Update von Hanna: Vier Jahre nachdem meine Tochter starb, bekomme ich wieder ein Baby

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Ihr Lieben, fast zwei Jahre ist es her, dass wir hier Hannas Gastbeitrag veröffentlicht haben. Hanna hat in der 26. Schwangerschaftswoche Zwillingsmädchen entbunden, wovon eins nach zehn Tagen in ihren Armen für immer einschlief. Hannas Text hat uns und Euch damals wahnsinnig berührt. Jetzt haben wir wunderbare Neuigkeiten von Hanna – sie ist wieder schwanger. Wie sie diese Schwangerschaft erlebt, wie es ihr geht, lest Ihr jetzt: 

"Fünfundzwanzigplusnull. 25+0. Für mich die schicksalhafteste Zahlenkombination meines Lebens. Mein Schicksal, mein Schmerz, meine erste Schwangerschaft. An diesem Tag, an dieser Zahl, endete meine erste Schwangerschaft.

Und heute? Bin ich 26+0 Wochen schwanger. Gehen wir zurück zum Tag, an dem ich davon erfuhr: 

Im November halte ich plötzlich einen positiven Schwangerschaftstest in den Händen. Ich kann es kaum glauben, einfach so wieder schwanger geworden zu sein. Für meine erste Schwangerschaft musste ich einiges tun und nun ist es einfach passiert. Ich freue mich. 

Ich stecke ich mir mein erstes Ziel. Die ersten 12 Wochen überstehen. Jede Schwangere kennt gewisse Ängste. Doch meine Ängste gehen weiter. Sie sind heftigter, schmerzhafter, werfen mich in die damalige Zeit zurück. Die Erinnerung daran tut so weh. 

In der 14.Woche lasse ich einen totalen Muttermundverschluss machen. Prophylaktisch. Der Eingriff ist aufwühlend. Vorallem, weil er in dem Krankenhaus durchgeführt wird, in dem ich damals entbinden musste. In dem meine Töchter um ihr Leben gekämpft haben. In dem eine meiner Töchter den Kampf verlor…

Die nächsten Wochen gehen recht schnell vorüber. Immer wieder habe ich Bakterien im Abstrich und muss Antibiotikum nehmen. Ich bin froh, den Verschluss zu haben und das Wissen, dass Keime nicht aufsteigen können. Ganz kann ich meine Ängste diesbezüglich aber nicht ausstellen. Ich realisiere so langsam, wie tief dieses Trauma noch in mir steckt.

Mein nächstes Ziel: 25+0. Der Tag kommt und wühlt mich auf. An diesem Tag verhärtet sich mein Bauch vermehrt. Ich fühle, dass es etwas mit mir macht, was ich nicht abstellen kann.

Ich habe in dieser Zeit wöchentliche Kontrollen. Für meinen Kopf. Sobald ich im Wartezimmer sitze, spüre ich meinen Herzschlag und habe das Gefühl kaum atmen zu können. „Was ist, wenn es wieder passiert?“ Diese Frage schwirrt in jeder Sekunde in meinem Kopf herum. Es nervt mich selber. Ich möchte das nicht. Aber ich kann es nicht abstellen. Ich fühle mich an manchen Tagen, als hätte ich 10 Tassen Espresso getrunken. Ich kann nicht runterkommen, kann kaum liegen, habe das Gefühl, nicht richtig atmen zu können. Ich überdenke jede Kleinigkeit, jedes Szenario wird im Kopf durchgespielt. Nach jeder Vorsorge fühle ich mich, als wäre ich einen Marathon gelaufen. Dieses Gefühl, wenn für einige Zeit die Anspannung abfällt.

Nächstes Ziel: 30+0. Noch immer traue ich mich nicht, das Babyzimmer herzurichten. Den Kinderwagen vom Dachboden zu holen. Im Internet zu stöbern. Ich habe noch immer Angst davor, dass mir mein Körper dieses Glück nehmen könnte. Ich bin traumatisiert. Das weiß ich. Und ich weiß, dass mich diese Schwangerschaft ein bisschen heilen kann. Wenn ich am Ende erkennen darf, dass nicht immer das Schlimmste eintreten muss.

Ich akzeptiere, dass ich nicht eine dieser Schwangeren sein kann, die unbeschwert und voller Glücksgefühle durch die 9 Monate taumelt. Ich bin eben eine von denen, die mit allem rechnet. Ich bin sehr froh, dass wir diesen Schritt noch einmal gewagt haben. Uns getraut haben. 4 Jahre später. Früher wäre es für mich nicht gegangen. Ich wäre dazu seelisch nicht in der Lage gewesen.

Lange Zeit war für mich auch nicht klar, ob ich noch ein Kind möchte. Nein – anders: Ob ich noch eine Schwangerschaft möchte. Doch die Sehnsucht nach einem Kind wurde größer. Und heute bin ich froh.

