Ihr Lieben, was ich wirklich toll finde an unserem Bloggen finde, ist, dass wir so viel über Euch Mamas lernen. Ihr seid alle so unterschiedlich – das empfinde ich als sehr bereichernd. Heute stellen wir Euch Sohra aus Berlin vor, die vegan lebt und auch ihren Sohn vegan erzieht. Ich danke Dir, liebe Sohra, für den spannend Einblick in Deine Familie. Ich habe wieder viel gelernt!!!!!!
1.Liebe Sohra, erzähl doch erstmal, wer zu Deiner Familie gehört, wo Ihr lebt und was Du beruflich machst.
Hallo liebe Katharina/liebes Stadt Land Mama-Team! Ich lebe im wunderbaren Berlin – zusammen mit meinem fünfjährigen Sohn Menahem und meinem Freund Danial. Ich mache gerade meinen Master und bin dann irgendwann Grundschullehrerin.
2. Du betreibst die Internetseite Tofufamily, eine Seite für Familien, die sich vegetarisch oder vegan ernähren. Wie und wann bist Du zu der Entscheidung gekommen, vegan zu leben?
Ich lebe schon 16 Jahren vegan und eigentlich würde ich gar nicht sagen, dass ich besonders tierlieb bin; ich kann mit Tieren nicht so viel anfangen. Das waren tatsächlich politische Beweggründe: Aus einer pazifistischen Überzeugung heraus bin ich auf den Trichter gekommen, dass das Essen von Tieren mit einer politischen Haltung, die sich gegen Gewalt, Ausbeutung und Herrschaft positioniert, gänzlich unvereinbar ist. Und ich finde es auch irgendwie schlüssig, dass ich nach der veganen Doku „Live and Let Live“ vor einem Jahr endlich auf den Trichter kam, nicht mehr Kakaoprodukte aus Kindersklaverei zu konsumieren – von Menschenrechten zum Veganismus und wieder zurück quasi.
3. Auch Dein Sohn lebt vegan. Was steht denn auf seinem typischen Speiseplan?
Mein Sohn unterscheidet sich leider in einer Hinsicht nicht von vielen Gleichaltrigen: Er ist super mäkelig was Essen angeht. Trotzdem bekommen wir das (mit einigen Tricks) recht ausgewogen hin. Sein absolutes Lieblingsessen ist mein Roter Quiche, aber auch sonst mag er alles was mit Spinat, Kartoffeln, Erbsen, Quinoa oder Tofu zu tun hat. Viele Gemüsesorten gehen aber nur püriert und so gibt’s Pasta eben mit Saucen aus z.B. Brokkoli und Cashewkernen oder in die Tofubolognesesauce werden noch Paprika und Möhren gemixt. In Bratlinge (also so „Buletten“) kommen dann Leinsamen, Linsen, Hirseflocken und was sonst so gerade da ist; unsere Pfannkuchen bestehen aus Dinkelvollkornmehl und Amaranth, gesüßt mit Apfelsaft. Aufs Brot gibt’s bei uns Avocado, Cashewmus oder andere pflanzliche Aufstriche und ich mache uns fast jeden Tag einen mit Agavendicksaft gesüßten und ansonsten zuckerfreien Bananen-Mandelmus-Haferflocken-Kakao. Ich achte nicht auf besondere Zusammenstellungen, aber schon auf Abwechslung und einen hohen Anteil von unraffinierten, vollwertigen Lebensmitteln. Aber wir essen durchaus auch gerne Fake-Produkte wie veganen Käse oder vegane Würstchen. Und Pommes!
4. Ist vegan kochen sehr umständlich?
Ich würde ganz grundsätzlich sagen, dass es durchaus aufwändiger ist, frisch und gesund zu essen, als sich primär von Convenientprodukten zu ernähren – einen Salat zu schnippeln ist in der Gesamtheit mehr Arbeit, als eine Tiefkühlpizza in den Ofen zu schieben. Aber die vegane Küche ist da nicht besonders schwierig. Jede neue Umstellung erfordert natürlich ein gewisses anfängliches Bemühen, aber mit recht einfachen Tricks kann man ja zum Beispiel auch die unveganen Gerichte, die man bisher so zubereitet hat, veganisieren.
