Mein Name ist Heike und ich möchte Euch heute von Sascha erzählen. Unsere Geschichte beginnt an einem kalten November Abend, ich war gerade mal 19 Jahre alt und mit meinen Mädels in unserer Lieblingsdisko – wie jeden Samstag. Wir feierten ausgelassen, tanzten wild. Plötzlich bemerkte ich, dass mich ein Typ beobachtete. Er saß mit seinen Freunden am Tisch und guckte immer rüber. Er gefiel mir, aber ich war auch zu schüchtern, ihn anzusprechen.
Irgendwann kam einer seiner Freunde, zog mich an den Tisch und stellte uns einander vor. Der Typ mit dem süßen Grinsen hieß Sascha, war 23 Jahre alt. Tja, was soll ich sagen: Es war Liebe auf den ersten Blick – auf beiden Seiten! Ab diesem Abend waren wir praktisch unzertrennlich. Er wurde nicht nur mein Partner, sondern auch mein bester Freund, mein Seelenverwandter. Wir genossen die Zeit so sehr, es gab nie Streit und schon nach drei Monaten machte er mir einen romantischen Heiratsantrag. Ich sagte ja – und war überglücklich.
Kurz darauf wurde ich schwanger. Seine Familie war nicht gerade begeistert, was ich verstehen kann. Sascha studierte und ich war noch in der Ausbildung. Aber wir freuten uns, Abtreibung kam für uns nie in Frage. Wir waren uns sicher, dass wir alles zusammen schaffen können. Im Januar 2000 kam unser kleines Wunder zur Welt. Wir waren verzaubert und endlich eine Familie. Sascha war der liebevollste Papa, den man sich vorstellen kann und auch für mich ein sehr fürsorglicher und liebender Partner.
Doch als unser Sohn zwei Jahre alt war, veränderte sich Sascha. Er war seltener zu Hause, sagte, er wäre bei seinen Eltern, um dort in Ruhe zu lernen. Er wollte ja endlich sein Studium abschließen. Mir leuchtete das ein, aber irgendwie spürte ich, dass etwas faul war. Wenn er zu Hause war, schlief er viel, wirkte abwesend und war nicht mehr zugänglich. Ich wusste nicht, was mit Sascha los war, versuchte geduldig zu sein, schob es lange auf den Lernstress.
Eines Tages kam dann eine Nachbarin auf mich zu. Sie erzählte mir, dass sie Sascha gesehen hatte, wie er heimlich trank, abends und tagsüber. Ich konnte es zunächst kaum glauben, musste dann aber einsehen, dass Alkohol eine Erklärung für Saschas Verhalten sein könnte. Ich sprach ihn darauf an, er gestand sofort alles. Wir weinten und redeten und er versprach, mit dem Trinken aufzuhören. Ich glaubte ihm, damals war ich noch so naiv, dass ich glaubte, man könne einfach so mit dem Trinken aufhören….
In den nächsten Wochen stritten wir oft, Sascha war ständig gereizt und fühlte sich durch alles angegriffen. Natürlich hörte er auch nicht „einfach mal“ mit dem Trinken auf. Die Situation spitzte sich zu und da ich meinen Sohn schützen wollte, setzte ich Sascha irgendwann vor die Tür. Ich sagte ihm, er solle seine Sucht in den Griff bekommen, dann wäre ich für einen Neustart bereit.
Eine Woche hörte ich nichts von ihm, es war die Hölle für mich – doch dann rief Sascha mich unter Tränen an und sagte, er wolle zurück zu mir. Er sagte, er würde mich und den Kleinen so sehr vermissen und er wolle alles dafür tun, dass es wieder wie früher wird. Er willigte ein, einen Entzug zu machen – allerdings sagte er, er wolle nicht in eine Klinik.
Wir besprachen, dass er bei uns zu Hause entziehen sollte. Ich brachte den Kleinen am Freitagmorgen zu meinen Eltern, um das ganze Wochenende voll für Sascha da zu sein. Ich hätte nie gedacht, wie heftig dieser Entzug werden würde. Sascha hatte Schweißausbrüche, zitterte, wütete – es war einfach schrecklich.
