Bei Thorsten läuft alles bombig, er ist charmant, kommt gut an, arbeitet „in den Medien“, geht auf Aftershowpartys, feiert gern und viel…. Schließlich lernt er auch noch die Frau fürs Leben kennen – auf dem Weg zum Oktoberfest. Eine Liebesgeschichte wie aus dem Buche:
Er sieht sie im Zug auf dem Weg nach München. Verliert sie aus den Augen. Plötzlich steht sie in einem der Festzelte wieder genau vor ihm. Und bereits an diesem Abend legen sie fest, wie sie ihre Tochter später einmal nennen wollen.
„Wir wollen doch einfach nur ein Baby!“
Doch der Weg dahin wird steiniger als sie sich das je hätten vorstellen können. Seine Freundin wird einfach nicht schwanger. Sie gehen am Ende sogar zu Wahrsagern und Kräuterhexen, sie haben Sex nach Termin, kein Arzt findet eine biologische Ursache.
Am Ende versuchen sie es mit künstlicher Befruchtung, er muss in den „Entnahmeraum“ mit Pornozeitschriften – macht erstmal Fotos davon, um sie seinen Freunden zu schicken, weil er nicht glauben kann, dass das wirklich so aussieht mit einlaminierten Bildchen zum Abwischen… puh.
Kinderwunschklinik: Bangen und Hoffen
Sieben Versuche scheitern (dargestellt in den sieben nicht ausgefüllten Herzchen auf dem Cover des Buches). Immer die Hoffnung, dann die Enttäuschung. Einmal wird seine Freundin tatsächlich schwanger (dargestellt in dem ausgefüllten Herzchen auf dem Cover). An Weihnachten wollen sie die frohe Botschaft verkünden. Doch beim Ultraschall in der zehnten Woche sieht die Ärztin plötzlich keinen Herzschlag mehr. Die beiden brechen zusammen. Es ist der Tiefpunkt ihrer Kinderwunsch-Geschichte.
Sie gehen unterschiedlich mit dem Schmerz um, das Baby muss unter Vollnarkose „ausgeschabt“ werden. Danach scheitert die Beziehung fast. Seine Freundin macht sich auf den Jakobsweg auf, um sich klarzuwerden, ob sie diese kinderlose Beziehung noch will. Er bleibt zu Hause und hört kaum was von ihr, macht sich verrückt.
Unerfüllter Kinderwunsch: Eine harte Probe für die Beziehung
Doch nach der Rückkehr entscheidet sie sich für ihn. Sie nehmen Abschied von ihrem Wunsch nach einem leiblichen Kind. Feiern. Reisen. Melden sich bei einer Adoptionsstelle. Müssen ein Wochenende mit anderen Adoptionsanwärtern in einer Jugendherberge verbringen. Warten zwei Jahre.
Wollen sich einen Hundewelpen anschaffen, ein Zwergdackelbaby, sie haben schon zugesagt. Doch dann verändert ein Anruf ihr Leben für immer. Ein Baby ist geboren. Ein Mädchen. Ob sie es kennenlernen wollen?
Thorsten bricht weinend auf der Arbeit zusammen. Natürlich wollen sie es sehen! Im Krankenhaus dann Liebe auf den ersten Blick. Die beiden haben 24 Stunden Zeit, Eltern zu werden, sich um Ausstattung zu kümmern, stehen vor Drogerieregalen und wissen überhaupt nicht, was sie jetzt kaufen sollen, was man für ein Baby braucht.
Das große Glück durch Adoption: Endlich Eltern!
Am nächsten Tag sind sie Eltern und nehmen eine kleine Babytochter mit nach Hause. Sie bekommt den Namen, den die beiden Jahre zuvor auf dem Oktoberfest bereits festgelegt hatten. Sie sagen beim Hundezüchter ab. Sie informieren ihre Eltern und den Freundeskreis. Niemand kann es glauben. Es ist: das ganz große Glück durch Adoption. Bis heute!