5. Verzichtet Ihr auch auf andere tierische Produkte, zb auf Lederschuhe?
Ich selbst besitze keine Leder- oder Wollprodukte, auch keine „Restbestände“. Bei meinem Sohn geht es manchmal nicht anders – gute Kinderschuhe die seinen etwas komplizierten Füßchen passen sind gar nicht so einfach aufzutreiben. Winterstiefel und Sandalen findet man in guter Qualität auch lederfrei, aber bei den Übergangsschuhen war schon das ein oder andere Paar mit Lederanteilen dabei. Finde ich nicht schön, aber ist dann halt so.
6. Kannst Du Shoppingtipps geben, wo Veganer tolle Lebensmittel und andere Produkte des täglichen Lebens bekommen?
Oh ja, mein heißer Tipp: Der Supermarkt umme Ecke! Echt jetzt, die veganen Basics sind ja die Basics einer jeden Küche: Gemüse, Obst, Getreideprodukte und das gibt’s ja überall. Mittlerweile kann man in vielen Supermärkten auch Sojamilch, Sojajoghurts und sogar vegane Aufschnitte kaufen. Läden wie Edeka oder Kaufland haben ein recht umfangreiches veganes Sortiment und bieten veganen Käse, Sojahack, Sojawürstchen und andere vegane Specials wie Pudding, Käse, Brotaufstriche an. Noch besser sind natürlich Bioläden ausgerüstet und in Reformhäusern werden vegane Lebensmittel sogar extra gekennzeichnet.
7. Wie reagiert Dein Umfeld auf Euer veganes Leben? Was sind die typischen Sprüche, die Du Dir anhören musst?
„Ich esse ja auch nur gaaaaanz wenig Fleisch!“ Auch sehr beliebt: „Ich finde ja, vegane Eltern sollten ihren Kindern nicht ihre Überzeugung aufzwingen“ – als ob Kinder, deren Eltern für sie entscheiden, dass sie Fleisch und Tierprodukte essen, selbstbestimmter wären als Kinder, deren Eltern für sie entscheiden, dass sie Fleisch oder Tierprodukte nicht essen!
Aber im Ernst: Dadurch, dass ich schon so lange vegan lebe, hat das in meinem Alltag alles sehr viel Normalität; Sprüche und Diskussionen stellen eher eine Ausnahme dar. Über die Zeit musste mein unveganes Umfeld ja aber mit ansehen, wie ich einfach Jahr für Jahr nicht anfing dahinzusiechen – das nimmt viel Wind aus den Segeln.
8. Wie gehst Du damit um, wenn Dein Sohn zb auf Geburtstage eingeladen ist, wo es zb Kakao gibt oder Kuchen?
Das ist viel unkomplizierter, als viele sich das vorstellen. Ich schicke mein Kind ja nicht zu Unbekannten; ich spreche das einfach im Vorfeld ab. Entweder die Eltern sorgen selbst für vegane Optionen oder ich gebe etwas mit, das ist ziemlich easy.
9. Worin siehst Du die gesundheitlichen Vorteile für Dich und Deinen Sohn?
Mein Sohn hat statistisch gesehen ein niedrigeres Risiko für verschiedene Krebsarten, Diabetes, Herz-Kreislauf-Krankheiten und eine insgesamt höhere Lebenserwartung. Außerdem können uns die ganzen Fleisch- und Tierproduktskandale egal sein. Auch wenn ich mich sehr für meinen Sohn freue, dass er die Möglichkeit hat, mit einer derart gesunden Lebensweise aufzuwachsen, leben wir nicht aus gesundheitlichen Gründen vegan, sondern aus ethischen – die gesundheitlichen Vorteile betrachte ich eher als erfreulichen und willkommenen Karma-Bonus!
