Typisch Junge – wie tolerant sind wir wirklich?

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"Es gibt keine Mädchen -und Jungsfarben." 

"Es gibts nichts, was Mädchen nicht können, aber Jungs."

"Ihr könnt alles machen, alles anziehen, alles werden."

Das sind Sätze, die ich so oder so ähnlich schon oft gesagt habe. Meist zu meiner Tochter. Ich kaufe ihr blaue Jacken und rote Mützen und achte darauf, dass wir nicht in die bling-bling-pinke Ecke abdriften. Das hat prima geklappt. Meine Tochter spielt Badminton (und geht nicht zum Ballett), ihre Lieblingsfarbe ist blau (und nicht rosa), sie spielt gerne mit Schleich und Playmobil (mit der Ritterburg genauso gerne wie mit dem Ponyhof). 

Ich stärke meine Töchter jeden Tag und mache ihnen klar, dass Mädchen all das machen können, was Jungs auch machen. 

Aber wie ist es umgekehrt? 

Neulich kam mein Sohn und fragte, ob er Nagellack haben dürfte, und zwar auf den kleinen Finger. Ich gebe zu, ich habe kurz gezögert. Mein Sohn, der gerne mit Schwertern kämpft und alles über Spiderman weiß, will lackierte Nägel? 

Ich dachte daran, was die anderen Jungs aus seiner Kita sagen würden. Würden sie lachen? "Das ist doch nur was für Mädchen", sagte neulich ein Junge, als mein Sohn mit einem Anna-und-Elsa-Pflaster ankam. 

Natürlich habe ich ihm wie gewünscht den kleinen Fingernagel rot lackiert. Denn ganz ehrlich: Scheiß drauf, was die anderen sagen. 

Andere Situation: An Silvester hatten wir Freunde da, insgesamt 10 Kinder tobten durch unsere Bude. Plötzlich kam mein Sohn rein und trug ein Glitzerkleid. Er drehte sich im Kreis und freute sich, dass der Rock so schön schwingt. Ich fand ihn unfassbar cool – vielleicht, weil er sonst so gar keinen Hang zu Röcken und Kleidern hat. Doch an diesem Abend wollte er im Glitzerkleid tanzen. 

Oder: Als mein Sohn neulich beim Kieferorthopäden gefragt wurde, welche Farbe die Zahnspange haben soll und er "Pink" sagte, wollte das da niemand richtig glauben. Kein Blau? 

Manchmal bemerke ich: Wenn ein Junge vermeintlichen "Mädchenkram" macht, halten die Erwachsenen den Atem an. Wir wollen taffe Mädels, aber wollen wir auch weiche Jungs? Eine Bekannte erzählte mir, ihr Mann habe mal gesagt: "Nicht, dass er schwul wird", als ihr dreijähriger Sohn sich eine Frozen-DVD wünschte. 

Gilt der Spruch "Mädchen und Jungs können alles machen, was sie wollen" wirklich in beide Richtungen? Und warum herrscht bei manchen Erwachsenen dann doch so eine unterschwellige Homophobie, die mich ganz irre macht? Warum sollte ein Junge, der sich gerne Anna und Elsa ansieht, schwul werden? Und was zur Hölle wäre schlimm daran, wenn er schwul wäre? Betonen nicht alle Eltern immer wieder, sie wünschen sich, dass ihr Kind glücklich wird und seinen eigenen Weg findet?

Ist es nicht viel eher so, dass wir Erwachsenen Blockaden und Schubalden im Kopf haben, die Kinder überhaupt nicht haben? 

Kinder sind Kinder – mal sind Einhörner angesagt, mal Dinos. Mal sind die taff, mal ganz weich. Sie kennen keine Klischees. Unsere Aufgabe besteht darin, ihnen Mut zu machen, zu sich selbst zu stehen und wirklich die Dinge zu machen, die sie lieben. Von mir aus kann mein Sohn mit lackierten Fingernägeln Ritter spielen. Denn es macht ihn fröhlich. Er hatte die ganze Zeit strahlende Augen. Das ist alles, was mir wichtig ist. 