Thorsten hat nun ein Buch über ihre Geschichte geschrieben: Der neunte Storch. Meine Reise vom unerfüllten Kinderwunsch zum großen Glück durch Adoption. Er hat es im Eigenverlag rausgebracht, weil die Verlage nicht an das Thema glaubten. Ein Mann mit Kinderwunsch? Wen sollte das interessieren? UNS zum Beispiel. Weil wir finden, dass wir viel zu wenig auch über die männliche Sicht auf die Familien-Dinge hören, auf Emotionales. Darum haben wir ihn zum Interview gebeten.
Thorsten, eure Geschichte auf dem Weg zum eigenen Kind liest sich fast wie eine Soap Opera – musst du dich selbst manchmal kneifen, weil du nicht glauben kannst, was euch da alles passiert ist?
Im Nachhinein relativiert sich natürlich alles ein wenig. Die Zeit heilt auch hier Wunden – zumindest die oberflächlichen. Die inneren Wunden vernarben nach und nach, das Schreiben über die Vorkommnisse hat geholfen, aber auch der enorme Zuspruch im Umfeld nach der Veröffentlichung.
Der Wunsch alles aufzuschreiben und in einem Buch festzuhalten kam mir bereits vor geraumer Zeit – und zwar noch bevor uns der neunte Storch dann doch noch wie aus dem Nichts mit einem Kind segnete. Wir haben über die Jahre eine enorm große Menge an unterschiedlichen Erfahrungen gemacht, mit einer Menge an Haupt- und Nebengeschichten sowie unterschiedlichen Sichtweisen auf das Thema, wirklich fast wie in einer Soap. Skurrile Situationen, Trauer, Freude, Beziehung, Freunde und vieles mehr. Nur leidenschaftliche Erotik war nicht dabei 😉
Was waren die skurrilsten Situationen auf dem Weg zu eurem Kind?
Bei diesem Thema kommt es zwangsläufig zu skurrilen Situationen, das lässt sich ja gar nicht vermeiden. Die einzige Lösung für uns lautete hier: Nehmt´s mit Humor!
Es beginnt mit der Recherche im Internet, wo man bereits auf hunderte, gar tausende Einträge zum Thema „Kinderwunsch“ stößt. Jeder Artikel wurde von einem noch größeren Fachmann geschrieben. Die meisten haben jedoch einzig und allein das Ziel, mit dem Leid anderer Menschen Profit zu machen. Leider gerieten auch wir recht schnell in den Strudel der Ausweglosigkeit, so dass man so einiges versuchte, um sein Problem zu lösen.
Es begann mit überteuerten Vitaminpillen, ging über Wahrsagerinnen und endete im Entnahmeraum. Aber der größte Albtraum war ein Buch, welches mir meine Frau eines Tages auf den Tisch legte: Ein Buch über eine „Massage für die Fruchtbarkeit“. Unfassbar. Jemand wollte uns weismachen, dass eine bestimmte Massagetechnik (am Rücken oder Bauch! 😊) die Empfängnis steigern konnte. Ohne Worte…
Wie war das für dich als Mann, dass es mit dem Schwanger werden einfach nicht klappen wollte?
Ehrlich gesagt habe ich mir nie Gedanken darüber gemacht, ob ich jetzt ein Mann oder eine Frau bin, die mit diesem Problem zu kämpfen hatte. Es gab keine biologische Ursache und somit war es unser gemeinsames Problem. Glücklicherweise verspüre ich nicht diesen „Jäger und Sammler-Drang“ und sah das Problem auch nicht als Schwäche eines Mannes an, sondern als eine Sache, die uns als Menschen traurig und ratlos zurückließ. Das Geschlecht tat hier nichts zur Sache.
Was hat die Kinderwunschphase mit eurer Beziehung gemacht?
