Guten Morgen Ihr Lieben, heute haben wir mal wieder ein Interview mit einer spannenden Frau. Sarah hat das Buch "Die Uhr, die nicht tickt" geschrieben – und wie der Titel schon erahnen lässt, dreht es sich um Frauen, die keinen Kinderwunsch verspüren. Ich habe das Buch gelesen und kann es wirklich weiterempfehlen, ganz einfach, weil es den Horizont erweitert und Denkmuster hinterfragt. Deswegen freue ich mich sehr, dass Sarah uns hier ein paar Fragen beantwortet.
1. Was sind die häufigsten Sätze, die sich Frauen anhören müssen, wenn sie keine Kinder wollen?
Dass sie es später bereuen würden, ist, denke ich, das größte Druckmittel zur Mutterschaft, da man es so leicht behaupten kann und es so schwer zu widerlegen ist. Mein Buch ist deshalb auch ein Versuch, Frauen ein Handwerkszeug zu geben, um ihre Kinderlosigkeit abseits von negativen Stereotypen zu verstehen und zu erklären. Frauen fehlt es oft noch an einer Sprache oder an Vorbildern, um ihre eigene Kinderlosigkeit positiv darzustellen. Gerade weil der Kinderwunsch der Frau so selbstverständlich über ihre Biologie erklärt wird, fällt es Frauen oft schwer, eine andere Sichtweise zu zeigen, da fehlen tatsächlich noch die Worte. Und das hat auch Auswirkungen auf ihre Selbstwahrnehmung. Kinderlosigkeit wird zudem gerne als verantwortungslos abgewertet, um die Kleinfamilie als sinnstiftend für den Bürger darzustellen. Viele meiner Interviewpartnerinnen sagten aber, dass sie ohne Kinder vielmehr Kapazitäten haben, um sich gesellschaftspolitisch zu engagieren.
2. Du hast mit vielen kinderlosen Frauen gesprochen. Was sind die häufigsten Gründe, wieso sich Frauen gegen Kinder entscheiden?
Freiräume, Unabhängigkeit und Flexibilität. Interessanterweise war es nicht unbedingt das Gegenmodell der Karrierefrau – was immer so gerne behauptet wird – warum Frauen sich gegen Mutterschaft entscheiden. Tatsächlich sagten viele meine Interviewpartnerinnen, dass sie sich auch nicht zu abhängig von Lohnarbeit machen wollten, was sie für ein Kind aber müssten, um genug Geld für die Familie zu verdienen.
3. Welchen Eindruck hast Du von der Müttergeneration heute?
Vereinbarkeit bleibt für viele, vor allem, wenn sie sich keine Tagesmutter leisten können, noch immer eine Illusion. Ich fand es bemerkenswert, wie viele Interviewpartnerinnen mir das Schicksal ihrer Mutter als Grund nannten, keine Kinder bekommen zu wollen. Sie glaubten realistisch betrachtet nicht, dass sich da wirklich soviel verändert hat. Viele meinten auch, dass sie am Ende Alleinerziehende waren. Tatsächlich ist die Belastung von Müttern sogar noch größer geworden, weil alles ums Kind optimal geleistet werden muss. Mutterschaft ist ein Teil der Leistungsgesellschaft geworden.
4. Wie waren die Reaktionen Deiner Familie auf Deine Entscheidung?
Meine Eltern haben mich nie zu etwas gedrängt, ich habe von ihnen so viel Stabilität bekommen, dass ich auch Unsicherheiten aushalten kann und einfach nicht diese Sehnsucht nach einem Fixpunkt außerhalb mir selbst habe. Natürlich habe ich trotzdem eine Sehnsucht nach Liebe und Partnerschaft, so ist das nicht. Ein Kind muss aber nicht unbedingt die Krönung einer Beziehung sein – sie kann durch die Arbeitsbelastung eher in die Brüche gehen, das zeigen einige Studien. Auch eigentlich gleichberechtigte Partnerschaften geraten durch das Kind plötzlich aus der Balance, aus rein pragmatischen Gründen der Kinderbetreuung, so dass mehr Arbeit an den Frauen hängenbleibt. Dass dies ein guter Grund gegen Kinder ist, hat meine Mutter sehr gut verstanden.
