Foto: Oliver Creon
Ihr Lieben, die (erfolglose) Wohnungssuche der Grigoleits in und um Hamburg begann vor acht Jahren. Nach vielen Jahren in WGs, wollten sie im Sommer 2011 in eine eigene gemeinsame Wohnung ziehen.
Das Problem war, dass beide noch keinen Arbeitsvertrag vorweisen konnten, so dass sie bei den Wohnungsbesichtigungen ganz unten auf der „Bewerberliste“ standen. Abgesehen davon, dass die Wohnungen damals schon völlig überteuert waren.
Heute leben sie mit ihren zwei Kindern, 2014 und 2016 geboren, auf einem Hausboot. Wie es dazu kam? Wie es sich dort lebt? Und welche Herausforderungen dieses Leben auch mit sich bringt? Darüber haben sie das wunderbare Buch "Heimathafen" (Affiliate Link) geschrieben. Wir durften die sympathische Familie aber auch noch selbst dazu befragen…
Liebe Grigoleits, ihr wohnt ja so ganz anders, als andere. hat das eventuell auch mit eurem Beruf zu tun?
Ole ist gelernter Schiffsmechaniker. Einige Jahre hat er im Messebau gearbeitet. 2014 haben wir den Yachthafen Ilmenau gekauft, den er betreibt. Da wir vom Hafen aber nicht leben können, hatte er 2016 die Idee, sein Knowhow und die Möglichkeiten, die der Hafen bietet zu nutzen, um anderen Leuten zum Traum vom eigenen Hausboot zu verhelfen.
2018 war das Musterhausboot für Kaufinteressenten fertig, welches wir auch als Ferienhausboot und zum Testwohnen vermieten. Wenn man ihm eine Berufsbezeichnung geben möchte, dann „Hausbootbauer“ und nebenbei Hafenmeister.
Ich habe Journalismus studiert und einige Jahre als Fernsehredakteurin bei Studio Hamburg gearbeitet. Im vergangenen Jahr habe ich (in Zusammenarbeit mit Ole) ein Buch über unsere Geschichte geschrieben, welches im Mai erschienen ist. Seither bin ich freiberufliche Journalistin.
Wann kam euch die Idee, die Sache mit dem Wohnen mal ganz neu zu denken?
Das war eine Schnapsidee. Entstanden aus dem Frust nach den hoffnungslosen Besichtigungen. Ganz nach dem Motto „Not macht erfinderisch“. Irgendwann hat Ole mich mit der Info überrascht, dass er bei Ebay einen alten Stahlrumpf gefunden hätte und wir am nächsten Tag einen Besichtigungstermin hätten.
Was hast du, Jill, als erstes gedacht, als Ole sagte, er baue euch etwas?
Ole hat ständig verrückte Ideen. Heute, nach zehn Jahren an seiner Seite, weiß ich, dass er tatsächlich einer der wenigen Menschen ist, der seine Visionen auch meistens in die Tat umsetzt. Damals hab ich einfach nur gedacht, er spinnt. Aber mit 26 und kinderlos war ich noch etwas abenteuerlustiger und ich hatte ja nicht viel zu verlieren.
Meine Vorstellung war, dass wir monatelang auf einer Baustelle wohnen, dass es eng, kalt und nass wird. Im schlimmsten Fall hätten wir dann aber einfach nach ein paar Monaten aufgegeben und die Schute wieder verkauft. Dass Ole uns dann so schnell ein gemütliches Zuhause bauen würde, noch dazu mit so schöner Aussicht, hätte ich mir nicht erträumen können.
Ihr kamt also mehr oder weniger durch Zufall auf ein Hausboot, richtig?
Nicht nur mehr oder weniger. Alles, was in den letzten acht Jahren passiert ist, waren glückliche Zufälle. Keiner von uns beiden hat jahrelang davon geträumt, auf einem Hausboot zu wohnen, geschweige denn im eigenen Hafen. Das hätte man alles auch gar nicht so planen können.
Aus der Wohnungsnot ist die Schnapsidee mit dem Hausboot entstanden, das war innerhalb von zwei Wochen gekauft, dann hatten wir das Glück gerade einen Hafenbetreiber in Harburg zu kennen, bei dem wir das Hausboot bauen und dort wohnen durften. Das war alles zwischen August und November 2011, also Wohnungssuche, Hausbootkauf und Hausbootbau innerhalb von drei Monaten… wir hatten kein Dach über dem Kopf und es wurde Winter. Er musste also schnell gehen.
Dann haben wir nach einem neuen Liegeplatz gesucht und sind durch Zufall auf den kleinen Hafen in Winsen (Luhe) gestoßen, der zum Verkauf stand. Und weil wir dann überlegen mussten, wie wir neben dem Hafenbetrieb noch unseren Lebensunterhalt verdienen können, kam die Idee, die Hausboot Manufaktur zu gründen…eins führte zum anderen.
Und weil die Stellplätze ebenfalls sehr teuer sind, habt ihr direkt einen Hafen südlich von Hamburg?
Ja, Liegegebühren sind für ein so großes Hausboot ziemlich teuer und außerdem lagen wir in Harburg in einem eher industriellen Hafen mit Autobrücke und Blick auf einen Supermarktparkplatz. Hier haben wir Natur pur. Das wichtigste aber: Wir haben unser eigenes Reich, auch an Land.
