…ich habe Dich gestern im Supermarkt gesehen. Dein Baby lag im Kinderwagen, unten im Korb stapelten sich die Einkäufe. Als du die Einkäufe aufs Band legen wolltest, habe ich gemerkt, wie schwer Dir jede Bewegung fällt. Du hast so müde ausgesehen, am Liebsten hätte ich dich gepackt, auf meine Couch gelegt und Dich zugedeckt. Unsere Blicke haben sich getroffen, ich habe dich angelächelt und du hast es erwiedert. Ich glaube, Du hast gespürt, dass ich Dich verstehe.
Ich weiß, wie Du dich fühlst. Ich weiß, wie es ist, wenn man so müde ist, dass man nicht mehr klar denken kann. Wenn man morgens um halb neun im Supermarkt steht und sich wünscht, dass es abends ist. Wenn man Angst hat, dass der Tag unendlich lang werden könnte, weil das Gehirn matschig und der Körper schwer ist.
Ich weiß, dass Du nach Hause gehen wirst, Dein Baby hochheben und küssen wirst. Du bist dankbar für dieses kleine Wesen und alle Erfahrungen, die du mit und durch es machst. Aber du wusstest nicht, wie entsetzlich diese Müdigkeit sein kann.
Seit Wochen schleppst du dich abends vom Sofa ins Bett, an Ausgehen, Party machen oder nur Kino ist gar nicht zu denken. Du vermisst dein altes Leben, deine Freunde, deine Leichtigkeit. Manchmal fragst du dich, ob du je wieder komplizierte Zusammenhänge verstehen wirst – ach was, ob du je wieder einem Erwachsenen-Gespräch folgen kann.
Den ganzen Tag freust du dich auf den Abend. Schlafen, endlich schlafen. Aber abends gehst du mit muligern Gefühl ins Bett. Denn du weisst: Du wirst mehrmals die Nacht aufstehen, trösten füttern, schuckeln. Erholung sieht anders aus.
Der Schlafentzug macht mürbe. Und dünnhäutig. Tränen kullern, wo man früher höchstens die Augenbraue hochgezogen hätte. Eine unfreundliche Verkäuferin, ein motzender Nachbar – das alles geht plötzlich so nah.
Und man selbst wird auch ungnädig. Sich selbst gegenüber, dem Partner, manchmal auch dem Baby. Warum klappt manchmal alles nicht, obwohl wir unser Bestes geben?
Ich erinnere mich, dass meine Augen ständig brannten. Dass ich blass war und alle dachten, ich würde krank werden. Nein, nicht krank. Nur müde war ich.
Ich kann dich so gut verstehen, liebe müde Mama. Leider kann ich dir keine guten Tipps geben. Meine Kinder waren nie diese Wunderwesen, die mit 6 Wochen durchgeschlafen haben. Ich kann dir nur sagen, dass ich mit Dir fühle. Dass es besser wird. Nicht morgen, aber irgendwann. Und dass es sich lohnt, was du tust. Du ziehst einen kleinen Menschen auf. Was für eine Aufgabe. Du machst das sicher so viel besser als oft von dir denkst.
Heul, wenn du heulen magst. Koch dir was leckeres, zieh dir dicke Socken kann. Sei nicht so streng mit dir. Was du gerade leistest, ist der Hammer. Wir Mamas wissen das alle. Du bist nicht allein.
4 comments
Erinnerungen
Danke für diesen Artikel, er ist so wahr und spricht mir aus der Seele. Unser Kind (mittlerweile fast 3,5 Jahre alt) hat erst mit 25 Monaten langsam angefangen durchzuschlafen. Ich war so unendlich müde und habe gemerkt, wie sehr mich der Schlafmangel verändert. Er hat mich reizbar und zeitweise depressiv gemacht. Als ich wieder arbeiten gegangen bin, war unser Kind ein Jahr alt. Ich konnte mich teilweise kaum wachhalten und wusste nicht wie ich den Tag bis abends schaffen soll.
Aber die schlaflosen Nächte sind vorbei! Auch jetzt noch wird unser Kind oft einmal in der Nacht wach. Wir haben ein Familienbett und deswegen muss ich nicht extra aufstehen. So ist es für uns alle das Beste.
Gut geschrieben
Ja, das ist alles sehr wahr, wobei mir aufgefallen ist, dass ich mit der Zeit mit weniger Schlaf gut ausgekommen bin bzw nach wie vor auskomme, als würde sich der Körper überlegen, dass das so jetzt eben ausreichen muss. Ja, es wird besser oder eher anders. Mein Sohn ist fast zwei, schläft nur selten durch (dafür entspannt ein, was ich auch toll finde), dann gehe ich arbeiten und bin meist mit ihm allein. Das geht alles und ich genieße jede Minute mit ihm, schwierig ist es eher auf der Arbeit, wenn ich mehrere Nächte kaum geschlafen habe. Aber was soll’s, der kleine Kerl zeigt mir jeden Tag, dass es das wert ist.
Wie wahr
Danke für diesen schönen Text! Er ist leider so furchtbar wahr. Es ist gut, dass man vor dem ersten Kind nicht weiß was da auf einen zukommt 😉 Ich habe mich auf viele anstrengende Dinge eingestellt, aber der Schlafentzug war das Schlimmste. Mein erstes Kind hat mit ca 11 Monaten durchgeschlafen, das zweite beginnt JETZT – mit 2 Jahren – einen großen Teil der Nächte durchzuschlafen. Leider vergessen viele, dass Nicht-Durchschlafen manchmal eben nicht ausschließlich auf die Säuglingszeit begrenzt ist. Und dann steht man als Mama auch nicht todmüde 9 Uhr im Supermarkt, sondern hält sich irgendwie am Arbeitsplatz wach um dann 15 Uhr ein aktives Kind abzuholen (hatte ja Mittagsschlaf in der Krippe), bis Abends zu bespaßen und dann 20 Uhr mit ins Bett zu gehen. Da finde ich die Elternzeit noch entspannter, denn da war der Mittagsschlaf noch ein Lichtblick. Hilfe, Leben, wo bist du? Und wenn ich Mamas mit den großen Bäuchen sehe, freue ich mich mit ihnen, wenn ich Babys sehe finde ich die zuckersüß und mag sie knuddeln, aber gleichzeitig denke ich mir immer nur „Danke, dass diese Zeit vorbei ist, denn so wenig schlafen möchte ich nie nie mehr“
Aus der Papa-Perspektive…
…wunderschön geschrieben! Ich kann mich noch gut an die ersten drei Tage im Krankenhaus, nach Hugo’s Geburt, dran erinnern, wie meine Frau quasi durchgehend wach gewesen ist. Es war aus med. Gründen ein KS, die Strapazen & Schmerzen groß, das Stillen wollte nicht so richtig klappen, doch sie war rund um die Uhr für ihn da.
Ich war einerseits schon froh, dass wir mittelfristig auf das Füttern mit Fläschchen umsteigen mussten, da ich ihr so auch nachts einiges abnehmen konnte.
Ich bewundere sie & alle Mütter & habe so riesen-großen Respekt für alles, was eine Mutter leistet. Tagein, tagaus, egal wie sehr der Partner unterstützt. ❤️
LG & viel Liebe an alle Mamas vom https://www.vatersohn.blog/