5. Wieso reagieren so viele Mütter allergisch auf Frauen, die keine Kinder haben wollen?
Das ist ja nicht bei allen Müttern so. Ich denke, Eltern fühlen sich oft in die Ecke gedrängt, weil sie zum einen tatsächlich den ganzen Belastungen der Vereinbarkeitsprobleme ausgeliefert sind und ihnen zum anderen viel Undank entgegenschlägt. Ich finde es extrem unfair, wie man sich über die Prenzlauer Berg-Mütter lustig macht, denn Mutterschaft ist schließlich harte Arbeit. Ich fand es sehr schön zu sehen, wie viele Mütter mich dankbar auf das Buch ansprechen, weil es ihnen auch eine Möglichkeit gibt, dieses übertriebene Mutter-Ideal zu hinterfragen, das uns alle unglücklich macht. Da es gerade darum geht, darzustellen, wie Frauen über ihre Gebärfähigkeit eingeredet wird, dass sie unfrei sind, muss man diese Verhältnisse erst mal analysieren, wie Vorstellungen von Biologie und Natur benutzt werden, damit Pflegearbeit und Kinderbetreuung auf dem Rücken der Frauen funktioniert. Mein Buch ist somit auch eine Streitschrift für mehr Solidarität unter Frauen.
Für mehr Infos: Hier die Webseite zum Verlag, hier der Facebook-Link zum Buch zum Mitdiskutieren, dort werden auch alle weiteren Termine zum Buch gelistet.
12 comments
Auch ich habe vor 2 Jahren
Auch ich habe vor 2 Jahren die gleichen Argumente gehabt. Ich konnte mir nicht vorstellen mal Kinder zu haben und wenn ich gefragt wurde, sagte ich: „Bei mir tickt nichts!“ Dann wurde ich trotz Pille schwanger mit Ende 30, die Beziehung ging danach bergab. Ich habe keine Ahnung wie es beruflich weitergeht, da ich meine Tochter nicht bereits nach einem Jahr in die Kita geben möchte. Aber ich bin überglückliche Vollzeitmami und könnte mir auch vorstellen noch 1 oder 2 Kinder zu bekommen. Mein Leben wurde durch Liebe, Lachen und Chaos bereichert. Ich wünschte, ich hätte diese Erkenntnis 10 oder 15 früher erlangt!
Ich finde es traurig,
dass sich die Menschen auch in der heutigen Zeit immer noch gezwungen fühlen, sich vor anderen für ihre eigene Art zu Leben rechtfertigen zu müssen.
Ich selbst bin Mutter zweier Kinder und würde-wenn möglich- noch zehn weitere haben, weil ich es unglaublich toll finde, Mama zu sein.
In den letzten Jahren in den sozialen Netzwerken bekommt man allerdings häufiger mit, dass sowohl Frauen, als auch Männer sich anscheinend für ihre Kinderlosigkeit rechtfertigen müssen.
Ich habe im „echten Leben“ auch schon Frauen kennen gelernt, die keine Kinder bekommen möchten und muss dazu sagen, dass diese mich eigentlich sehr faszinieren.
Ich finde es wahnsinnig reif und fair, keine Kinder zu bekommen, wenn man von vornherein weiß, dass man ihnen nicht gerecht werden kann und/oder möchte.
Ich hoffe, dass die Gesellschaft durch das Lesen solcher Bücher dazulernt, offener damit umzugehen.
Wer ist hier egoistisch?
Ich wundere mich immer über Mütter, die Kinderlosen vorwerfen, sie seien egoistisch. Denn ganz ehrlich: Wer seine Kinder ernsthaft in die Welt setzt, damit sie Rentenzahler werden, macht was falsch. Ich habe meine Kinder aus den selben egoistischen Motiven bekommen, wie andere es lassen: Ich fühle mehr Freude, Spaß, Freiraum (Elternzeit!), Selbstbestimmung. Ob die Kleinen mal Rente zahlen? Überlasse ich ihnen. Lieber als sie dienstbar für die Wirtschaft zu machen, vermittle ich ihnen, dass ich sie liebe, wie sie sind. Also alle mal ehrlich bleiben: Egoistisch ist das eine wie das andere.
Väter?
