Ihr Lieben, auch hier in unserem Blog haben wir uns in letzter Zeit häufiger mal an „die Politik“ gewandt – weil wir uns als Eltern nicht so gesehen fühlten, wie wir uns das gewünscht hätten oder weil wir Maßnahmen für gut oder weniger gut hielten.
Was Politiker und Politikerinnen in Zeiten von Social Media aushalten müssen, ist schon enorm. Was wir dabei viel zu oft vergessen: Sie sind auch nur Menschen. Solche, die sich entschieden haben, sich für uns und uner Land einzusetzen. Und eben auch Leute, die ein Privatleben haben – mit Hobbys und Leidenschaften.
Spiegel-Journalist Marc Hujer hat einige von ihnen – vor Corona – für sein Buch AUCH NUR EIN MENSCH: Politiker und ihre Leidenschaften – und was sie uns über sie verraten begleitet und echt gute Anekdoten mitgebracht.
Lieber Herr Hujer, Politiker und Politikerinnen sind auch nur Menschen, das besagt bereits ihr Buchtitel. Aber wie zeigte sich das vor allem während Ihrer Arbeit am Buch?
Ich habe Politiker jenseits ihres politischen Alltags begleitet, in Situationen also, in denen sie nicht Profis sind, und da passiert schon mal die ein oder andere kleine Panne, mit der sie zurechtkommen müssen: Julia Klöckner kippt mit ihrer Vespa um, mit Anton Hofreiter gerate ich in einen Stau, Christian Lindner wird auf der Autobahn überholt.
Was hat Sie veranlasst, auch mal hinter die Kulissen der PolitkerInnen zu schauen? Was war die Idee dahinter?
Normalerweise erleben wir Politiker auf Parteitagen, bei Wahlkampfreden, im Deutschen Bundestag, in Situationen also, die sie schon tausendmal erlebt und einstudiert haben. Da sind sie dann in gewisser Weise wie Schauspieler, die nicht nur eine bestimmte Rolle spielen, sondern auch einen bestimmten Sprechtext haben, an den sie sich halten können.
Ich habe nun versucht, Politiker anders zu erleben, ihnen bei ihren Hobbies oder Leidenschaften jenseits der Politik oder wie man das sonst nennen will, zuzusehen. Ich glaube, dass man ihnen so ein Stück näher kommt, gerade weil sie dann meist sehr bemüht sind, sich besonders gut darzustellen.
Wunderschön ist ja Ihre Beobachtungsgabe und Ihr Blick fürs Detail. So entstehen Gespräche, z.B. mit Christian Wulff, die Erinnerung bleiben. Ich zitiere: „Schröder war der, der am Gitter des Kanzleramts gerüttelt hat“, sagt Wulff, „ich war der, der nach den Öffnungszeiten gefragt hätte.“ Ein exemplarisches Beispiel, wie sich Charaktereigenschaften auch in der Politik widerspiegeln. Müssen wir die Personen erstmal in Gänze begreifen, bevor wir ihre Politik verstehen und bewerten können?
Ich glaube jedenfalls, dass es hilft. Es ist doch so, dass viele Menschen gar nicht mehr bereit sind, sich andere Meinungen anzuhören, schon gar nicht von Politikern, die sie angeblich sowieso nicht leiden können. Es muss sich wieder mehr zugehört werden und dazu gehört auch, dass man sich zunächst einmal auf eine Politikerin oder einen Politiker einlässt, statt sie oder ihn zu verteufeln. Dann kann man sich seine Meinung bilden.
Nun sind wir ein Magazin für Eltern, es viel auch um Vereinbarkeit und darum wie politisch das Private ist. Welche Meinung haben Sie dazu – und hat sich diese Meinung nach all Ihren Begegnungen verändert?
Politiker vertreten nicht nur bestimmte politische Meinungen, sie sind auch Vorbilder. In diesem Sinne spielt es natürlich auch eine Rolle wie sie in ihrem Leben mit bestimmten Fragen umgehen, dazu gehört meines Erachtens auch, dass es ein Leben jenseits der Politik geben muss. In meinem Buch geht es zwar nicht um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Anhand der Art und Weise aber, wie die von mir porträtierten Politikerinnen oder Politiker ihr Leben jenseits der Politik vorgeführt haben, bekommt man schon eine Ahnung davon, wieviel da tatsächlich dran ist oder ob alles nur eine Show ist.