Gemeinsam mit meinem Mann, unglaublich guten Freunden, meiner Schwester und dem besten Frauenarzt überhaupt überstehe ich das alles. Ich versuche immer mehr das Buch der letzten Schwangerschaft zuzuklappen.Ich möchte ein Neues schreiben.

Ich weiß, dass es vielen anderen Frauen auch so geht. Nach Frühgeburten, nach Fehlgeburten oder stillen Geburten. Sich nochmal trauen. Es nochmal wagen. Und doch glaube ich, dass uns ein fieser Schicksalsschlag nicht das Glück einer erneuten Schwangerschaft nehmen darf.

Meine Tochter freut sich unheimlich auf ihren Bruder und ich glaube, dass sich auch ihre Zwillingsschwester freuen würde, wenn sie wüsste, dass ihre Eltern noch einmal so viel Mut hatten.

Es gibt ein Zitat, das passt gut. So gut, dass ich meinen Zeilen an Euch damit beenden möchte. „Wenn du weißt, was du vermisst, du deine Zweifel vergisst, wenn es dich nicht mehr blockiert, du deine Ängste verlierst, wenn du die Trauer verstehst und du aufstehst und gehst und dein Herz wieder lebt.“

—–ZUM WEITERLESEN: 

Hannas erster Gastbeitrag über die Schwangerschaft und Geburt ihrer Zwillingsmädchen

Acht Wochen nach dem Tod meines Kindes bekam ich mein zweites Baby

Abschied von Johanna

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4 comments

  1. Danke
    Liebe Hanna, danke für deinen Beitrag, für deine Geschichte. Ich hatte vor 6 Jahren eine weitestgehend unbeschwerte Schwangerschaft und eine tolle Geburt. Unser Sohn sollte aber kein Einzelkind bleiben, und ich freute mich auf eine weitere ganz normale Schwangerschaft. Als mein Sohn knapp 3 war, wurde ich erneut schwanger – mit Zwillingen! Aber ich erkannte meinen Körper nicht wieder – Komplikationen, Bettruhe, hoffen und bangen jeden Tag… in der 23. Woche musste ich entbinden, beide Kinder überlebten nicht. Es folgte eine schwere Zeit, doch mein Mann und ich wussten, dass wir es nochmal versuchen wollen – für uns und für unseren Großen, der um seinen Bruder und seine Schwester so getrauert hatte und sich weiterhin ein Geschwisterchen wünschte. Jetzt, über zwei Jahre später bin ich erneut schwanger. Wieder gibt es Komplikationen, diese fallen jedoch milder aus und so langsam sind wir zuversichtlich. Jedoch erscheint es mir jetzt, in der 18. Woche, immer noch nicht ganz real, dass wir tatsächlich ein Kind bekommen werden. Die Angst kommt immer wieder, und wird wahrscheinlich bis zur Geburt bleiben…
    Ich wünsche uns und allen Frauen, die ihre Kinder verloren haben, ganz viel Kraft und Zuversicht!

  2. Kathrin
    Auch wenn die Hintergrundgeschichte so unendlich traurig ist – ich finde diesen Text einfach wunderschön. Danke, liebe Hanna und alles Gute für Dich und Deine Familie!

  3. Liebe Hanna,

    Liebe Hanna,

    vielen Dank für deinen Beitrag. Er hat mir viel Mit gemacht. Ich habe vor einem halben Jahr Ähnliches erlebt. Ich habe meine Zwillinge bei 27+3 entbinden müssen und meine Tochter hat es leider auch nicht geschafft. Unser Sohn musste noch einige Wochen auf der Neo bleiben bevor wir nach Hause dürften. In meiner Vorstellung war unsere Familie immer ein Vierer-Gespann, aber nun ist es wie bei Dir: eine weitere Schwangerschaft kann ich mir momentan nicht vorstellen. Es fiel mir in der Anfangszeit sehr schwer, andere schwangere Frauen zu sehen, viel schwerer als Mütter mit Zwillingen. Ich habe das Gefühl, dass ich um eine unbeschwerte Schwangerschaft betrogen wurde und es ist schwer zu akzeptieren, dass man nie eine erleben wird. Dein Text hat mir Mut gemacht, dass ich vielleicht auch irgendwann einmal so weit sein werde, mich für eine weitere Schwangerschaft zu entscheiden, auch wenn ich weiß, dass diese 9 Monate harte Arbeit sein werden.
    Vielen Dank und alles Gute für Euch
    Anna

  4. Wie wunderbar
    Wie wunderbar, dass bald ein neues Baby durch euer Haus tollen wird. Ich freue mich unbekannterweise richtig mit. Vielen Dank auch, dass hier solche Geschichten stattfinden. Das macht diesen Blog so besonders.