Ich frage mich ein bisschen, warum kein Kind zu bekommen, die Konsequenz dessen sein ,muss‘, dass viele Väter weniger Arbeit rund um Kinder und Haushalt übernehmen. Ich würde mich auch sehr überfordert, sogar ,benutzt‘ fühlen, wenn ich das Gefühl hätte, die alleinige Verantwortliche für die Organisation und Durchführung innerhalb der Familie zu sein. Mit einem der vielen, vielen Männer, die ,ihr Leben‘ so weiterleben, als habe sich nach der Geburt ihres Kindes gar nichts verändert, hätte ich auch niemals ein Baby in die Welt gesetzt, sondern wäre lieber ,kinderlos‘ geblieben oder eben konsequent ,alleinerziehend‘. Nicht zum Glück, sondern ,bewusst gewählt‘, ist der Vater meines Kindes in ALLEN Bereichen der Familie mindestens genauso präsent wie ich. Leider ist er damit einer unter sehr Wenigen. ich frage mich, was mit all den anderen Vätern ist? Viele Mütter reißen sich mindestens zwei Beine aus, um Kinderbetreuung, Job, Haushalt und auch mal Zeit für sich irgendwie unter einen Hut zu bekommen. Müssen dabei am besten noch gut gelaunt und gut aussehend sein. Und für die Väter ändert sich kaum was, bzw. wird es noch lobend erwähnt und besonders anerkannt, wenn sie sich im annähernden Maße um ihrer Kinder kümmern, wie die Mütter. Die Männer sind gefordert!! Reduzierte Stellen vereinbaren, Pekip-Kurse besuchen, abends vorkochen, Geschenke für den Kindergeburtstag kaufen, Arzttermine vereinbaren, und und und. Ich möchte mit keinem Mann eine Familie gründen, der das nicht genauso selbstverständlich tut, wie ich! Aber nur, weil wenige Männer so sind, möchte ich nicht auf mein wunderbares Kind verzichten. Die Männer müssen sich ändern! Es kann doch nicht sein, dass sie letztendlich der Grund sind, warum Frauen lieber keine Kinder mehr kriegen aus Angst vor belastenden ,Rollenverteilungen‘, Beziehungskonflikten und Überforderung…
Danke für den Beitrag, den
Danke für den Beitrag, den ich sehr interessant finde. Ich finde, dass die Entscheidung jeder selbst treffen muss – es gibt kein richtig oder falsch.
Ganz liebe Grüße
Nina
http://ninaitwanina.blogspot.co.at/
Doch
Diana, ich habe eine Freundin und eine Bekannte, die – aus völlig unterschiedlichen Gründen – sagen, dass sie besser/lieber nicht Mutter geworden wären!
Das ist ein Tabu, aber es kommt definitiv vor!
Beste Grüße
Mara
Sehr interessantes Interview
Ich bin zwar selbst Mutter, kann aber die Gründe für Frauen keine Kinder zu bekommen nachvollziehen. Es ist einfach schwierig und man muss ein Teil von sich selbst aufgeben (wird aber vielleicht besser je älter das Kind ist). Auf jeden Fall finde ich es gut, dass es auch für solche Themen entsprechende Bücher gibt in der unendlichen Fülle von Schwangerschafts- und Babybüchern.
LG
Ulrike
http://oneyearofsunday.de
Dieser Kommentar ist einfach
Dieser Kommentar ist einfach gesagt… ehrlich gesagt kenne ich nicht alle Mütter um so etwas zu äußern zu können
Es gibt nicht eine Mutter die
Es gibt nicht eine Mutter die sich einmal sagt: ach hätte ich doch keine Kinder bekommen.
Sein oder nicht sein…??
Ich finde das ein sehr verallgemeinender Kommentar, der den wahren Kern der Entscheidung verfälscht!! Wenn man als Mutter an seine Grenzen kommt, kann man durchaus an die Zeit ohne Kind wehmütig zurückblicken… diese Ausage wird nicht gemacht, da es sich um das sein oder nicht sein eines Menschen handelt! Diese Aussage würde den ganzen Menschen in Frage stellen! Jedoch geht es um die Frage wie erfüllt, glücklich, zufrieden bin ich mit dem Muttersein und da gibt es bestimmt viele die nicht mit einem jauchzigen Ja antworten.
Hmmm…
Ich kenne welche, die das ganz still und heimlich, wenn keiner zuhört und auch viel Wein im Spiel war, gesagt haben.
Und diese beiden Frauen lieben ihre Kinder und sind gute Mütter. Sie haben sinngemäß gesagt: „Wenn ich das vorher gewusst hätte, hätte ich mich anders entschieden.“ Und ich weiß ehrlich gesagt nicht, wieso das nicht vorkommen soll? Also ob die Tatsache ein Kind zu haben, einen davon auf ein Mal frei macht. Ich glaube, dass deutlich mehr Frauen diesen Gedanken aussprechen würden, wenn es gesellschaftsfähig wäre, darüber zu reden, dass man natürlich seine Kinder nicht zurück geben würde, aber dass die Entscheidung nicht für sie die richtige war. Und wenn alle Mütter denken würden wie Diana, wo kommen dann die ganzen Pflegekinder her und die Kindesmisshandlungsgeschichten. So eine unreflektierte Aussage.
Blödsinn
Das ist wirklich ein sehr einseitiger Kommentar, dessen Inhalt auch sicherlich nicht zutrifft. Man sollte hier eben nicht einfach von sich auf andere schließen, ohne fie Hintergründe Einzelner zu kennen…