10. Wie gehst Du damit um, wenn Dir vorgeworfen wird, vegane Ernährung könnte bei Kindern zu Mangelerscheinungen führen?
Oh, es kann schon vorkommen, dass ich eine Petition ins Leben rufe. Kein Witz! Die ewiggestrige Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) positioniert sich ja leider gegen eine vegane Kinderernährung, und das obwohl Ernährungs- und Kindermedizinverbände in Australien, Kanada, Großbritannien und den USA längst eine neutral-wohlwollende Haltung dazu eingenommen haben und auch die gesundheitlichen Vorteile einer pflanzlichen Ernährung hervorheben. Ich habe mir mal die Mühe gemacht, das Positionspapier der DGE zu dem Thema durchzuarbeiten und die Studien nachzulesen, welche sie dort zitiert und das Ergebnis ist haarsträubend: Forschungsergebnisse werden zum Teil schlicht falsch wiedergegeben, bestimmte Informationen aus Studien die zu der DGE-Position passen, werden zitiert, andere Informationen aus den gleichen Studien, welche der DGE-Position widersprechen, werden verschwiegen, Studien mit makrobiotisch mangelernährten Kindern werden als Beleg dafür verwendet, dass eine vegane Ernährung nicht geeignet ist – unterm Strich ist es schirr unglaublich, dass die DGE so lange damit durchgekommen ist. Leider hat das für vegane Familien durchaus schwierige Folgen: Vegane Kinder bekommen an Berliner Schulen (und anderswo) kein veganes Essen oder StillberaterInnen und zertifizierte ErnährungsberaterInnen dürfen vegane Mütter/Eltern nicht zu veganer Ernährung beraten. Das ist schon irgendwie ein Skandal. Und ich finde, das geht nicht nur vegane Eltern etwas an, denn eigentlich wollen wir uns doch alle darauf verlassen können, dass die Informationen und Empfehlungen eines Ernährungsverbandes seriös, wissenschaftlich und verlässlich sind – schließlich finanziert sich die DGE primär mit öffentlichen Geldern. Wenn die DGE in Sachen Veganismus derart selektiv, einseitig und unprofessionell argumentiert, wie glaubwürdig können die anderen Informationen sein, die sie liefert? Ja, und deshalb habe ich diese Petition gegen die DGE gestartet. Bitte alle unterschreiben!
11. Wie würdest Du darauf reagieren, wenn Dein Sohn irgendwann mal Fleisch essen will?
Ich finde es normal und gesund, dass sich ein Kind ausprobieren will. Tatsächlich hat mein Kind neulich in der Kita ein Spiegelei gegessen. Toll finde ich das nicht, aber Restriktionen gehören grundsätzlich nicht zu meiner Auffassung von Erziehung. Es gibt hier nur sehr wenige Verbote, die haben dann meistens mit Sicherheit oder den Grenzen von anderen Menschen oder so zu tun und nie mit unveganem Essen. Es gibt meinerseits eine klare Direktive, die lautet, dass ich Tiere einsperren ziemlich uncool finde und es ja viel toller ist, etwas leckeres zu essen, das vegan ist, als etwas leckeres, das nicht vegan ist und es ist klar, dass ich nichts unveganes kaufe. Ich thematisiere in diesem Zusammenhang nicht Leid oder Brutalität und nur selten Tod, aber ich spreche schon regelmäßig mit meinem Sohn darüber, dass Tiere so nicht leben wollen, dass Kälber ihre Mamamilch nicht abgeben und Hühner ihre Eier behalten wollen und wir gucken uns vegane Kinderbücher an (ich selbst arbeite gerade an einem); aber es sind Direktiven, nicht mehr, mein Kind entscheidet in letzter Instanz selbst. Mir sind viele Tugenden und Werte sehr wichtig – Gehorsam gehört nicht dazu. Nur wenn mein Kind den Raum hat, sich gegen eine vegane Lebensweise zu entscheiden, hat es auch den Raum, sich dafür zu entscheiden. Wir werden sehen, wohin ihn sein Weg führt.
Aber um konkret auf die Frage zu antworten: Ja, ich wäre schon traurig, und vielleicht wäre ich auch entsetzt. Aber ich wäre auch traurig und entsetzt, wenn mein Kind später die CDU wählen, die Bild-Zeitung kaufen oder in die Rüstungsindustrie gehen wollen würde – das hat halt echt wenig mit den Werten zu tun, die ich meinem Kind mitgeben möchte. Aber ich glaube, darin unterscheide ich mich nicht von anderen Eltern: Wir haben alle eine Vorstellung von Richtig und Falsch und wir versuchen diese unseren Kindern zu vermitteln. Ich glaube, es ist normal, dass wir unsere Schwierigkeiten haben, wenn das Kind sich anders entscheidet als wir uns das wünschen, schließlich haben wir diese Vorstellungen nicht ohne Grund. Aber ich denke, Erziehung bedeutet im Groben, bestimmte Samen zu gießen – und die Pflanze dann aber auf ihre Weise wachsen zu lassen. Ich denke, wenn mein Kind irgendwann Fleisch essen oder die CDU wählen sollte, wird es seine Gründe dafür haben. Ich habe keinen Zweifel daran, dass ich es weiterhin für das grandioseste Wunder halten werde, das mir je begegnet ist.
