Ihr Lieben, wir freuen uns, dass so viele unterschiedliche Frauen bei uns mitlesen. Und besonders toll ist es, wenn sie uns aus ihrem Leben erzählen. So wie heute Sümeyye und Martina, die Mütter sind, in Deutschland leben und Kopftuch tragen. Warum sie das tun und wie andere Leute auf sie reagieren, haben sie für uns aufgeschrieben. Vielen vielen Dank!
Sümeyyes Geschichte:
Mein Name ist Sümeyye, ich bin 25 Jahre alt und stehe kurz vor meiner Heilpraktikerprüfung. Ich bin verheiratet und Mutter, mein Sohnemann Muhammed Emin ist drei.
Die häufigste Frage im Sommer von anderen Müttern: "Du Arme, ist Dir unter dem Ding nicht heiß?"
Generell sind andere Frauen oft überrascht, dass ich überhaupt Deutsch sprechen kann, dass ich einen Führerschein habe, unabhängig und souverän mein Leben lebe. Das macht mich sehr nachdenklich, denn es scheint so, als würde eine muslimische Frau automatisch als abhängig und unwissend (und leider sogar häufig als unhygienisch) abgestempelt.
Wenn ich mal wieder mit solchen Vorurteilen konfrontiert bin, versuche ich, die Dinge klarzustellen. Allerdings nur so lange, wie ich merke, dass mein Gegenüber echtes Interesse hat und mich nicht nur provozieren will.
Es gab auch schon Fälle, in denen mein Kind die Folgen meines Kopftuchs spüren musste. Eine andere Mutter, deren Kind mit meinem Sohn im Sand spielte, konnte meinen Anblick wohl nicht länger ertragen. Sie packte die Sandspielzeuge ihrer Tochter wutschnaubend ein und verließ den Spielplatz vor sich hin schimpfend. In solchen Situationen weiß ich bis heute nicht, wie ich mich verhalten soll.
Natürlich gibt es auch wiederum Menschen bzw. Reaktionen, die einfach nur offen, herzlich und mitfühlend sind – genauso sollte Zusammenleben doch sein.
Es geht einzig und allein darum, dass jede Frau selbstbestimmt leben kann.
Ich möchte einfach respektiert werden, ohne mich verstellen zu müssen.
Martinas Geschichte:
"Ich bin Martina, 25 Jahre alt und vor sieben Jahren bin ich zum Islam konvertiert. Ich habe mich intensiv mit dem Islam beschäftigt und bin freiwillig konvertiert.
Zu Beginn hat meine Familie sehr schockiert reagiert. Viele wussten meine Entscheidung nicht einzuordnen und haben versucht mich umzustimmen. Ich hatte nicht erwartet, dass meine Familie mich versteht, aber ich wollte wenigstens akzeptiert werden.
Insbesondere das Verhältnis zu meiner Mutter hatte sehr unter meiner Veränderung gelitten. Doch im Laufe der letzten Jahre konnte sich meine Mutter und der Rest meiner Familie damit anfreunden, dass ich nach dem Islam lebe. Das Verhältnis zu meiner Mutter ist heute sehr gut, besonders, seitdem ich selber Mutter geworden bin.
Einen Großteil meiner Freunde habe ich damals verloren, viele ignorierten mich einfach. Aber ich habe neue Freunde gefunden und von denen, die geblieben sind, weiß ich, dass sie wahre Freunde sind.
Mittlerweile bin ich glücklich verheiratet und Mutter von zwei Kindern. Natürlich besuchen wir auch alle möglichen Spielgruppen und Turnvereine. Die Mütter, denen ich dort begegne, reagieren unterschiedlich. Die meisten fragen mich als Erstes nach der Herkunft meines Mannes und schließen daraus, dass er der Grund dafür ist, dass ich ein Kopftuch trage. Manche kommen mit mir ins Gespräch und lassen sich eines Besseren belehren. Bei vielen lohnt es sich nicht, zu diskutieren, weil sie sich nicht vorstellen können, dass sich eine Frau freiwillig dazu entschlossen hat, zum Islam zu konvertieren und ein Kopftuch zu tragen.
Was mich am meisten daran stört, ist, dass mir – den vielen Vorurteil sei Dank – vorgeworfen wird, dass mein Mann mich zu etwas gezwungen hat, was ich nicht möchte und ich eigentlich keine eigene Meinung habe. Ich habe einen sehr liebevollen Mann, der mir nie etwas aufzwingen würde. Einige Mütter meiden den Kontakt zu mir, das merke ich und akzeptiere es auch. Trotz der negativen Erfahrungen, die ich mit vielen Müttern gemacht habe, gibt es auch einige, die meine Geschichte interessant finden und mir viele Fragen stellen. Manche finden mich auch mutig und haben Respekt vor meiner Entscheidung.
Ich denke, dass die Reaktionen meiner Mitmenschen auf mich im Zusammenhang mit dem Bild des Islams steht. Der Islam wird größtenteils als gewalttätig, unterdrückend und fanatisch dargestellt. Meiner Meinung nach ist der größte Fehler, der heute gemacht wird, dass von dem Verhalten einzelner Muslime auf den ganzen Islam geschlossen wird. Nicht alles, was der türkische Nachbar macht, ist gleichzusetzen mit dem Islam und auch nicht jeder, der Ali heißt, ist Muslim. Die Menschen, die einer Religion folgen oder aus einem Kulturkreis kommen, in der eine Religion gelebt wird, machen Fehler, die Religion an sich nicht. Selbstverständlich schließt mich das mit ein, ich mache auch Fehler – aber nicht jede meiner Handlungen ist auf den Islam zurückzuführen.
