Die Mama-Stop-Taste: Wie ich aufhörte, hemmungslos zu sein.

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Jaaa, Ihr Lieben. Ich trinke noch Bier. Ab und zu. Vielleicht einmal pro Woche. Hmm, oder sagen wir: Einmal im Monat. Oder vielleicht doch nur einmal im halben Jahr? Tja. Manchmal frage ich mich: Wann hat das angefangen, dieses Vernünftigsein? Gestern? Oder doch eher letztes Jahr? Oder eher mit der Ankunft der Kinder in unserer Familie?

Neun Monate lang dauert eine Schwangerschaft, die Folgen spüre ich lebenslänglich!

Ich rede nicht von meinem Körper, ich rede von der einkehrenden Vernunft. Vom Immer-an-morgen denken. Vom Vorbildsein. Herrje. Wie das klingt.

Aber es ist doch so: Wenn ich heute zu einer Party eingeladen werde, dann freue ich mich riesig. Und je näher sie rückt, desto ängstlicher werde ich. Ui, eigentlich bin ich doch ganz schön müde. Uh, spüre ich da nicht eh ein Kratzen im Hals? Wie lange sollte ich da bleiben, um am nächsten Tag nicht komplett gerädert zu sein? Zu wenig Schlaf heißt nun mal leider: Schlechtere Nerven! Nerven, die auf-den-Frühstücks-Tisch fliegende Fußbälle nicht weglächeln können. Nerven, die das Gequietsche, Gezanke, Gesinge – sprich: die Dauerberieselung dreier kreativer Kinder – nicht gut ertragen können.
Ob ich mit dem Auto zur Party fahren sollte? Dann komme ich erst gar nicht auf die Idee, ein Bierchen zu trinken, dann schmerzt wenigstens der Kopf nicht auch noch, der mich am nächsten Tag fühlen lässt, als hätten die gesamten Nachbarskinder den Gülle-Acker durchgegraben, mit Mehl und Uhu angereichert und in mein Gehirn gegossen.

Ich bin da ein extremes Beispiel, ich weiß. Andere kommen noch in diesen Flow. Müssen sich zwar aufraffen, aber sobald das Bierchen läuft, läuft´s halt und dann denken sie nicht mehr an das, was sie morgen erwartet. Aber ich habe drei Kinder in zwei Jahren bekommen, die über Jahre nie, niemals durchgeschlafen haben. Ich erwähnte bereits des Öfteren, dass ich in dieser Zeit leicht schlaftraumatisiert wurde. Noch heute ist "müde" mein Lieblingswort. Das hat sich in mir festgebrannt und ich muss mich jedes Mal fragen, ob, wenn ich freiwillig auf Schlaf verzichte (z.B. durch eine PARTY) die Kosten-Nutzen-Rechnung für mich aufgeht. Ob es sich lohnt, meinen heiligen Schlaf zu reduzieren, um mich mit netten Menschen in schwindelig machendem Dicokugellicht zu treffen.

Um das ganze Dilemma richtig zu verstehen, muss man wissen, dass das vor den Kindern anders war in meinem Leben. Da hab ich oft gelebt, als gäbe es kein Morgen. Ich lebte im Moment und der war JETZT. Wir waren mehrmals die Woche feiern, dienstags, donnerstags, samstags, egal. Wir waren oft die Letzten und gingen trotzdem am nächsten Tag arbeiten. Am Wochenende haben wir zusammen gekatert, ganze Sonntage lang. Ja das ging da ja auch noch! Mit Bestellpizza und Shoppingssender QVC im TV, weil wir zu mehr nicht im Stande waren.

Ich denke ja mittlerweile auch immer ans RISIKO. Kann ich das machen? Muss das sein? Kann man das nicht vermeiden? Ich bin muttiert. Die Muttation hat mich voll erwischt.

Ich hab mir mit 15 Jahren in Kolumbien in einer dunklen Disco-Zone nachts ein Zungenpiercing stechen lassen. So war das damals. OH GOTT.

Und jetzt rockt meine Party zu Hause. Jeden Tag und jede Stunde. Ich schlichte Streit, ich betreue Hausaufgaben, ich kutschiere zu Hobbys, ich tröste, koche, wische, tanze (okay, auf Kinderlieder), lache, weine (manchmal sogar vor Rührung), streichle, wasche, spüle, quatsche und bin abends einfach so platt. So voll. So erfüllt.

Da passt dann kaum noch was anderes rein. Aber manchmal, manchmal eben doch. Und dann freue ich mich. Weil die Kosten-Nutzen-Rechnung nämlich eigentlich immer aufgeht. Und weil einem so ein kinderloser Abend unter Freunden so viel Energie gibt, dass man überlegt, auf die nächste Party wieder zu gehen. Aber eben nicht mehr so hemmungslos wie früher…

Eben nur noch bis vier Uhr morgens. Oder bis zwei. Oder sagen wir halb eins. Man muss ja am nächsten Tag wieder funktionieren. Besser als nichts, oder?

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18 comments

  1. Muttation
    schlägt zu, wenn die Kinderlein da sind… Da ich auch zuerst einen Einling bekam und dann Zwillinge, kenne ich das nur zu gut! Aufraffen um in die laute Disco zu gehen… das mache ich gar nicht mehr. Aber mal mit den Freundinnen zum Essen oder ins Kino gehen und ratschen, das tut gut und muss ab und zu mal sein. Zu mehr kann ich mich aber auch nicht mehr aufraffen… die Tage sind einfach zu vollgepackt und wenn mal nix im Kalender steht, dann denke ich mir oft… achje, Du wolltest ja noch die XY einladen seit 2 Jahren oder… mensch, ich muss endlich mal wieder die Freundin XY anrufen die soo weit weg wohnt…. aber dann bin ich selbst dafür zu ausgepowert und freue mich über einen leeren Tag, wo kein Termin im Kalender steht.