Oft zollten uns die Leute Respekt, dass wir immer noch zusammen waren. Denn so viele Beziehungen wären am unerfüllten Kinderwunsch gescheitert, erzählten sie. Wenngleich es – wie oben im Einstiegstext erwähnt – eben auch eine Phase von ungefähr zwei Wochen gab, wo meine Frau die Beziehung hinterfragte und zur Entscheidungsfindung auf den Jakobsweg ging.
Am Ende hat uns das Thema aber eher noch enger zusammengeschweißt. Es gab und gibt in einer solchen Situation keinen wichtigeren Menschen als seinen Partner oder seine Partnerin. Man ist zusammen am Boden zerstört und dann wieder himmelhochjauchzend. Das hat uns verbunden.
Ihr seid mit der Trauer unterschiedlich umgegangen – wie war es mit der Freude, als ihr durch die Adoption endlich eure Tochter im Arm halten durftet?
Nach den tiefsten Tiefen der Vergangenheit kam es drei Jahre später – wir hatten das Thema „unerfüllter Kinderwunsch“ und die damit verbundenen dunklen Wolken gerade beiseitegeschoben – an Tag X zu dem großen Moment, als das Jugendamt anrief.
Meine Frau überlegte kurz, ob sie denn überhaupt noch ein Kind haben wolle, denn wir waren doch eigentlich gerade zum ersten Mal seit Jahren wieder glücklich. Nachdem wir unser Mädchen jedoch im Arm halten durften, brachen alle Dämme. Das größte Glücksgefühl, das wir jemals erleben durften. Bei meiner Frau und mir. Bis heute.
Ab welchem Moment war es EUER Kind?
Wir sagen es immer und immer wieder: Wir hätten sie selbst nicht besser „machen“ können. Unsere Tochter ist ein absolutes Traumkind, so dass es gefühlt vom ersten Moment an UNSER Kind war. Plötzlich lag sie da neben unserem Bett im Beistellbett. Dort, wo nicht einmal 48 Stunden vorher noch der Stuhl mit den hingeworfenen Klamotten stand. Und es fühlte sich normal und richtig an.
Aber durch die verschiedenen, formalen Prozesse (die übrigens alle komplett nachvollziehbar sind) mussten wir über ein Jahr lang warten, bis die Adoption auch formal abgeschlossen war und sie unseren Nachnamen annahm, spätestens da waren wir eine richtige Familie ohne Wenn und Aber.
Eure Tochter wird jetzt drei. Hört ihr auch Sprüche, wem die Kleine ähnlichsieht? Wie reagiert ihr darauf?
Diese Sprüche hörten wir von Anfang an. Von der freundlichen Oma, die sich über den Kinderwagen beugte, bis zu Bekannten, die wir zufällig auf der Straße treffen. Vermutlich liegt es aber tatsächlich neben einer künstlichen Freundlichkeit daran, dass sie vor Allem meiner Frau verdammt ähnlichsieht. Man sagt ja auch, dass Babys eine gewisse Mimik von ihren Eltern annehmen. Vielleicht liegt es aber auch nur an den blauen Augen und den blonden Haaren von Tochter und meiner Frau😊
Was unterscheidet euer Leben mit Adoptivkind von einem Leben mit leiblichem Kind?
Am Anfang war es ganz klar die Unsicherheit, ob die leiblichen Eltern das Kind zurückhaben möchten. Erst vor dem Notar – frühestens acht Wochen nach der Geburt kann eine Adoptionsabgabe notariell vollzogen werden – wurde sie auch formal zur Adoption freigegeben.
Danach hatte unsere Tochter einen Vormund von der Stadt. Glücklicherweise eine großartige Frau, die alle Entscheidungen traf und die uns unsere Elternzeit im Ausland ermöglichte, wo wir als Familie zusammenwuchsen. Zuletzt der andere Nachname bis zur formalen Adoption vor dem Familiengericht ein Jahr später.