8 comments
Vegane Kinderbücher
Habt ihr Tipps zu veganen Kinderbüchern?
Ich lebe selber eher vegan- tirolerisch gemischt;) aber die Darstellung der Tierwelt z.B. bezüglich der Bauernhöfe nervt mich mit jedem neuen Buch und ich mag da eigentlich nicht mehr so einen blöden Content vorlesen. Zumindest nicht, wenn es nicht ausdrücklich vom Kind gewünscht ist.
Vegan
Ich kann den Abschnitt mit dem Kindergeburtstag nicht nachvollziehen. An anderer Stelle sagt die Interviewte, dass sie ihr Kind nicht zwingt. Aber isst das Kind wirklich von sich aus eine mitgebrachte Kuchenalternative, etwas anderes als alle anderen und etwas anderes als die besonders dekorierte Geburtstagstorte?? Da würde ich gern mehr zu hören, da ich es mir nicht gut vorstellen kann.
Mir wäre das auch zu strikt. Eine Vegane Bekannte kauft und kocht Zuhause ausschließlich vegan und das wissen die Kinder. Aber auf Geburtstagen, Schulfesten etc können die Kinder probieren was sie wollen und es steht Ihnen auch frei, ihr Veganes Schulbrot zu tauschen etc. So eine Einstellung ist mir näher.
Sie sagt, sie schickt ihr Kind ja nicht zu Fremden auf den Geburtstag.
Na ja, mein Kind geht zu Geburtstagen in fast fremde Familien in der neuen Schule (Erstklässler) und auch im Kindergarten waren wir nicht mit allen Familien von seinen Freunden befreundet und gut bekannt. Gott sei Dank würde ich sagen!!!
Mir ist wichtig, dass mein Kind mit ganz unterschiedlichen Menschen zu tun hat, auch mit solchen, die nicht wissen, was Veganismus überhaupt ist. Spätestens wenn der Sohn der Interviewten zur Schule kommt, wird sich das mit den Geburtstagen und Verabredungen mit Freunden sicher noch ändern….
Mehr Weitsicht
Also moralisch belasten kann man eine vegane Ernährung nun wirklich nicht nennen. Wenn man es so sieht belasten wir alle unsere Kinderr mit unseren Werten, wie auch immer diese sein sollten. Und warum sollte veganes essen kein Genuss sein? Erschließt sich mir nicht. Wir sind vegetarier und ich bewundere die konsequenz von veganern und finde dass es der einzige Weg ist sich wirklich fair zu ernähren. Leider habe ich es nur ein jahr geschafft vegan zu leben will es abee bald wieder versuchen.
Der einzige Knackpunkt für mich ist die soziale Ausgrenzung, z.b. auf einem kindergeburtstag, da würde ich wollen dass mein kind alles essen kann waa die anderen auch essen. So würde ich es dann wohl auch halten.zu hause vegan und wenn meine Tochter sich „draußen“ bewusst für etwas unveganes entscheidet soll sie es tun.
Simple Weltsicht
Fleisch essen und die CDU wählen…so einfach und schematisch kann man seine Weltsicht auch gestalten. Kenne ich leider von vielen unserer Veganer-Freunden und Bekannten. Gut und Böse sauber getrennt. Schade, dass das in keiner Weise die Realität abbildet. Und schade, dass Kinder, für die Essen doch zuerst Hungerstillen und dann auch ein Genuss sein sollte, moralisch so belastet werden müssen.
Tolles Interview
Danke für diese Einblicke in die dahinterliegenden Erziehungsprinzipien und Beweggründe. Finde ich sehr konsequent und überzeugend.
Puh
eine sehr andere Sohra im Internet als so privat. Erstaunlich.
Daumen hoch…
… für dieses tolle Interview. Das kommt dabei heraus, wenn Herz auf Verstand trifft. 🙂
Toll!
Klasse Interview! Danke