8 comments
interessant
Mir ist es per se wurst ob jemand Kopftuch trägt oder nicht . Oder welcher Religion er angehört. Ich bin in einem Ort aufgewachsen in dem sehr viele Türken lebten und leben . Als ich Kind war also in den 70igern -80igern haben auch bei den Türken nur die alten Frauen Kopftuch getragen . Meine beste Freundin war Türkin ich war fast nur mit Türkischen Kindern zusammen da ich auch Ausländerin war. Niemand trug Kopftuch nicht daheim nicht in der Schule , und das war die Generation die als Kinder oder Erwachsene nach Deutschland gekommen sind . Wenn ich heute in einer Großstadt schaue haben schon junge Mädchen ein Kopftuch auf und das verstehe ich nicht. Warum grenzen sich junge Mädchen oder Frauen freiwillig aus ? Ich möchte nochmal betonen es ist mir persönlich egal jeder soll glücklich werden wie er will . Ich versteh einfach nicht warum das auf einmal so ist was ist da in der Muslimischen Welt passiert ? Meine Nachbarin auch eine Türkin und Muslima hat mal zu mir gesagt „klar gibt es welche die müssen von ihren Eltern oder von ihrem Mann aus Kopftuch tragen aber bei ganz vielen ist es nur weil sie dann ja was besonderes sind und jammern können das sie ausgegrenzt werden“ . So hat sie es bei unserem Gespräch formuliert . Ich fand das ehrlich gesagt etwas krass und meine Frage konnte sie mir auch nicht beantworten . Sie hat mir erzählt das es bei ihnen so war das ihr Vater als sie nach Deutschland kamen gesagt hat “ Wir werden unseren Glauben nicht verleugnen aber wir werden uns anpassen so gut wir können. Und so bzw so ähnlich habe ich das als Kind und Jugendliche auch erlebt.
Hallo StadtLandMama,
Hallo StadtLandMama,
Was haltet ihr von einem Beitrag über Christliche Familien in Deutschland? Vielleicht ein Interview mit einer Christin und wie sie ihre Kinder im Glauben an Gott grosszieht! Oder etwas ähnliches. Ich bin auch mal über einen Blog einer christlichen (Gross)Familie gestoplert. Erinnere mich leider nicht genau. Das würde ich sehr gerne lesen!
Herzliche Grüße,
Eure Leserin Bine
Danke!
Danke für Eure Einblicke!
Auch ich habe das Gefühl, als bekennende Muslima müsse mal sich für alles doppelt und dreifach rechtfertigen.. Und gleichzeitig ist vielen leider gar nicht bewusst, wie sehr man sich doch bemüht „trotz“ Religion dazuzugehören. Wenn sich das Vorurteil von der ungebildeten, unterdrückten, unzivilisierten Kopftuchträgerin erstmal eingebrannt hat, redet man häufig gegen die Wand.
Da bringt es nichts zu erzählen, dass man als junge Mutter zwei Kleinkinder erzieht, nebenbei studiert, ehrenamtlich engagiert ist und und und… Selbstbestimmung? Nie und nimmer, die gibt es nur wenn man freiwillig Kleidung ablegt – wie kann man sich denn FREIWILLIG bedecken?! Sehr paradoxes Verständnis von Freiheit..
Ich wünsche mir wie die Autorinen ein wenig Lockerheit im Umgang mit Muslimas, glaubt mir, die meisten leisten tolles und sind genauso nur Mütter, die das Beste für ihre Kinder wollen 🙂
Antwort an Julia
Hallo,
das „schön“ im 5 Absatz soll sicher „schon“ heißen, dann klingt es logischer.
Und da Martina im Alter von 18 Jahren konvertiert ist, kannte sie sicherlich ihren Mann noch nicht, daher ist die Herkunft eigentlich ziemlich unwichtig. Klar macht man Dinge, um dem Partner zu gefallen, das macht jedeR und das hängt nicht von der Religion ab. Warum muss dann „immer“ gleich an der Freiwilligkeit gezweifelt werden?
Schöne Artikel ansonsten.
Angenehmen Wochenstart euch allen.
Grund
Hallo Susu, mich würde einfach interessieren, warum eine deutsche Frau zum Islam konvertiert. Das macht man doch nicht aus einer Laune raus und es ist eine schwerwiegende Entscheidung. Mich hätte interessiert, was für Beweggründe eine Frau haben kann, zum Islam zu konvertieren und meist sind es dann doch Menschen, die einen beeinflussen. Ich selbst war mehrere Male in Tunesien und fand das Land und die Leute mega. Ich hatte eine riesige Landkarte von Tunesien in meinem Zimmer hängen und dennoch wäre ich nie auf die Idee gekommen. zum Islam überzutreten. Insgesamt finde ich eine Religion zu wechseln doch eher ungewöhnlich.
Warum nicht
Warum sollte sie mit 18 Jahren ihren Mann noch nicht gekannt haben? Davon stand nichts im Artikel drin. Meine Eltern waren 16 als sich kennen gelernt haben. Das ist also gar nicht so abwegig.
Jede wie sie mag
Interessieren würde mich dennoch, woher der Mann von Martina kommt 😉 und freiwillig ist immer so eine Sache. Unbewusst möchte man dem Mann vielleicht doch einen Gefallen tun. Aber das ist ok. Ich kenne auch beispielsweise Katholiken, die evangelisch werden, damit sie in einer Kirche heiraten können. Kind würde ich jedoch keine Religion aufzwingen. Im ersten Absatz von Sümeyye fehlt ein Wort oder so. Müsst ihr noch mal Korrektur lesen. Auch im 5 Abschnitt stimmt etwas nicht „schön Fälle“, wenn eine Mutter den Spielplatz verlässt?
Wurde geändert!
Danke für den Hinweis!