Ihr Lieben, heute stellen wir euch eine Mutter vor, die lange gespürt, dass sie etwas anderes braucht in ihrem Leben – und schließlich einfach einen Fuß hinter den anderen gesetzt hat. Ein ungewöhnlicher Weg, den vielleicht nicht jede nachvollziehen kann, der aber zeigt: Wo ein Wille ist, kann auch ein Weg sein. Bei uns erzählt Stephanie heute davon:
„Ich bin zu 100 Prozent Pfarrerin und seit fast neun Jahren alleinerziehend. Uff… sagen da manche gleich. Wie schaffst Du das? Ehrlich: ich weiß es manchmal auch nicht. Doch irgendwie gab und gibt es immer einen Weg…
Alles begann 2005. Ich saß in der Badewanne und grübelte: Was soll ich bloß studieren? Lange Jahre hatte ich auf einen Studienplatz in Medizin gewartet. Ich war als Rettungssanitäterin und – assistentin unterwegs gewesen, hatte Praktika in OPs und auf Intensivstationen absolviert. Doch irgendwie spürte ich: Ich will mehr als nur Medikamente verabreichen.
Mein neuer Weg: Theologie
Der Glaube war für mich ein wichtiger Teil meines Lebens. Plötzlich, zwischen Badeschaum und Handtuch fiel mir folgender Spruch ein: „Werde das, wobei es in dir hell wird“. Hm. Was hatte das zu bedeuten?
Sollte es mein Weg sein, doch Theologie zu studieren? Den Gedanken hatte ich doch eigentlich schon lange verworfen… Ich begann, mich zu informieren. Und entschied: Das probiere ich jetzt einfach mal!
Ein Kind ohne abgeschlossene Berufsausbildung
Und dann ging es los. Sprachen lernen, Seminare und Vorlesungen besuchen und zwischendrin: Ich. Mit meinem damaligen Freund und 2008 der größten Überraschung von allen: Ich war schwanger.
Mir ist das Herz schon in die Hose gerutscht, das kann ich nicht verhehlen. Schwanger, ohne abgeschlossene Berufsausbildung oder Studium – würde ich das packen? Irgendwie spürte ich dennoch: ich kriege das hin.
Drei Wochen nach der Geburt meines ersten Kindes saß ich in der Zwischenprüfung. Meine Schwestern trugen den Kleinen derweil im Tragetuch durch Heidelberg. Läuft doch! Dachte ich.
Doppelbelastung zwischen Kind, Studium und Beziehung
Doch die Doppelbelastung zwischen Kind, Studium und Beziehung hinterließ schnell Spuren. Mittlerweile war ich verheiratet, doch unsere Vorstellungen von gutem Familienleben gingen zunehmend auseinander.
2010 war ich wieder schwanger. Was mit einem Kind funktioniert, wird auch mit zweien gehen. Oder? Doch während der ersten Monate der Schwangerschaft merkten mein Mann und ich: das geht nicht mehr so.
Ich zog mit unserem Sohn aus und setzte von nun an meinen Weg allein fort. Zugegeben: jetzt wurde es hart. Ich hatte die Wahl: Abbrechen? Und ins soziale Netz fallen? Oder weitermachen? Ich entscheid mich für letzteres. Und brachte meinen zweiten Sohn zur Welt.
Alleinerziehend mit zwei Kindern und Studium
Mein Mann verabschiedete sich recht schnell ins Ausland und ich musste mich allein neu orientieren. Ich holte mir Unterstützung bei meiner Familie und durch eine Vielzahl von Babysittern.
Doch in aller Verzweiflung und Wut, in allem Schmerz und Kampf immer wieder dieser Grundgedanke: Das schaffst Du. Das wird schon. Nicht aufgeben!Mein Konfirmationsspruch ging mir immer wieder durch den Kopf: „Fürchte dich nicht, glaube nur.“ (Markus 5, 36). Fürchte dich nicht… das wird gut gehen. Du bist nicht allein.
Endlich Pfarrerin: Als alleinerziehende Zweifachmama
Und so kam es dann schließlich auch. Ich studierte von meinen Eltern aus in Tübingen weiter, nahm meinen jüngsten Sohn oft im Tragetuch mit an die Uni. Einmal habe ich das Babyphone in den Vorlesungssaal gestellt und die Vorlesung von draußen mitgehört, weil ich den Schein brauchte und Jonathan zu unruhig war. Ging alles irgendwie…
Seit 2013 bin ich nun Pfarrerin der Evangelischen Landeskirche Württemberg. Klar habe ich mir zu Beginn Sorgen gemacht: wie nehmen das vor allem konservative Gemeindeglieder auf? Eine geschiedene, alleinerziehende Pfarrerin? Schaffe ich den Spagat zwischen meinen Kindern und dem Job?
Zu meiner größten Überraschung habe ich von meinen Gemeinden und den Kollegen bislang fast nur Unterstützung und positiven Rückhalt erfahren. Viele Frauen mit ähnlichen Lebenserfahrungen vertrauen sich mir an, oft mit den Worten: „Sie wissen ja, wie das ist!“.
Vereinbarkeit in der Gemeinde
Meine Kinder werden, wenn ich arbeite, gut von meiner Familie und einem stabilen Netz an Babysittern betreut. Das ist wirklich ein Segen! Und durch die Tatsache, dass ich viele Bereiche meiner Arbeit selber planen und gestalten kann, habe ich ausreichend Zeit für die zwei, auch wenn das immer ein Balanceakt ist und bleiben wird.
Ich gebe ehrlich zu: Mein Glaube hat sich durch meine Kinder verändert. Sie tragen so viel Weisheit in sich! Da kann ich von IHNEN lernen und bin dadurch eine bessere Pfarrerin, als ich es ohne diese beiden wundervollen Menschen wäre.
Ich habe gelernt, dass das Leben viel Barmherzigkeit braucht. Dass der christliche Glaube sich jedes Urteil über den anderen und seine Lebenssituation verbieten muss. Dass Kinder IMMER ein Gottesgeschenk sind und wir so viel von ihnen lernen können.
Aber ich habe auch gelernt, wo meine Grenzen sind und dass ich diese schützen muss und darf. Als Mutter und als Pfarrerin. Mein Resümee aus allem: „Fürchte dich nicht, glaube nur“. Das hat funktioniert.
4 comments
Ähnliches würde man sich in
Ähnliches würde man sich in der katholischen Kirche auch wünschen….
ich bin atheistin
ich bin atheistin und kann mich mit der kirche überhaupt nicht identifizieren.
Ich bin auch Atheistin
und habe keinen Bezug zur Kirche, ich bin auch nicht alleinerziehend, aber ich kann mich mit dieser Geschichte dennoch gut identifizieren und bin froh, dass es mal nicht um Leben und Tod geht! Ich habe nämlich auch die Erfahrung gemacht, dass sich Lösungen finden, wenn sie gebraucht werden und dass es sich lohnt, Dinge einfach mal zu wagen! Außerdem finde ich es unheimlich wichtig, dass auch im Sozialen und dazu zähle ich die Kirche in diesem Fall, Diversität vorgelebt wird.
Eine schöne und ehrliche
Eine schöne und ehrliche Geschichte! Toll, dass du deinen Weg mit den Hürden gegangen bist. Habe etwas Gänsehaut, da ich den selben Konfirmationsspruch gewählt habe.