In kleinen Schritten zurück zur Normalität – aber was ist Normalität jetzt eigentlich?

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Ich wollte tapfer sein und den Kindern so Sicherheit vermitteln. Aber dann, um fünf nach neun Uhr morgens, brach ich auf dem Kitaflur in Tränen aus.

Gestern durften meine beiden Kleinen das erste Mal seit 9 Wochen wieder in die Kita – weil mein Großer ein Vorschulkind und somit für die erweiterte Notbetreuung berechtigt ist. Die Kleine darf mit, weil sie ein Geschwisterkind eines Vorschulkindes ist. Die Entscheidung, dass beide nun an vier Tagen die Woche für vier Stunden in die Kita gehen, fiel erst vor zwei Tagen. Als ich es den Kindern sagte, brachen sie in lauten Jubel aus. Endlich wieder Kita, endlich wieder Freunde, endlich wieder Toben.

In einem langen Gespräch habe ich versucht, beiden klar zu machen, dass der Kitaalltag anders sein wird als sie es kennen. Sie nickten zwar brav, als ich fragte, ob sie es verstanden hätten, aber wer weiß schon, was davon wirklich ankommt…

Als ich dann die Kleine in die Gruppe brachte, lief mir eine Erzieherin, die ich wirklich sehr mag, über den Weg. Und sofort brachen die Dämme. Ich heulte richtig los. Emotionale Überforderung.

Ich heulte, weil eine Last von meinen Schultern abfiel. Neun Wochen lang haben wir Eltern funktioniert, drei Kinder betreut, nebenbei gearbeitet. Nie eine Sekunde Luft, immer unter Strom, immer gefordert. Ja, ich fühlte eine Welle der Erleichterung, dass ich nun nicht mehr alles alleine schaffen muss, sondern auch mal abgeben kann.

Ich heulte, weil ich bemerkte, wie sehr ich den Alltag vermisst hatte. Den Plausch auf dem Kitaflur, die anderen Eltern, die Erzieher.

Ich heulte, weil es mir im Herzen weh tat zu sehen, dass natürlich auch die Erzieher verunsichert und erschöpft sind. Viele von ihnen haben selbst Kinder, deren Betreuung momentan auch nicht ideal ist.

Ich heulte, weil die Erzieher meine Kinder so liebevoll empfangen haben und deutlich machten, wie sehr sie sie vermisst haben.

Ich heulte, weil alles so anders war in dieser tollen Kita. Der Garten ist mit roten Flatterbändern unterteilt, die Erzieher tragen teilweise Mundschutz, die Kinder können nicht mit ihren Freunden aus anderen Gruppe spielen, es gibt provisorisch neue Aus-und Eingänge. Eltern sollen sich möglichst wenig begegnen.

Ich heulte, weil ich nicht weiß, ob es richtig ist, dass die Kinder nun wieder stundenweise in die Kita gehen. Trage ich dazu bei, dass die Wahrscheinlichkeit für eine zweite Welle größer wird? Und wie wirkt sich das alles auf die Seele unserer Kinder aus? Meine Kleinste ist so an Abstand-halten gewöhnt, dass sie heute morgen gar nicht wusste, an was oder wen sie nah ran darf.

Ich heulte, weil einfach nicht abzusehen ist, wann sich das alles wieder ändert. Wann körperliche Nähe wieder normal ist. Wie lange wir mit dieser neuen Normalität leben müssen.

Ich weinte aus Wut, weil ich das alles nicht mehr will – und doch ganz genau weiß, dass es ganz egal ist, was ich will.

Ich war wirklich emotional aufgeladen.

Ein paar Stunden später holte ich die Kids wieder ab, mit Herzklopfen. Beide hüpften mir fröhlich entgegen, sagten, der Tag sei super gewesen und wie schön es einfach sei, mal wieder andere Kinder zu sehen. Mein Großer erzählte mir, welche neuen Regeln gelten und dass es gar nicht so schwer sei, diese einzuhalten. Die Kleine grinste und sang die ganze Autofahrt.

Wie toll sind bitte Kinder? Sie hadern viel weniger, machen sich viel weniger unnötige Gedanken, nehmen Neues viel schneller an – ohne immer dem Alten hinterher zutrauern. Wahrscheinlich sind sie viel stärker als wir denken. Wahrscheinlich kommen sie besser durch diese Zeit als wir befürchten.