 

 

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7 comments

  1. Ich glaube auch, dass unter
    Ich glaube auch, dass unter „geschlechtsneutraler Erziehung“ vor allem der Abbau von Schranken für Mädchen gemeint ist – wenn auch unbewusst. Hier gilt, dass bei diesen Fragen Jungs meist nicht im Fokus stehen, weil die „ja eh alles dürfen“, oder es sich einfach nehmen – im Unterschied zu Mädchen. Letztlich kommt es aber bei der Frage, was aus einem Kind einmal wird, nicht auf Nagellack oder Kleidungsfarben an, entscheidend ist, dass ein Kind – egal ob Mädchen oder Junge – seine Vorlieben frei entwickeln darf. Dabei entscheidet es sich dann auch schonmal für Dinge, die wir Erwachsene eher beim anderen Geschlecht verorten. Die Entscheidung des Kindes dürfte aber in den meisten dieser Fälle, damit rein gar nichts zu tun haben. In diesem Zusammenhang fällt mir gerade ein historisches Beispiel ein, das zwar sehr weit hergeholt, aber doch ganz passend ist: Der Sonnenkönig Ludwig XIV. entwickelte als Jugendlicher eine besondere Vorliebe für das Ballett und nahm gegen erhebliche Widerstände Tanzunterricht. Später, als König, scharte er die größten Künstler Italiens und Frankreichs um sich und erbaute sich in Versailles eine Hofoper. Zudem trat er öffentlich in großen Inszenierungen als Ballettänzer in prächtigen, theatralischen Kostümen vor dem gesamten Hofstaat auf. Möglich, dass das Bild des „Sonnenkönigs“ hierdurch entstanden ist. Das Ballett hatte seitdem bis ins 20. Jh. hinein seinen festen Platz in der französische Oper und als eigenständige Gattung auf französischen Bühnen. Man stelle sich also vor: der mächtigste König der Christenheit als Ballettänzer! Letztlich hat es die französische Kunst und Kultur jedoch sehr beflügelt und ihr mit der besonderen Aufwertung des Balletts neue Impulse gegeben.

  2. Auch bei uns
    Mein 3 -Jähriger trägt lange Haare und lila ist seine Lieblingsfarbe.
    Mein 9 -Jähriger ist absoluter Frozen Fan und hat sich zum Fasching als Elsa verkleidet. Meine kleine Tochter zig als Cowboy los.
    Wenn mal wieder die Frage kommt, wann wir denn mit dem Kleinen zum Haare schneiden gehen ist meine Antwort: Wenn er das möchte.
    Meine beiden Töchter haben lange Haare, die bewundert werden. Da fragt niemand, wann sie denn ihre Haare schneiden.
    Alle meine Kinder klettern auf Bäume, matschen im Schlamm, malen mit Glitzer Stiften und spielen zusammen mit den Puppen und der Ritterburg.
    Jeder darf anziehen was er mag , ob nun einfarbig oder kunterbunt gemischt.
    Ich finde die Genderisierung furchtbar.
    Und so liegt es in unseren Händen unseren Kindern zu zeigen und sie darin zu stärken so zu sein wie sie möchten und nicht wie es die Gesellschaft will bzw. erwartet.

  3. Nur für kleine Jungs?
    Meine Erfahrung mit meinen fast 8 jährigen Jungs war: als kleine Jungs mochten die Kinder Jungs- und Mädchensachen. Ab ca. 5 Jahren wurde alles mädchenhafte vehement abgelehnt. Diskussion zwecklos.
    Jungs in der Schule, die viel mit Mädchen spielen und sich nicht geschlechtskonform verhalten, werden von den Anderen Jungs nicht akzeptiert, ausgegrenzt teilweise verprügelt.
    Das geht von den Kindern aus, nicht den Erwachsenen

