Hey Lisa,
ich muss nach fast einem Jahr Elternzeit jetzt mal Bilanz ziehen. Und leider wird dies, glaube ich, eine Bilanz des Scheiterns. Ja, lach nur Lisa, du hast es ja kommen sehen. Von der ersten Minute an. Als man meinen schwangeren Bauch noch gar nicht sehen konnte.
Der Gedanke Bilanz zu ziehen, kam mir am Wochenende als ich den Essay über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie von Malte Welding in der Berliner Zeitung gelesen habe. Nachzulesen hier. Mein ehemaliger Nachbar und Buchautor Malte wird bald Papa und grübelt daher im Moment weniger über die Liebe als über uns Mamas. Einfühlsam beschreibt er wie wir armen Frauen, uns hochschwanger im Büro abquälen müssen und dass sich die Josef Ackermanns dieser Welt nicht vorstellen können wie es ist, alle fünf Minuten pinkeln zu müssen. Und auch Norbert Blüm pflichtet in Der Zeit bei und ruft „Von wegen Vereinbarkeit“, macht sich für die Rolle der Familie und der arbeitenden Mütter stark.
An dieser Stelle, ganz ehrlich: Danke Männer! Einfach Danke.
Ich dachte nicht, dass ich das über Euch jemals sagen würde, aber: Ihr versteht uns! Und das – natürlich in eurer verklausulierten Welt aus Statistiken und Wahrscheinlichkeiten – auf so eine ganz sensible mitdenkende Art.
Habe ich nicht recht, Lisa?
Nur ist es aber jetzt meine blöde Aufgabe Euch mitzuteilen, was für undankbare schwache Geschöpfe wir Frauen, ääähhh, wir Mütter sind.
Okay, fairerweise werde ich da jetzt nicht alle mit reinziehen und mal nur von mir reden – obwohl es vielen Mamis in meinem Freundeskreis so geht.
Denn obwohl ich in einem emanzipierten Paradies lebe – inklusive Kita-Platz, treusorgendem unterstützenden Papa, super Arbeitgeber und sogar eine lieben Oma, meiner Mama, die drei Mal die Woche vorbeikommt und den Enkel bespielt – schaffe ich es nicht, (genügend) abzugeben, um wieder ein volles berufstätiges Mitglied dieser Gesellschaft zu werden.
„Ich will eine Nanny“, tönte ich noch während der Schwangerschaft vor meinem Freund und unseren Freunden rum. Als mein Liebster mir aber zwei Wochen NACH der Entbindung zwei Konzertkarten unter die Nase hielt und den Babysitter ankündigte, kam es zu einer tränenreichen Szene und fast zu Handgreiflichkeiten zwischen den jungen Eltern.
„Wir werden uns trennen“, brüllte ich heulend meinem Freund Pausti entgegen.
„Aber, nein, Caro. Das werden wir nicht“, versuchte er mich zu beschwichtigen.
Ich schüttelte den Kopf und zeigte auf Klein-Maxime, der gerade schlummernd in seinem Stubenwagen lag.
„Aber nein“, antwortete ich. „Ich meine mich und ihn. Buhuhuhu…“
Armer Pausti. Mit so vielen Mama-Hormonen hatte er nicht gerechnet. Und manchmal überrascht es ihn warscheinlich bis heute.
Zum Beispiel heute Morgen. Montagmorgen bringt ER Maxime in die Kita. Haben wir so ausgemacht. Was mich aber nicht daran hindert, um sieben Uhr mit unserem Baby aufzustehen, ihm sein Milchfläschchen zu geben, ihn anzuziehen, sein Frühstücksbrei anzurühren, eine halbe Banane daneben zu legen (Papa denkt da nie dran!) und seine warme Mütze an den Türknauf zu hängen, damit Pausti sie nicht vergisst. Mütter, halt.
Sicherlich könnte ich jetzt durchziehen und sagen: So! Kita bis 17.30 Uhr, Mama geht arbeiten und Papa macht einen Tag am Wochenende. Stattdessen hetze ich mich jeden Tag, damit Max nicht EINE Sekunde länger als 14 Uhr in der Kita bleibt, obwohl ich mit Studium und Arbeit, Anspruch auf neun Stunden Betreuung am Tag habe.
