Wir Frauen – und vielleicht besonders wir Mütter – haben einen hohen Anspruch an uns selbst. Im Job wollen wir erfolgreich sein, nebenbei zuckersüße, liebenswerte Kinder großziehen, ihnen ein schönes Heim bieten, den Liebsten glücklich machen, unsere Freundschaften pflegen, regelmäßig Sport machen, über das Weltgeschehen informiert bleiben, ein Amt in der Elternvertretung wahrnehmen und und und. Diese Liste ist schier endlos.
Lustigerweise haben wir diese absurden Ansprüche nur an uns selbst. Mit anderen sind wir sehr viel gnädiger.
Das fällt mir immer auf, wenn ich mit Lisa spreche. Wenn sie mir erzählt, was sie gerade alles so macht, bleibt mir die Spucke weg. „Du bist so fleißig. Du bist echt eine Heldin“, sagte ich ihr. Dass sich bei ihr die Wäsche im Keller stapelt, finde ich nicht schlimm. Die kann sie ja nicht auch noch schaffen. Ist doch klar.
Wäre es meine Wäsche, würde ich mir schon wieder einen tadelnden Blick zu werfen. Bei Lisa schaffe ich zu sehen, was sie alles schafft. Und lege nicht den Finger in die Wunde, was sie nicht schafft.
Oder meine andere Freundin. Die sieht schon morgens immer so toll aus. Während ich oft wie ein zerrupftes Huhn in der Kita auftauche, ist sie wohl nach dem ersten Kaffee in einen Jungbrunnen gefallen. Außerdem macht sie wahnsinnig viel ehrenamtlich und ihr Haus ist ein Traum. Immer frische Blumen, immer sauber. Als ich ihr neulich meine Bewunderung ausspreche, lacht sie und sagt: „Ich hätte lieber Deinen Job. Bei meiner Halbtagsstelle sitze ich nur die Zeit ab und recherchiere im Internet nach den neusten Wohntrends. Nur deshalb sieht meine Bude so gut aus.“
Ich wusste, dass sie keinen Wahnsinns-Job hat – gestört hat es mich nie. Würde ich auf ihrem Bürostuhl sitzen, würde ich mich wahrscheinlich ständig fragen, wie ich mich beruflich verändern könnte.
Wieso können wir bei Freundinnen und generell oft bei anderen Frauen über all die kleinen Unperfektheiten hinweg sehen? Sie sogar charmant finden, niedlich, angenehm. Und uns selbst ständig antreiben, ALLES zu sein, ALLES zu können. Das ist doch komplett irre.
Das wäre doch ein schöner Vorsatz für die nächsten Wochen und Monate.
Lasst uns gnädiger zu uns selbst sein. Lasst uns öfter über uns selbst lächeln.
Loben wir uns wieder mehr und klopfen uns mal anerkennend auf die Schulter.
Ich bin mir sicher, jede Einzelne von uns hat es mehr als verdient.
1 comment
Leider nicht so einfach
Ja, die Gnädigkeit mit sich selbst könnten viele (und vor allem Frauen) wirklich gebrauchen. Ich auch. Und trotzdem ist da jeden Tag nach der Arbeit ein Kind, dem ich eine lustige, gute, liebevolle Mama sein will,ein Haushalt und ein Mann der gerne fünfe gerade sein lässt aber doch seine Aufmerksamkeit will. Der Tipp von außen : lass den haushalt liegen, ignoriere ihn ganz bewusst. Nur leider sagt einem keiner, wie das geht. Ich kann es leider nicht und so kommen in der woche 42,5 h Arbeit, ca 7 Stunden Hausarbeit, jeden abend 2 Stunden Kinderentertainment zusammen. Wer wäre da nicht erschöpft? Erst wenn jch das alles jeden Tag abgehakt hab, kan jch mich entspannen auch wenn dann nicht mehr viel Zeit dafür bleibt. Wie bekämpfe ich diese Dämonen des schlechten Gewissens?