Wir haben für den Hafen damals einen Kredit aufgenommen, so wie andere junge Paare das machen, wenn sie ein Haus kaufen. Der Unterschied ist, dass der Hafen ein Betrieb ist, der zumindest ein bisschen Umsatz macht und den Kredit so abbezahlt. Natürlich arbeitet Ole hier dafür sozusagen „umsonst“. Das zahlt sich für uns nur deshalb aus, weil wir hier ja „umsonst“ wohnen.
Wie lebt ihr da heute?
Wir führen eigentlich ein ziemlich normales Familienleben. Ole arbeitet auf dem Hof, in der Werkstatt, im Büro, alles hier im Hafen. Ich kümmere mich um die Feriengäste, Buchungen, Homepage und hoffentlich bald wieder mehr in meinem eigenen Beruf….
Die Kinder gehen in den Dorfkindergarten. Zuhause im Hafen haben sie einen Spielplatz an Land mit Spielhaus, Rutsche, Schaukeln, Wippe etc. Wir sind von März bis Oktober eigentlich nur draußen, außer es regnet in Strömen. Auf der Brücke zum Hausboot gehen sie an der Hand. Auf Booten (Natürlich nicht im Hausboot) werden Schwimmwesten getragen.
Ihr sagt, das Hausboot sei die beste Entscheidung eures Lebens gewesen. Warum genau?
Das Hausboot hat alle weiteren Entscheidungen beeinflusst bzw. uns erst zu diesem Leben gebracht. Nur wegen des Hausboots sind wir ja zu diesem Hafen gekommen und nur dadurch hat Ole die Möglichkeit, so frei und selbständig zu arbeiten mit seiner Werkstatt und dem Platz, der es ihm ermöglicht, all seine Visionen und Pläne in die Tat umzusetzen.
Die Vorstellung, in einer kleinen Wohnung in der Stadt zu wohnen und in festen Anstellungen zu arbeiten, passt überhaupt nicht mehr in unser Leben.
Inwiefern unterscheidet sich euer Leben von dem anderer Hamburger Familien?
Es ist schwierig, uns mit Hamburger Familien zu vergleichen. Da vergleicht man das Leben einer Dorffamilie mit dem einer Stadtfamilie. Im Vergleich zu den Familien hier im Dorf unterscheidet sich unser Leben nicht wirklich.
Im Vergleich zu unseren Freunden in der Stadt gibt es natürlich größere Unterschiede, einfach weil wir viel mehr mit den Kindern draußen sind und sie mit anderen Gefahren aufwachsen. Während Stadtkinder früh lernen, auf den Straßenverkehr zu achten, wachsen unsere Kinder mit der Nähe zum Wasser auf.
Hält dieses Leben denn nicht auch ein paar Herausforderungen bereit?
Es ist tatsächlich so, dass wir merken, dass wir uns langsam etwas beschränken müssen, was das Anhäufen von Materiellem angeht, einfach weil es uns an Stauraum fehlt. Allerdings geht das Familien, die in kleineren Stadtwohnungen wohnen, genau so. Immerhin haben wir 100 Quadratmeter und an Land haben wir auch Schuppen, wo wir etliches lagern. Abgesehen davon finde ich, ist es ein schöner Nebeneffekt, wenn man gezwungen ist, nicht zu viel anzuhäufen. Was die Kinder angeht, habe ich ja oben schon beschrieben, dass sie hier geboren sind und mit der Gefahr aufwachsen. So wie viele viele Kinder auf der Welt, die auf oder direkt am Wasser aufwachsen.
Wie reagieren die Freunde eurer Kinder, wenn sie zum Spielen kommen und sehen wo und wie ihr wohnt?
Bei Kindern, die das erste mal kommen, ist das schon immer erstmal spannend. Aber nicht lange. Kinder nehmen das sehr schnell als etwas völlig selbstverständliches an. Für Erwachsene, die schon viel gefestigter in ihrer Vorstellung von „Normalem“ sind, ist das eine größere Umstellung.
Welcher war der letzte wunderschöne Moment auf eurem Boot?
Nach acht Jahren verliert man manchmal den Blick dafür, was man hat. Die Feriengäste erinnern mich manchmal daran, wie schön es hier eigentlich ist. Es gibt immer mal schöne Momente, vor allem früh morgens, wenn die Sonne aufgeht und der Nebel vom Wasser aufsteigt. Die Gänse über unser Haus ziehen oder die Kinder, die Entenküken vom Küchenfenster aus füttern.
Oder wenn wir im Sommer abends am Lagerfeuer am Ufer sitzen. Der aller schönste Moment für mich war die Geburt von Morlin auf dem Hausboot im November 2016, mit dem gemütlichen Kamin und als dann ihre große Schwester Line rein gestürmt kam um sie zu begrüßen.
Alle Fotos bis auf das erste: Familie Grigoleit
1 comment
Das hört sich wirklich toll an!
In Hong Kong leben auch viele Familien auf Hausbooten. Da gibt es echt riesige Ungetüme. Mir war das irgendwie immer etwas mulmig, wenn wir bei den Freunden auf dem Hausboot waren. Vor allem der Weg zum Boot und zurück. Aber man gewöhnt sich sicher daran und die Kids sind von klein auf daran gewöhnt, dass sie auf dem Steg keinen Blödsinn machen dürfen.
Die Hausboote sind dort auch deutlich erschwinglicher als Eigentumswohnungen. Dafür braucht man aber immer mal wieder ein festes Quartier, wenn sich der nächste Taifun ankündigt. Das passiert in Hamburg sicher nicht so häufig 🙂
Liebe Grüße,
Uta