaleben, auch zum Beispiel darüber, was wir tun können, wenn Flaute im Bett herrscht. Ihr empfehlt, mit dem Partner oder der Partnerin darüber zu reden, wenn die eigenen Bedürfnisse nicht erfüllt sind. Aber wie schafft man dieses Ansprechen nach vielen Jahren der Beziehung ohne den anderen vor den Kopf zu stoßen?
Sex ist natürlich ein sensibles Thema, vor allem dann, wenn die eine Seite unerfüllte Bedürfnisse hat. Ich glaube, dass kein Weg daran vorbeiführt, sich zusammenzusetzen und ehrlich miteinander zu sprechen – auch wenn da lange schon der Elefant im Raum steht. Ja, das kann schwierig sein. Sprechen würde ich dann nicht zwischen Tür und Angel, sondern in Ruhe. Geplant.
Und ich würde sagen, wie es mir damit geht und dann fragen, wie es meinem Partner bzw. meiner Partnerin damit geht. Ich würde versuchen, gemeinsam herauszufinden, warum das so ist und überlegen, ob bzw. wie es gemeinsam zu ändern ist. Wenn die andere Seite dicht macht, darüber nicht sprechen möchte oder nicht zugänglich ist, würde ich mir fachliche Hilfe vom Außen suchen und im Zweifel – wenn der Partner bzw. die Partnerin nicht möchte – erstmal alleine über meine Geschichte sprechen. Oft haben Paartherapeut*innen und Paarcoaches tolle Impulse von außen.
Nach Jahren der Beziehung schreiben wir uns eher Nachrichten wie „Klopapier ist alle“ als „Ich liebe dich“ schreibt Laura Fröhlich in ihrem Selbstexperiment, in dem sie vier Wochen lang im Alltag mit drei Kindern versucht, das Verknalltsein zurück in den Alltag zu holen. Mögt ihr verraten, wie das Experiment ausging?
Much love was in the air. Reicht das schon? Nee, ehrlich. Ich fand es so schön zu lesen. Es bestärkt darin, sich als Paar bewusst Zeit und Raum zu nehmen. Das wird hoffentlich für uns alle bald wieder in Anbetracht der Gesamtlage leichter.
Nun fordert uns der Alltag als Mütter ja im Moment nochmal ganz besonders stark, weil durch die Corona Pandemie sämtliche verlässlichen Strukturen weggebrochen sind. Wie schaffen wir es gerade in dieser Zeit, uns auch Auszeiten im Alltag NUR für uns zu nehmen? Vielleicht erzählt ihr da mal von euch!
Also wir drei schreiben schicken uns inzwischen Nachrichten vom Klo aus, gilt das auch? Spaß! Die Mädels sagen folgendes:
Judith: Etwas, was ich mir regelmäßig ‚gönne‘, ist ganz viel Schlaf. Das hört sich komisch an, aber es gibt mir ein ganzes Stück Lebensqualität zurück, das gerade an anderer Stelle fehlt. Es hört sich vielleicht lustig an, aber ich lege mich manchmal zur selben Uhrzeit wie meine Töchter ins Bett. Dann lese ich noch etwas, trinke einen Tee- und lasse alles liegen, was eigentlich noch ‚abgearbeitet‘ werden müsste. Sind meine Schlafreserven aufgefüllt, starte ich ganz anders in den nächsten Tag. Ich fühle mich ausgeschlafen und habe wieder mehr Energie.
Kerstin: Meine Kinder schlafen mittlerweile relativ lange, bevor sie sich ans Homeschooling setzen. Vor 8.30/9.00 Uhr ist hier Ruhe im Karton. Ich stelle mir trotzdem morgens meinen Wecker auf 6.15 Uhr, mache anstatt Schulbrote einen Kaffee und gehe mit einem Buch wieder ins Bett. Das ist im Moment meine „Me Time“, die ich absolut genieße. Wenn ich durch den Wald laufe, gibt es immer flotte Musik auf die Ohren. Auch das ist eine Auszeit, bei der ich mich entspannen kann. Ist der Tag besonders anstrengend gewesen, belohne ich mich mit einer Zeitschrift, die ich abends auf dem Sofa noch durchblättere. Auch wenn ich zu müde für die Artikel bin, schöne Fotos anschauen und sich woandershin träumen geht immer.
Doro: Vor einem Jahr hätte ich über diese Aussage vielleicht gelacht, jetzt sage ich: Die Dusche am Morgen ist eine kleine Auszeit. Kinder frühstücken, ziehen sich an, spielen. Die kurze Spielzeit nutze ich für einen Moment für mich und atme durch. Am Wochenende gehe ich laufen und höre dabei laut Musik, das tut mir gut. Und abends versuche ich mich runterzufahren, indem ich früher das Handy ausmache und zumindest noch drei Seiten lese – aber irgendwas Leichtes, weil ich sonst nicht weiß, was da stand. Es sind die kleinen Momente, die ich jetzt nutze.
Was möchtet ihr Müttern zu guter Letzt noch dringend Ermutigendes mit auf den Weg geben?
Dieses Jahr Pandemie hat uns – inmitten der ganzen Sch**** – gezeigt, wie wertvoll wir Mütter sind. Leider hat es das auf eine Art und Weise getan, die viele von uns weit über unsere emotionalen und körperlichen Grenzen gebracht hat. Wenn ich den ganzen Mist, die Gefühle und Verzweiflung, die die Pandemie mit sich gebracht hat, einmal beiseite schiebe, sehe ich etwas, was mich sehr berührt: Ich erlebe eine Kraft, die von uns ausgeht, die irre ist. Ich finde uns richtig stark.
Nun sind wir schon verdammt weit gegangen. Lasst uns das klitzekleine positive Licht am Tunnel (irgendwann muss der Wahnsinn ja ein Ende haben) fixieren und genau dahin gucken. Nach vorne! Bitte glaube an dich. Und auch wenn das nun wie aus einem Groschenroman klingt, meine ich das so: du bist liebenswert, wertvoll und absolut einzigartig! Bitte sei dir ab und an selbst deine beste Freundin und nimm dich auch mal selbst in den Arm. Denn das hast du verdient!