  4. bei uns auch hochaktuell
    Bei uns gibt es diese Diskussion auch immer wieder, vor allem mit der Schwiegerfamilie. Unser Sohn (4) liebt ganz typisch Junge Traktoren und Lego, hat aber auch seine Babypuppe, die es zur Geburt der kleinen Schwester (9 Monate) gab, ganz fest ins Herz geschlossen und er geht total im Rollenspiel mit ihr auf. Er braucht sie zum Schlafen, sie geht mit in die Kita und auch sonst überall hin. Ich gebe zu, auch wir waren kurzzeitig etwas überrumpelt, ob der Intensität, wie er mit der Puppe spielt. Aber sie hilft ihm eindeutig mit der neuen Geschwistersituation hier zurecht zu kommen und das allein zählt. Wäre er ein Mädchen, würden es alle total normal und süß finden.
    Als er sich jetzt zu Ostern einen Schlafsack und ein Tragetuch für die Puppe wünschte, mussten wir uns anhören, dass wir das Spielen mit der Puppe doch nicht auch noch verstärken sollen. Aber warum denn bitte nicht? Als dann meine Schwiegermutter trotz klarer Ansage vorher an Ostern unsrem Sohn erklärte, dass Puppen was für Mädchen seien und er seine ja dann bald der kleinen Schwester schenken könnte und stattdessen mit dem neuen Traktor spielen möge, hätte ich sie am liebsten auf den Mond geschossen. Denn natürlich kullerten sofort ein paar Tränchen beim Sohn. Aber der 12jährige Sohn meiner besten Freundin (sie ist die Patentante und hat auch den Schlafsack für die Puppe selbst genäht) hat sie Situation gerettet, indem er klargestellt hat, dass er am liebsten auch so eine tolle Puppe gehabt hätte früher. Da unser Kleiner ihn eh immer anhimmelt, war ganz egal, was die Oma sagt.

  5. Mein Sohn darf auch Nagellack
    Mein Sohn darf auch Nagellack oder Haargummis oder Ketten tragen wenn er mag. Mädels gelten ja auch als tough und cool, wenn sie den Jungslook, Baseballcapi o.ä. draufhaben und Fussballspielen. Warum also nicht anders rum. Im Kindergarten erntet mein Sohn aber durchaus Kommentare von anderen Kindern. Vorwiegend von Jungs, die ihn als „Mädchen beschimpfen“. Das führt dann schon dazu, dass er sich 2mal überlegt, was er trägt. Aber eigentlich weiss er, dass es keine Mädchen- und Jungenfarben gibt und jeder tragen kann, was ihm gefällt. Das freut mich. Ich hoffe, es bleibt so.

  6. Wirklich schwierig
    Ein toller Artikel, der bei uns tatsächlich auch sehr aktuell ist.
    Die Oma brachte zu Ostern 2 Schoko-Hasen mit – 1 in rosa und 1 in blau. Mein Sohn durfte aussuchen und entschied sich für den rosa Hasen. Oma, Onkel und weitere kommentierten mit „Das ist doch der für Mädchen“, bis ich sie um Neutralität gebeten habe.
    Es ging hier nur um das sowieso nach 5 Minuten der Vergangenheit angehörende Staniolpapier eines Schoko-Hasen! Was passiert da erst bei größeren Entscheidungen?
    Leider muss ich zugeben, dass ich kürzlich bei der Wahl auf die rosa Hausschuhe mit glitzerndem Einhorn auch geschluckt habe (die hätte ich allerdings auch für Mädchen schrecklich gefunden) und insgeheim froh war, dass 2 Minuten später andere für schöner befunden wurden. Ich möchte meinen Sohn auch so frei von Geschlechter-Klischees wie nur möglich erziehen, aber ich muss feststellen, dass das auch bei mir selbst noch einiges an Disziplin erfordert…

  7. Richtig
    Ist bei uns auch so. Die Kinder sind offen undie was Ihnen gefällt wollen sie gerne haben – egal, ob es ursprünglich für Jungs oder Mädchen kreiert wurde.