Am Sonntag nachmittag schien es überstanden. Er war vollkommen nüchtern, zitterte nicht mehr. Wir waren beide erschöpft, lagen auf der Couch, hielten uns fest und redeten. Ich spürte, dass ich meinen Sascha wieder hatte. Er sagte, dass er angefangen hatte zu trinken, weil er mit dem Druck nicht mehr zurecht kam – Studium, die Verantwortung für uns, fianzielle Sorgen. Er sagte, durch das Trinken habe er kurz seine Sorgen vergessen – doch er hätte schnell mehr und mehr Alkohol gebraucht… .Ich hörte ihm einfach nur zu und wir waren uns sicher, dass wir diese Krise zusammen durchstehen.
Abends holte ich unseren Sohn ab. Wir aßen gemeinsam zu Abend, brachten unser Kind ins Bett, redeten weiter. Gegen Mitternacht legten wir uns schlafen. Er hielt meine Hand und sagte, wie froh er sei, mich zu haben. Gegen drei Uhr morgens weinte unser Sohn. Ich stand auf und sah, dass Sascha nicht mehr neben mir lag. Ich beruhigte unseren Sohn und ging dann ins Wohnzimmer, um nach Sascha zu schauen. Sascha lag auf der Couch und ich erkannte sofort, dass etwas nicht stimmte. Er war verkrampft und schon blau angelaufen. Ich rief sofort die Polizei, die samt Notarzt kam.
Sascha ist in dieser Nacht gestorben. Sein Herz hat plötzlich versagt.
Die nächsten Wochen und Monate war ich nicht mehr ich selbst. Ich hatte meinen kompletten Lebensmut verloren, weinte nur noch, konnte nichts mehr essen. Meine Mutter nahm den Kleinen und mich auf und kümmerte sich um alles. Ohne sie hätte ich diese Phase wohl nicht überstanden.
Eines Morgens wachte ich dann auf, weil ich mein Kind reden hörte. Ich ging zu ihm und fragte: „Mit wem sprichst du?“ Er sagte: „Na, mit Papa natürlich!“ Ich fing bitterlich zu weinen, aber mir wurde gleichzeitig auch klar, dass ich mich zurück ins Leben kämpfen musste – für unseren Sohn.
Das alles ist mittlerweile 17 Jahre her, bis heute habe ich Saschas Tod nicht komplett verarbeitet. Er fehlt mir bis heute und manchmal kommen mir noch die Tränen, wenn ich an ihn denke. Er war einfach die Liebe meines Lebens. Ich habe nie wieder so geliebt, meine späteren Partnerschaften gingen nicht gut. Saschas und mein Sohn ist heute 19 Jahre alt, er ist ein toller Kerl und ich liebe ihn und seine beiden Halbgeschwister sehr.
Ich weiß, dass es da draußen viele andere Frauen mit heftigen Schicksalen gibt. Denen möchte ich sagen: Bleibt stark, ihr seid nicht alleine. Vertraut Euch anderen Menschen an, auch Ihr braucht Unterstützung. Kaum ein Leben verläuft ohne Tiefen. Aber auch nach den tiefsten Tiefen kommen Hochs – und die machen das Leben wieder lebenswert.
Foto: Pixabay
4 comments
@Steffi + @Lucy
Liebe Steffi, so etwas nennt man Delirium tremens. Sehr gefährlich. Entzug nur unter med. Aufsicht.
Liebe Lucy, Dein Beitrag ist für mich nicht nachvollziehbar und m.E. fehl am Platze.
Vorsicht
Auch wenn es der Familie nicht mehr hilft, so doch vielleicht anderen:
Bitte niemals alleine entziehen! Es braucht dringend ärztliche bzw. medikamentöse Begleitung beim Alkoholentzug. Andernfalls droht Lebensgefahr. Ein Krampfanfall ist eine gängige Komplikation und dagegen gibt es Medikamente.
Alles Gute!
Was für eine traurige Geschichte
Es tut mir wirklich leid, dass du und dein Sohn so eine schlimme Erfahrung machen musstet…
Liebe Heike,
Liebe Heike,
Es tut mir sehr leid was du und dein Sohn durchmachen musstet. Ich weiß leider nur zu gut, wie sehr Alkoholismus eine Familie belastet. Mein Papa war über 10 Jahre alkoholkrank bevor er den Kampf gegen diese Droge und sich selbst verloren hat.
Ich wünsche dir alles Gute!