  2. Genau so…
    Liebe Lisa,
    vom Dauernicken hab ich Nackenschmerzen und „Muttation“ ist wohl die beste Wortschöpfung unter der Sonne. Manchmal bin ich so genervt von diesem anscheinend mit dem Geburtsvorgang ins mütterliche Hirn zementierten „Und-was-ist-Morgen“-Gedanke. Meine Lösung…Babysitter für den nächsten Morgen buchen! Denn so eine (fast) gedankenlos durchtanzte Nacht ist besser als jede Detox-Kur.

  3. Super!!!
    Genau so ist es! Bin heute erst auf deinen Blog gestoßen und liebe ihn jetzt schon!!! Du schreibst so treffend! Ich glaube, ich würde supergerne mit dir ein wenig Party machen… aber nur bis so zwölf… 😉

    Liebste Grüße
    Karo

  4. Mama-Stop-Taste
    Liebe Lisa,
    deine Worte sind mir sehr vertraut. Ich bin Mutter von vier Kindern und kenne das ewige Müdesein. In Zeiten, in denen ich besonders wenig geschafft habe, bin ich auch mit den Kindern schlafen gegangen. Ich wollte fit für die Kinder sein, nicht für mein Umfeld oder den Haushalt.
    Meine Jüngste ist jetzt 7 und meine Älteste ist 19. Ich kann nur sagen, dass mir diese Zeit 1000fach „entschädigt“ ist, durch das Wohlgeraten meine Kinder. Die Zeit ist zurück und es wird bald noch sehr viel mehr von ihr vorhanden sein, wenn sie Eines nach dem Anderen aus dem Hause trudeln. Party macht auch wieder Spaß, können wieder die Letzten sein. Liebe Lisa, alles ist gut.
    Danke für den Post. Gottes Segen und frohe Pfingsten allen Müttern 🙂

  5. here we are
    ….man wünscht sich manchmal wieder Single um die 20 zu sein und zu tanzen die ganze Nacht und dann schaut man seine Kinder an und weiß das das unser Leben ist!!

  6. auf den Punkt
    Vielen Dank!!!!
    Dieser Text spricht mir aus der Seele.
    Ich bin jetzt, dank meiner Jungs, seit mehr als neun Jahren schlaflos und mir geht es auch so, dass ich immer abwäge, ob es sich lohnt zu einer Party zu gehen oder eben nicht.
    Wie gut zu hören das man damit nicht alleine ist!!

  7. Die Sache mit dem Feiern
    Liebe Lisa,
    wie schön, Deinen Text zu lesen. Ich hatte vor Kurzem ebenfalls einen Text dazu geschrieben. Es fing ein bisschen darum, wie gern ich im Berliner Nachtleben unterwegs war, früher. Vielleicht findest Du Dich darin ja auch ein Stückchen wieder: http://fruehesvogerl.blogspot.de/2015/04/berlin-tag-und-nacht.html Und die ganze Zeit hatte ich schon vermutet, dass das kein Einzelphänomen ist, obwohl mir auf Twitter einige weismachen wollten, dass sie mit der Feierei schon mit 20 aufgehört hatten. Lieben Gruß aus Berlin, Bettie

    1. OH

      Liebe Bettie, vielen Dank für den Link!!!

      Liebe Grüße zurück vom Land!

      Lisa

  8. Perfektes Stichwort:
    KOSTEN-NUTZEN-RECHNUNG!
    Irgendwie muss immer alles aufgehen, einen Sinn machen und sich lohnen. Nur den Kindern gestehen wir zu, dass sie „nutzlos“ und unkalkuliert sind, wir selbst gestehen uns das nur ganz selten zu, aus Angst, dass unser mühsam erarbeiteter Tagesrythmus aus dem Gleichgewicht gerät. Das ist auch das, was elternlose Freunde häufig nicht nachvollziehen können, warum es so wichtig ist, da nicht aus dem Tritt zu geraten. Bzw. können sie nicht verstehen, dass die durchgetanzte Nacht mit Schnaps und Bier eine Mutter sehr viel mehr kostet als nur einen verkaterten Sonntag: es kostet Rythmus, einen ganzen Sonntag, den man statt mit Kopfschmerzen auf dem Sofa besser mit dem Kind auf dem Spielplatz verbringen möchte, 3 Tage Nachwirkungen vom Schlafmangel (mindestens!) und wenns schlecht läuft das Gleich beim Kind.

  9. Nich alleine
    Ha, da bin ich ja beruhigt, dass ich mit dem Vernünftigsein und an Morgen denken, nicht alleine bin 🙂 So geht es mir auch. Müüüde. Feiern? Och nö. Doch? Mal sehen. Aber wenn man dann unterwegs ist, ist es dann auch mal nett.

    Liebe Grüße
    Isa

  10. Feiern…
    JETZT? Mit Bier und allem. Ach wir hätten in der Nacht in Berlin nicht so früh gehen sollen…

  11. Lisa, ich mache dir ein Bier auf….
    …. und warte auf dich. Wann kommst du endlich zu Besuch? Dann drück ich dich, weil dein Text so stimmt und ich sofort mit dir dir feiern gehen will!

  12. Jaaa!
    …genauso ist es auch bei mir und dabei habe ich „nur“ ein Kind, das noch nie (!!) durchgeschlafen hat. Gemütliche Abende mit FreundInnen zu Hause: gerne! – aber spätestens gegen elf/halb zwölf wandere ich ins Bett, wenn ich nicht eh schon dort bin und ein kleines Händchen halte 🙂