Als wir zu Hause saßen und Erdbeeren naschten, hatte ich das erste Mal seit Wochen ein tiefes Hoffnungsgefühl. Vielleicht haben wir das Blödste hinter uns. Vielleicht wird jetzt alles wieder leichter und unbeschwerter. Wäre das nicht wunderbar?

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14 comments

  1. Danke für deinen Artikel. Ich kann das so gut nachvollziehen, wir warten sehnsüchtig auf den Tag. Die Nerven liegen blank. Leider bekommt Hessen gar nichts auf die Reihe-gefühlt. Hier gibt es Ideen, dass ab 2.6. ein eingeschränkter Regelbetrieb stattfinden kann. Was das heißt? Keine Ahnung. Wir hoffen sehr, dass unser Vorschulkind dabei ist, und wann auch nur 2-3 Tage. Das würde uns und ihr schon guttun. Viel wichtiger wäre aber, dass unsere kleine endlich wieder zur Tagesmutter kann, die die schmerzlich vermisst. Warum die nicht öffnen dürfen, wo hier nur 4 Kinder sind und die Infektionsketten nachvollziehbar, erschließt sich mir nicht 🙁 Wir hoffen also weiter!
    Hauptsache Hessen erlaubt Veranstaltungen bis 100 Personen. Familien und Kinder sind im Moment leider in der Priorität ganz unten.

  2. Wir haben heute die Zusage für die Notbetreuung nach Pfingsten bekommen, da geht unsere Maus (fast 4) dann wieder in ihren Kindergarten. Sie sagt: „Dann springe ich der T. (ihre Bezugserzieherin) in die Arme, weil ich mich so freue, sie zu sehen!“
    Ob das so möglich sein wird?
    Ich kann schon garantieren, dass mir dann auch die Tränen laufen!
    Danke für den tollen Artikel! 🙂

  3. Mein Großer „darf“ als Vorschulkind ab Dienstag einmal die Woche für eine Stunde in den Kindergarten. Die Vorschulkinder werden in zwei Gruppen geteilt, sollen mit Abstand voneinander eine Stunde Vorschulübungen machen und dann wieder gehen. Angeblich wäre mehr wegen der strengen Auflagen hier in Niedersachsen nicht möglich. Wer bitte denkt sich sowas aus? Das ist doch weder kindgerecht noch infektionsbedingt sinnvoll. Wir werden wegen einer Stunde die Ansteckungsgefahr nicht riskieren, obwohl meine Kinder sehr unter der Isolation leiden. Von Entlastung gestresster Eltern will ich gar nicht anfangen….

  4. Zwei unsere Kinder gehen fast von Beginn an in die Notfallbetreuung weil es nicht anders ging und freuen sich auch auf die Tage. Die Große wird jetzt auch mal gehen müssen, auch sie freut darauf. Mit dem neuen Kindergartenjahr steht eigentlich der Wechsel der Kleinsten von der Tagesmutter in den Kindergarten an, eigentlich… Ich kann diese Zerrissenheit so gut verstehen! Ich weiß das alle in „unserem Kindergarten“ einen tollen Job machen, sich die größte Mühe und ihr Bestes geben, aber die Bedingungen sind gerade einfach beschissen sind! Keiner weiß wie es weiter geht. Da komme ich schon ins überlegen ob es nicht einfacher ist das ich meinen Job dran gebe, wir sind auf die Betreuung angewiesen, aber wir hoch ist der Preis den die Jüngste dafür zahlen muß wenn ich sie 2m vor der Tür abgeben muß und sie die 3 Treppenstufen zum Kindergarten alleine hoch gehen soll? Der große Bruder kann nicht alles richten! Eingewöhnung kann ja auch nicht wirklich statt finden…

  5. Hey, danke für deinen Artikel, der so von Herzen kommt und du hast es so toll in Worte gefasst…. Es ist wirklich schwer, aber andererseits ist es ja auch so, dass irgendwann die „Normalität“ wieder losgehen muss! Diese Geschwister Regelung ist ja spannend, hab ich noch nirgends gehört. Finde ich richtig gut. Wenn unser vorschulkind in NRW an 28.wieder gehen soll, ist hier die Trauer bei der kleinen groß…
    Alles Gute und das wird schon werden, lg Julia