Was meinen Sie – haben sich die ProtagonistInnen bei Ihren Besuchen für Ihr Buch wirklich ehrlich gezeigt oder war auch Ihre Begleitung bei vermeintlich Privatem das eher ein Teil ihrer öffentlichen Aufgabe?
Politiker sind natürlich Profis der Öffentlichkeitsarbeit, sie stehen unter Dauerbeobachtung und natürlich ist sich jede der von mir porträtierten Personen bewusst, dass sie etwas vorführen und natürlich bemüht, sich in bestem Licht darzustellen. Aber genau das macht ja den Reiz aus: das Bemühen zu beobachten, sich ins rechte Licht zu rücken. Das fängt ja schon bei der Auswahl an: Beim Pralinen selber machen? Auf der Vespa? Oder auf der Großwildjagd? Ich finde, schon allein das sagt viel über eine Person aus, eben gerade weil sie sich da bewusst zu inszenieren versucht.
Welche Person und welche Situation haben Sie bei der Begleitung der politischen Akteure am meisten überrascht?
Eindeutig Anton Hofreiter, weil ich geglaubt hatte, er sei ein zwar sympathischer, aber verschrobener Nerd, der ein bisschen lebensfremd ist. Dann habe ich ihn erlebt als dem Leben äußerst zugewandt. Auf einer gemeinsamen Bergwanderung wollte er nicht wandern, sondern nur essen. Wir haben praktisch jedes Gasthaus, das auf dem Weg lag, besucht, eines sogar zweimal, auf dem Hin- und auf dem Rückweg.
Wir alle haben ein Bild von DEM Herrn Söder, von DER Julia Klöckner, Frau Wagenknecht oder Herrn Lindner. Auch Sie haben ja ein solches. Stimmt es bei den meisten mit dem überein, was sie in der Freizeit mit ihnen erlebt haben?
Ich versuche mich in meinen Porträts so weit wie möglich zurückzuhalten mit einem Urteil. Ich beschreibe zum Beispiel wie mich Christian Lindner in seinem Porsche mit auf die Autobahn nimmt, ob das nun einem bestimmten Bild von ihm entspricht, soll jeder selber entscheiden.
Ist er der Yuppie, ein Karrierist ohne echte Leidenschaften, den sicher viele in ihm sehen? Oder ist er ein Mann, der für seine Überzeugungen steht, weil er ein Hobby vorführt, das viele Menschen wahrscheinlich nicht so sympathisch finden wie Pralinen selber machen?
Und was Markus Söder betrifft: In meinem Porträt geht es weniger um die Frage, ob Markus Söder ein harter Hund ist oder nicht. Es beschreibt viel mehr, wie gerne er ein harter Hund sein will. Und da kann man das ein oder andere Mal über ihn lachen. Ob man ihn deshalb aber sympathisch finden mag, muss jeder selber entscheiden.
Was uns als Journalistinnen natürlich interessiert: Wie haben Sie die AkteurInnen überzeugen könne, bei ihrem Projekt mitzumachen?
Ich habe Ihnen gesagt, dass es eine Chance sein könnte, dass Menschen, die ihnen gewöhnlich nicht zuhören würden, weil sie in der falschen Partei sind oder die falsche Meinung vertreten, ihnen vielleicht einen Moment ihre Aufmerksamkeit schenken.
Mit wem würden Sie sich – fern der politischen und journalistischen Bühne – auch privat mal auf ein Getränk treffen und warum?
Mit Christian Wulff. Er ist ein feiner Mensch.
Und zu guter Letzt: Was war krasser – Jagen mit Philipp Amthor oder Autofahren mit Christian Lindner?
Eindeutig Jagen mit Philipp Amthor. Christian Lindner fährt mit seinem Porsche nämlich gar nicht so schnell.