Die Frage, lieber Herr Blüm und lieber Malte, die man sich deshalb auch stellen muss, wenn man über Vereinbarkeit von Beruf und Familie schreibt, ist: Wie stark ist der Muttertrieb? Loriot sagte einst: „Der Muttertrieb ist gefährlicher als die Atombombe“.
Lisa und ich fanden diese Zitat so stark und wahr, dass wir es an den Anfang unseres Buches gesetzt haben.
Das Ding ist doch einfach das: Ich habe Maxime bekommen. Er ist mein Sohn und fast ein Jahr alt. Er trägt momentan eine kleine 501-Levis für Babys, die ihm unsere Nachbarin geschenkt hat. Er kann jetzt MAAAMA sagen (Vorne mit langen A, hinten mit abgehakten kurzen). Er hat keine Zähne und kann trotzdem ganze Weintrauben essen. Er drückt seinen kleinen Finger immer in das Innere des Brötchens, um die Weichheit zu ertasten, bevor er reinbeißt.
Er geht jetzt in die Kita. Und trotzdem braucht er mich noch mit seinen elf Monaten. Und ich brauche ihn. Und ich will von ihm gebraucht werden. So ist das mit uns Mamas.
Und deshalb wäre ich froh, mal einen Essay zu lesen, der vielleicht bei allen Statistik-Analysen über Berufstätigkeit und Familie, den Fehlerquotienten Mama-Urinstinkt, einrechnet. Fände ich wahnsinnig spannend.
Denn manchmal bin ich als Mama leider nicht so stark wie es eine Alice Schwarzer oder Simone de Beauvoir von einer jungen studierten Frau im Jahre 2012 erwarten würde. Ich glaube, das nennt man Glücklich Scheitern oder so…
5 comments
Danke May!
Das finde ich auch! Und das sollte sich jede Mutter rausnehmen, finde ich. Also zu machen, worauf sie Lust hat… Dafür gibt es eben diese schöne Emanzipation :-)!
Alles im grünen Bereich
Warum sollte eine emanzipierte Frau nicht das Muttersein genießen dürfen? Du stellst doch nebenher noch genug auf die Beine. Ich finde Euren Austausch super.
Ja es ist so schön das
Ja es ist so schön das Mutterglück aber wir sind ja nicht nur Mütter sondern auch noch Frauen mit Beziehungen z.B. zu einem Mann und einer Arbeit, die uns Spaß macht. Sollte man bei den ganzen Mutterhormonen vielleicht nicht vergessen. Spätestens wenn der Partner genervt die Trennung will oder man beruflich nicht mehr Fuß fassen kann, sollte man die Mutterhormone etwas unterdrücken denn die Kleinen danken es uns leider später überhaupt nicht, was wir alles für sie geopfert haben, weil sie ja so süüßßßß waren…. Kinder sind leider sehr undankbar, deshalb lieber nicht den Mann und die Arbeit aus den Augen verlieren…
Schön, es ist überall gleich
Ja, ich bin auch so ein Papa und wenn meine Susanne nicht die Banane neben die Tür liegt, werden meine Kinder den Vormittag wohl auch ohne Obst verbingen…
Dafür danken wir Euch!
Das Muttertier
Das Muttertier, das Muttertier
ist so ein Urinstinkt in mir.
Da sagt mein Kopf du kannst jetzt gehn,
doch mein Herz bleibt hier stehn.
Wozu auch ausgerechnet das Liebste verlassen?
Das kann mein Herz nicht fassen.
Mensch du hast doch gekämpft dafür
und nun lässt du es einfach hier?
Bei Leuten, die nicht wissen was du weißt
und die nicht ahnen was “krakräh“ heißt?
Doch du musst, sagt der Kopf zu mir,
denn dein Schatz hat es super hier.
Ja aber wieso? Fragt das Herz zurück.
Nur hier hab ich ihn doch im Blick.
Weil du noch mehr bist als das Muttertier,
und das zeig ich dir.
Du musst nämlich auch für dich selber sorgen
und vergiss dabei nicht das über morgen,
wenn dein Schatz weniger auf Wurzeln als auf Flügel steht
und du dann nicht mehr weißt, wie das Fliegen geht.