  6. Ich kann Deine gemischten Gefühle der Notbetreuung gegenüber verstehen. Unsere Tochter geht seit 2 Wochen in die Notbetreuung. Wir sind in Niedersachsen. In Ihrer Gruppe sind 1-2 weitere Kinder. Sie ist mit gut 3 Jahren noch in der Krippe, weil sie im Sommer den Kindergarten wechseln soll. Die beiden anderen Kinder sind 2 von den kleineren und ich hatte Bedenken, dass es ihr zu langweilig wird. Aber sie ist immer fröhlich und sagt, der Vormittag war gut.
    Allerdings merke ich auch wie Meike, dass es nicht unbeschadet vorbei geht: Unsere Tochter war vor Corona trocken und nun ging es irgendwann mit den nassen Hosen wieder los. Dann hatten wir eine Pause und mit Beginn des Kindergartens haben wir nun wieder „Probleme“. Außerdem sagt sie Sachen wie, „wenn der Kindergarten wieder schließt“ und dass sie das nicht möchte. Ich glaube also schon, dass die Kleinen da mehr von mitbekommen und mehr zu verarbeiten haben, als wir und vor allem die Politiker sich vorstellen können.
    Ach so, bei uns müssen die Kinder an der Tür mit Mundschutz abgegeben und in Empfang genommen werden. Aber Fieber wird nicht gemessen und die Erzieherinnen tragen auch nur in diesem Zusammenhang Mundschutz.
    Ich habe mir auch Gedanken gemacht, ob man die Notbetreuung gesellschaftlich in Anspruch nehmen darf, aber wenn ich dann sehe, dass nachmittags 4 Mütter und 5 Kinder eng auf dem Spielplatz zusammen hocken, dann ist die Notbetreuung wohl das kleinere Problem…

  7. Liebe Katharina, das wäre in der Tat ganz wunderbar!
    Ich übernehme nach dem Lesen deiner Gedanken jetzt diese positive Sichtweise (zumindest für einen Augenblick) Danke dir dafür!
    Wir warten zwar noch auf diesen ersten Tag aber ich kann jedes deiner Gefühle so gut nachvollziehen…

  8. Mein Sohn ist Vorschulkind und seit 1 Woche in der Notbetreuung in BaWü. Er ist mit nur 2 weiteren Kindern im sonst leeren Kindergarten, es wird fleissig gespielt und gebastelt, ohne Abstand, Masken. Nur eben mit viel Händewaschen 🙂
    Er blüht richtig auf seit er dort wieder Freunde und seine Erzieher hat.
    Es ist sooo wichtig für die Kleinen Endlich wieder an etwas Normalität heranzukommen!

    1. Hallo Anni,
      ist dein Sohn wegen der Tatsache, dass er ein Vorschulkind ist, wieder im Kindergarten oder hat das andere Gründe? In unserem Kindergarten haben Vorschulkinder leider niedrigste Priorität und dürfen erst als letzte wieder hin.Da meine Tochter ein extrem schüchternes Kind ist und mittlerweile nicht mal mehr mit Ihrer Erzieherin reden möchte (Mama, wenn ich jemanden so lange nicht gesehen habe, muss ich einfach schüchtern (Ihre Version von schüchtern sein)) würde ich sie gerne so schnell wie möglich wieder in den Kindergarten bringen, damit sie einen geregelten Alltag mit regelmäßigem Kontakt zu weniger bekannten Menschen hat. Leider habe ich bisher keine Möglichkeit gefunden, in die Notbetreuung zu kommen und unsere Erzieherinnen sind leider alles andere als hilfsbereit. Sie scheinen sich mit ihrem aktuellen Betreuungsschlüssel (1:1) sehr wohl zu fühlen.

  9. Vielen Dank für diesen ehrlichen Bericht.
    Meine Kinder sind seit drei Wochen in der Notbetreuung. Am Anfang war ich auch so optimistisch wie du – sie werden diese blöde Zeit vergessen, es macht ihnen nicht so viel aus – mittlerweile sehe ich das anders. Was wir da diesen Kinderseelen antun, kann niemand von uns ermessen. Es ist für Menschen, speziell für Kinder, nicht normal, Abstand zu halten, sich dauernd die Hände zu waschen, nicht mit den Freunden zu spielen. Meine Fünfjährige meinte irgendwann: „Ich will auch mal wieder die Vorderseite von meinen Freundinnen sehen!“
    Ich hoffe, es wird irgendwann (bald) ein sinnvoller Weg zurück in die „alte“ Normalität gefunden, wenigstens für die Kinder, so wie es in Sachsen jetzt schon geschieht. Mir bricht es das Herz, wie zur Zeit mit den Kindern umgegangen wird.
    Herzliche Grüße aus NRW!