Jetzt liegen die Herausforderungen darin, unserer Tochter so früh wie möglich zu erklären, dass sie nicht bei „Mama“ im Bauch war und sie somit eine etwas andere Geschichte hat, als es andere Kinder haben. So viel wie nötig, aber ohne sie damit zu überfordern. Später werden wir sie dabei unterstützen ihre eigene, ganz persönliche Geschichte aufzuarbeiten. Bedingungslos und ohne Einschränkungen unserseits.
Wie geht es euch heute als Familie?
Es klingt vielleicht ausgelutscht, aber es stimmt wirklich: Wir freuen uns jeden Tag über unser kleines, großes Glück. Wirklich jeden. Dieses kleine, unser Mädchen, aufwachsen zu sehen ist das Beste, was uns passieren konnte. Das Thema „Adoption“ gerät immer mehr in den Hintergrund.
Was möchtest du Kinderwunsch-Familien Mutmachendes mit auf den Weg geben – die sich vielleicht grad noch im Tal befinden…
Wir waren zu Gast in den tiefsten Tälern, jetzt sind wir auf den höchsten Höhen. Ich habe die enorme Leidenszeit jedoch nicht vergessen. Schon früh war mir klar, dass ich all diejenigen unterstützen will, denen es ähnlich geht – auch, um das Thema „Unerfüllter Kinderwunsch“ gesellschaftsfähiger zu machen.
Die Betroffenen müssen merken, dass sie nicht alleine sind! Niemand darüber spricht, vermutlich weil es eine „Schwäche“ zeigt. Deswegen wollte ich Farbe bekennen und Gesicht zeigen. Schaut her, uns ging das ganz genauso. Darum auch das Buch. Denn es betrifft nicht nur Herrn und Frau Mustermann aus Musterstadt, sondern Deine besten Freunde, Deine Nachbarn und vielleicht sogar Dich selbst.
Wer mehr zu Buch und Autor erfahren möchte… bei Instagram: https://www.instagram.com/derneuntestorch/ und bei Facebook: https://www.facebook.com/derneuntestorch/ Und wenn ihr die Stimme des Autoren hören mögt, klickt euch gern mal in den Podcast mit ihm von den Kollegen von Ich bin dein Vater.
5 comments
Schade, dass dieser tolle Beitrag nicht mehr abrufbar ist. Er hat mich immer daran erinnert, wie unglaublich toll es ist, Kinder zu haben. Zwischen Schulstress, Ess-ich-nicht-Genörgel, Kinderkonto eröffnen, offenen Knien etc. kann das schnell aus dem Blick geraten, welch großes Glück und Geschenk Kinder sind. Nicht mit Geld zu bezahlen.
Alex
Die Links zu Instagram und Facebook funktionieren nicht mehr, da die Accounts nicht mehr existieren. Schade.
Wow! Es ist so schön, euch 3 so glücklich zu sehen. <3 Es gibt so viele ähnliche Geschichten und leider bleiben viele davon "unerzählt". Ohne das Buch gelesen zu haben, schätze ich, dass es vielen Paaren unheimlich viel Mut machen kann. Toll! Toll! Toll!
Danke für das Teilen eurer Geschichte mit all ihren Höhen und Tiefen. Ich freue mich sehr für euch drei, dass ihr euch „gefunden“ habt. Das ist ein großes Glück.
Als ich nicht mehr daran geglaubt habe, schwanger werden zu können, ist es passiert und mein Sohn kündigte sich an…
Viele liebe Grüße
Eva
Danke <3
Alles Liebe für euch mit eurem Wunder-Wunsch-Kind!
Wir genießen unser Wunder-Wunsch-Kind auch jeden Tag.
Mit der magischen Altersgrenze von 40 verschwindet nun die Hoffnung auf ein zweites Wunder, der Artikel hat mich daran erinnert mit dem glücklich zu sein was man hat.
Vielen Dank dafür