  10. Liebe Katharina,
    ich verstehe dich so gut! Mir gehts ganz genauso, es ist egal, was ICH will, wir müssen da durch. Mein Vorschulkind darf leider nicht in den Kindergarten, vielleicht gar nicht mehr bis zur Einschulung. Der Papa ist Risikopatient, wir sind seit über 9 Wochen nur maximal zu viert (inkl Papa), der Kleine darf natürlich auch nicht in den Kindi.Ich glaube nicht, dass sie davon einen Schaden tragen werden, aber eben Trauer. Und mich reisst es aus dem Leben, Online-Uni mit 2 Kindern zuhause? Jackpot. Masterarbeit? Verschoben. Ich verstehe, warum wir das alles tun und wir kommen gut zurecht, aber meine Gefühle sehen das anders 😉

  11. Guten Morgen, ich bin auch gespannt, wie es bei uns am Montag ist: Wir sind in Sachsen, da gehts jetzt gleich mit dem eingeschränkten Regelbetrieb los: das heißt die Kinder bleiben in ihrer gewohnten Gruppe, sie sollen nur den anderen Gruppen nicht begegnen. Im Foyer des Kindergartens wird jedes Kind einzeln in Empfang genommen, jedes bekommt Fieber gemessen. In der Grundschule bleibt auch die Klasse zusammen- dafür gibt es da jetzt Punkt 7:30 Uhr einen Treffpunkt vor dem Schulgelände, an dem die Lehrerin ihre Klasse in Empfang nimmt und mit den Kindern im vorgesehenen Zeitfenster das Haus betritt. Ich bin gespannt, wie es wird! Ich hoffe sehr, dass sich jeder an bestehende Regeln hält und dass keine neuen Kosten Infektionsketten entstehen. Sehr positiv sehe ich, dass nun ein verschärftes Verständnis für Infektionen geschaffen wurde und sich hoffentlich auch jeder erkältete Mensch weiterhin auskuriert und nicht seine Viren (welche auch immer) munter verteilt. Ich hoffe damit ehrlich, dass wir in Zukunft damit alle gesünder bleiben! Denn ganz ehrlich, die Einstellung: 12-14 Infekte im Jahr bei Kindern sind normal und ach mit dem Husten kann Ihr Kind ruhig in die Kita (so vom Kinderarzt gehört) haben meinem Sohn ein beginnendes Asthma beschert und mir gleich mit, seit ich Kinder habe!

  12. Hallo!

    Wie unterschiedlich das wieder in den einzelnen Bundesländern gehandhabt wird.
    Unser Vorschulkind darf erst ab 28.05. wieder und dann wohl max. 2x die Woche, eher 1x dafür aber auch über Mittag. Mehr kann nicht angeboten werden, da der Kindergarten mit 23 „Not“Kinder jetzt schon am rotieren sind. Schöner fände ich auch vier halbe, statt 1-2 ganze Tage.
    Auch weiß ich nicht, ob unsere Tochter mit ihren Mädels am gleichen Tag da sein wird.
    Der Bruder ihrer Freundin darf nicht eher in den Kindergarten, nur weil seine Schwester Vorschulkind ist. Er darf erst am 02.06. und dann evtl nicht mal an den gleichen Tagen wie seine Schwester. Und die Chefin von deren Mama scharrt schon mit den Hufen. Aber wenn beide nicht zusammen gehen, was nützt ihr die schrittweise Öffnung?
    Mal gucken, wie es wird und ob die Kids im Spätsommer überhaupt ihre Einschulung haben.

    Liebe Grüße

  13. Danke!! Einfach nur Danke für diese offenen Worte. Ich bin innerlich so zerrissen, ob das alles richtig ist mit der Kita.
    Bei uns steht es ab Montag an, wir sollen die Kinder an der Tür abgeben. Fieber Messen und so weiter inklusive.
    Mit wen die Kinder in welchem Gruppenraum zusammen sind, wissen wir (noch) nicht. Mit der Art der Kommunikation im Vorweg erscheint uns die Betreuung des Kindes eher ungewollt. Dazu möchte unser Kind auf gar keinen Fall in die Kita „mit Mami und Papi ist es so schöön“. Es könnte bei mir ebenso emotional werden wir von Euch beschrieben.

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